Aus aktuellem Anlass: Zu dieser Stunde läuft die Fernsehübertragung dieses Konzerts auf ORF III (20.15 – 21.30 Uhr, 16. Mai 2021).
Niemals verstummen soll die grandiose Musik, die dieses einzigartige Orchester zum Erklingen bringt. Da hat sich gezeigt, wie sich die akribische Arbeit von Franz Welser-Möst ausgezahlt hat.
klassik-begeistert-Reporter hörte die Wiener Philharmoniker live im Goldenen Musikvereinssaal
Copyright: Wiener Philharmoniker, Fotograf: Dieter Nagl
Musikverein Wien, 18. April 2021
Wiener Philharmoniker
Konzertaufzeichnung am 18. April 2021 im Musikvereinsgebäude, Großer Saal
Franz Schubert: Symphonie Nr. 2 in B-Dur
Richard Strauss: Sinfonia Domestica op. 53
Dirigent: Franz Welser-Möst
von Herbert Hiess
Was ist in diesen Corona-Zeiten schon normal? Da werden Opern und Konzerte – wenn überhaupt – nur „gestreamt“, was aber leider die einzige Möglichkeit ist, dass Künstler ein Lebenszeichen von sich geben können.
Nun war es am 18. April soweit, dass Österreichs Paradeorchester mit Franz Welser-Möst (FWM) einen Auftritt vor Kameras und einem kleineren Kreis von Journalisten hatte und ein phänomenales Konzert präsentierte. Dazu aber später!
Vor dem Konzert gab es ein Pressegespräch mit Franz Welser-Möst und dem Pressesprecher des Orchesters Michael Bladerer. Und prompt wurde am Schluss dieses Gespräches von einigen Leuten das Thema Corona-Impfung des Orchesters aufgeworfen. Ein vermeintliches „Privileg“, was eigentlich keine einzige Silbe wert ist. Dass man ein Weltklasseorchester, das man ohne Bedenken als (musikalisches) „Weltkulturerbe“ bezeichnen kann, in so eine miese Debatte manövriert, ist schon bezeichnend. Bezeichnend vor allem von dem Stellenwert, das ein solches Orchester dann offenbar bei Teilen der Bevölkerung (und bei manchen hetzerischen Medien) hat.
Michael Bladerer hatte Mühe, einigen anwesenden Personen die Situation klarzumachen, was passiert, wenn einige Musiker coronabedingt ausfallen würden. Dann würden nämlich die im Umkreis sitzenden Musiker als Kontaktpersonen quarantänebedingt ausfallen, was letztlich einige Projekte zu Fall bringen könnte. Es wäre tatsächlich empfehlenswert, dieses Thema – auf Wienerisch gesagt: „Net amoi zu ignorieren“. Da kann man es nicht allen recht machen und wenn man beharrlich schweigt, werden auch die letzten Hetzer (inkl. gewisser Medien) verstummen.
Niemals verstummen soll aber die grandiose Musik, die dieses einzigartige Orchester zum Erklingen bringt. Da hat sich gezeigt, wie sich die akribische Arbeit von Franz Welser-Möst ausgezahlt hat.
Der oberösterreichische Chefdirigent des Cleveland Orchestras hat sich über die Jahre mit den Wienern so richtig „zusammengerauft“ – nicht immer friktionsfrei. Nun sind sie tatsächlich auf Augenhöhe, was man mit Freude hören kann. Schuberts zweite Symphonie, die viel zu selten aufgeführt wird, wurde hier mit Nuancen präsentiert, die man selten so schön und so klar hören konnte. FWM betonte im Eingangsgespräch, dass beim Spielen „ein gewisser Dialekt notwendig sei. Die Takte können nicht immer mathematisch ausgespielt werden; hier sind immer wieder Rückungen und Rubati notwendig“. Mit diesen Ansagen im Ohr konnte man mit Begeisterung diese traumhafte Aufführung hören. Natürlich waren alle Musiker hier großartig; einen Sonderapplaus verdient hier der Solooboist Martin Gabriel. Unvergleichlich, wie er in einer Variation des Andantes und vor allem im Trio des Menuettes die Zuhörer verzaubern konnte. Schon allein diese Symphonie war den Besuch des Konzertes wert.
Aber dann kam die musikalische Familiengeschichte der Familie Richard Strauss. Er selbst, seine Gattin Pauline und sein Sohn Franzi kommen hier oft zu Wort; nicht nur ein lebhafter Verwandtenbesuch, sondern auch ein Familienzwist und letztlich der „häusliche Friede“, den Richard Strauss in eine wunderbare Abschiedsszene komponierte (gerade diese Abschiede sind ja sein Markenzeichen).
Diese Sinfonia ist ein Spätwerk und liegt zwischen „Heldenleben“ und der „Alpensinfonie“. Wer Strauss kennt, weiß, dass er sich immer wieder gern selbst zitiert. Also hört man oft seine verschiedenen Tondichtungen und auch immer wieder „Rosenkavalier“.
FWM erzählte in dem Gespräch, wie sehr dominant die liebe Pauline doch war. Er sagte „nicht umsonst beginnt der Auftritt Paulines mit den ersten drei Tönen aus Elektra“. Das Verhältnis Richard Strauss mit seiner Gattin ist irgendwie ähnlich dem von Peter Alexander mit seiner Hilde. Beide Männer waren künstlerisch natürlich hervorragend aber dann irgendwie doch nicht so lebenstüchtig. Mit ihrem resoluten Gehabe „motivierten“ die Gattinnen ihre Männer dann doch zur Arbeit und zum Geld verdienen.
Strauss hatte so viel Selbstironie, dass er eben sein Eheleben hier in wunderschöne Noten goss. Und natürlich zu Wort kommt das „Bubi“ Franz. FWM auf die Frage, wie er die Rolle seines Namensvetters in diesem Werk sieht: „Franz ist ein Kind der Liebe, deswegen beginnt er auch mit der Oboe d’Amore“.
Genial wie dieses allzu selten gespielte Werk hier aufgeführt wurde. Der enorm schwierige Orchestersatz wurde von den Musikern grandios zum Klingen gebracht. Selbst das Fugato am Schluss war transparent bis ins letzte Detail, obwohl keine musikalische Nuance verloren ging.
Zurück zu den Neiddebatten: Lasst die Philharmoniker in Ruhe, wir müssen froh sein, dass wir sie haben und dass sie auch für musikalischen Nachwuchs sorgen. Und vor allem in Zeiten wie diesen muss man für ihr Schaffen dankbar sein!
Herbert Hiess, 19. April 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Wiener Philharmoniker, Christian Thielemann Anton Bruckner, Symphonie Nr. 5 in B-Dur
Wiener Philharmoniker, Herbert Blomstedt Musikverein Wien, 3. Oktober 2020