Zauberflöte 2025 Wien © Michael Pöhn / Wiener Staatsoper
1300-mal wurde an der Wiener Staatsoper die „Zauberflöte“ aufgeführt, nach Mozarts „Entführung“ das an zweiter Stelle auf dieser weltberühmten Bühne gespielte Werk. Daneben führte die Volksoper die „Zauberflöte“ unzählige Male auf und selbst die kleine Kammeroper wagte sich an Mozarts unsterbliches Werk. Da war es nur angebracht und dem treuen Wiener Opernpublikum höchst willkommen, dass die Staatsoper in der eigenwilligen Regie von Barbora Horáková frischen Wind in diese Königin aller Opern wehen ließ.
Wolfgang Amadeus Mozart
Die Zauberflöte
Text: Emmanuel Schikaneder
Regie/Inszenierung: Barbora Horáková
Bühne und Video: Falko Herold
Musikalische Leitung: Bertrand de Billy
Wiener Staatsoper, 30. Januar 2025
von Dr. Charles E. Ritterband
Denn schließlich war es ja auch in Wien, bei mir im 4. Wiener Gemeindebezirk, gleich um die Ecke, im längst nicht mehr existierenden Freihaustheater auf der Wieden, wo dieses unsterbliche Werk vor nahezu zweieinhalb Jahrhunderten das Scheinwerferlicht der Bühnenwelt erblickte.
Das Publikum war gespalten in seiner Beurteilung der Inszenierung; einhellig jedoch der Jubel für die phänomenale Königin der Nacht, die hervorragende Pamina und den exzellenten Sarastro.
Kurioserweise hat Emmanuel Schikaneder, der Textdichter, gleichsam unter Konkurrenzdruck – denn in Wien kam damals ein ganz ähnliches Stück mit großem Erfolg auf die Bühne – eine 180-Grad-Wendung vollzogen: er machte aus der guten Fee die Königin der Finsternis, des Aberglaubens und aus dem bösen Zauberer Sarastro den aufgeklärten, guten Herrscher, der den Menschen die Sonnenstrahlen der Aufklärung bringt.
Cobenzl als Ort der Inspiration
Wer in Wien am romantischen Weinort Grinzing vorbei fährt, gelangt auf einer kurven, kopfsteingepflasterten Straße auf den „Cobenzl“: Mozart schrieb dort, als Gast im Schloss des Grafen Cobenzl – Freimaurer wie er selbst – die ersten Noten zur Zauberflöte. Inspiriert hat Mozart, wie er in einem begeisterten Brief an seinen Vater berichtet, eine künstliche, wildromantische Grotte unterhalb des Schlosses: hierhin verlegte er den Anfang seiner Oper: die Begegnung Taminos mit der Schlange, dann mit Papageno und den drei Damen der Königin.
Höchstes Lob von Richard Wagner
Wagner hatte höchstes Lob für die „Zauberflöte“: dies sei die Quintessenz aller edelsten Blüten der Kunst. Für die Regisseurin dieser Neuinszenierung Barbora Horáková ist die Zauberflöte ein „ebenso heiteres wie düsteres Märchen“, dessen Figuren sich in existentiellen Bedrohungen den ihnen auferlegten „Prüfungen“ in Feuer und Wasser bewähren müssen „ohne den inneren Kompass zu verlieren“.
Überfülle an Regie-Einfällen
Horáková verlegte die Handlung in ein Spukschloss („gothic horror“) oder vielleicht eine gruselig verlotterte alte Villa – Hitchcocks „Psycho“ lässt grüßen – durch welche unheimliche Vogelschwärme und Fledermäuse flattern und Donnerschläge die Protagonisten in Angst und Schrecken versetzen.
Dann wieder wird die Bühne zu einem überdimensionierten Puppenhaus, eine Treppe verbindet kleine Räume, in denen sich einzelne Szenen abspielen. Statt Freimaurertempel residiert der sehr diesseitige Sarastro als Primus inter Pares in einer Art Londoner Gentleman’s Club – unter Ausschluss von Frauen. Die drei Knaben schweben nicht wie üblich auf einer Wolke (oder in einer Nostalgie-Flugmaschine) über der Bühne, sondern erkundigen abenteuerlistig das Spukschloss mit seinen gespenstischen Vogelgerippen auf ihren Kinderfahrrädern.
In einer besonderen Regie-Idee verwandelt Horáková ldas junge Paar Tamino-Pamina während den Prüfungen mittels aufgeschnallter Puppen bzw. Masken in ein Greisenpaar: das gemeinsam in Harmonie alt werden ist die „ultimative“ Prüfung für das Paar. Doch weshalb werden die greisen Puppen in den Schnürboden hinauf gehievt, während das junge Paar unten bleibt? Rätselhaft.
Raffiniert eingesetzte Video-Projektionen ergänzen das durchaus beeindruckende Bühnenbild: atemberaubend ist der Einstieg, der den Zuschauer rasant durch ein gewaltiges Gewitter ins Innere des Spukschlosses geleitet. Leider ist dagegen die blasse nur mit Mühe erkennbare Schlange, obwohl als Bühnenraum-füllende Videoprojektion konzipiert, alles andere als furchterregend – eher bedauernswert kümmerlich…
Man bekommt schnell den Eindruck, dass sich die Regisseurin vor lauter Ideen kaum zu retten wusste – und auf keine dieser originellen Regieeinfälle verzichten möchte, selbst wenn sie sich dadurch in Widersprüche und logische Unstimmigkeiten verhedderte.
Am krassesten: dass Sarastro in seinem ersten Auftritt auf einer Mondsichel auf die Bühne herabschwebte: das ist grober Unfug. Der Mond ist, wie ja schon deren Name unmissverständlich ankündigt, der Königin der Nacht vorbehalten – und zudem in der gesamten europäischen Kunstgeschichte der Frau vorbehalten. Zum Sarastro gehört die Sonne – der „Sonnenkreis“,
wie es ja auch im Text heißt. Total verwirrend beziehungsweise unsinnig ist es auch, dass die drei Damen (sie sind ja das Personal der Königin) in Sarastros Tempel bzw. Club in einem Klassenzimmer den Kandidaten Tamino instruieren.
So sehr die Überfülle der Regieeinfälle auch zur Unterhaltung beiträgt – weniger wäre mehr gewesen, wie so oft.
Große Stimmen
Mit melodiösen, virtuos und doch präzise gemeisterten Koloraturen die Königin der Nacht der phänomenalen Serena Sáenz. Großartig die warme, weiche und hochmusikalisch-lyrische Stimme der Slavka Zámečníková als Pamina. Sonor und stimmlich überragend der Sarastro des Georg Zeppenfeld. Trotz feinem tenoralem Schmelz nicht völlig überzeugend der Tamino des Julian Prégardien. Ausgezeichnet der muntere Papageno des Ludwig Mittelhammer; die Papagena der Ilia Staple führte zusätzlich als brillante Bauchrednerin die Maske ihres „greisen“ Trugbildes.
- Das Orchester der Staatsoper unter der Stabführung von Bertrand de Billy glänzte mit authentisch Mozart’scher Klangfülle.
Dr. Charles E Ritterband, 30. Jänner 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Sarastro: Georg Zeppenfeld
Tamino: Julian Prégardien
Königin der Nacht: Serena Sáenz
Pamina: Slavka Zámečníková Papageno: Ludwig Mittelhammer
Papagena: Ilia Staple
Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte Staatsoper Hamburg, 1. Januar 2025
Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte Staatsoper Hamburg, 21. Dezember 2024