Foto: Quelle – Peter Steffen/dpa
NDR Klassik Open Air, Maschpark Hannover, 25. August 2018
Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni
von Christian Schütte (onlinemerker.com)
Zum fünften Mal bereits wurde die imposante Kulisse des Neuen Rathauses in Hannover und des davor liegenden Maschparks zur Opernbühne. Nach jeweils zwei Mal Puccini und Verdi stand nun Don Giovanni auf dem Programm; zum ersten Mal leitete Andrew Manze, seit 2014 Chefdirigent der NDR Radiophilharmonie Hannover, die Aufführung. Wie bereits in den vergangenen Jahren kam für die einmalige Aufführung eine eindrucksvolle Schar international gefragter Solistinnen und Solisten nach Hannover, die diesem Don Giovanni nicht nur Glanz, sondern auch Größe verliehen. Das machte das größte Manko des Abends wett – bei zwar trockenem, aber doch sehr windig-frischem Wetter brauchte es von allen, Beteiligten wie den mehr als 40.000 Zuschauern, besonders viel Durchhaltevermögen.
Der Bühnenaufbau über dem Maschteich bietet vor allem Platz für das Orchester, davor und drumherum ist szenische Aktion nur begrenzt möglich. Dennoch entstand eine Aufführung, die weit mehr war als nur „halbszenisch“ – denn nicht nur die Bühne, sondern das gesamte Ambiente, inklusive Zuschauertribüne, ist als Spielfläche nutzbar. Michael Valentin, der für die Inszenierung verantwortlich zeichnete, hat so zwar keine Möglichkeiten einer szenischen Interpretation, brachte die Geschichte aber doch mit wirkungsvoll-lebendigen Bildern zur Geltung, gekrönt durch eine durchaus eindrucksvoll gelungene Begegnung mit dem steinernen Gast am Ende; ausgesprochen stimmungsvoll gesetzte Lichtakzente waren dafür eine wunderbare Unterstützung.
Hauptakteur an diesem Abend blieben nichtsdestoweniger Mozart und seine Interpreten. Andrew Manze schlug mit der NDR Radiophilharmonie mit den ersten Akkorden der Ouvertüre einen sehr klaren, direkten Ton an, mit deutlicher Akzentuierung der dramatischen Höhepunkte; nicht zu straffe Tempi ließen nicht allzuviel Leichtigkeit aufkommen, aber es ist eben auch keine leichte, sondern eine abgründige Geschichte. Sein Orchester folgte Manze mit größter Aufmerksamkeit, die Begleitung der Solisten geriet stets ausgewogen. Auch wenn der Chefdirigent der Radiophilharmonie von sich sagt, er sein kein ausgewiesener Operndirigent – in der Tat ist er auf diesem Terrain bisher wenig in Erscheinung getreten – empfahl er sich mit diesem Abend doch nachdrücklich für weitere Aufgaben.
Es fällt schwer, unter den Solisten einzelne hervorzuheben, denn es war den ganzen Abend über nicht nur klangschöner, sondern stilsicherer und genau auf die dramatische Situation abgestimmter Gesang zu hören. Ludovic Tézier ist ein erfahrener Don Giovanni und mit seinem vollen und rund geführten Bariton eine Idealbesetzung; ihm zur Seite war Luca Pisaroni mit ebenso makellos geführtem Bassbariton kaum nur sein Diener, viel mehr sein Partner auf Augenhöhe. Malin Byström und Jennifer Holloway verkörperten die so unterschiedlichen Charaktere der Donna Anna und Donna Elvira, die doch am Ende vereint sind in ihrem Rachebedürfnis, absolut überzeugend; Malin Byström mit leicht dunklen Farben, anfangs introvertierter, am Ende verzweifelt ausbrechender, inniger Stimmführung als Anna; Jennifer Holloway als selbstbewusst-dramatische, leuchtende Elvira. Ebenso perfekt in der Stimmführung und mit idealer Mozart-Klangkultur wertete Paolo Fanale den Ottavio erheblich auf. Keck und selbstbewusst sang Cassandre Berthon die Zerlina, weniger als naives Mädchen, sondern auf direktem Weg in Richtung einer der Donnen – auch stimmlich. Krzysztof Bączyk als dunkel gefärbter Masetto und Michael Dries als kurzfristig für Christof Fischesser eingesprungener Komtur komplettierten das Ensemble. Das war sängerisch einfach durchweg ganz großes Format .
Der Schlussapplaus war dementsprechend begeistert, wenn auch recht kurz – weit nach Mitternacht und bei inzwischen doch empfindlich kühlen Temperaturen war das aber verständlich.
Christian Schütte, 26. August 2018