Von Moll nach Dur: Der Wüstling Don Giovanni erhält seine gerechte Strafe – Tschakka!

Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni  Reaktorhalle, München, 10. Mai 2025

Foto: Don Giovanni Musiktheater im Reaktor 2025 (c) Jakob Schad, Eder_ van Hoof

Die Stimmen bringen die schillernde kraftvolle Emotionalität aus Mozarts Oper Don Giovanni zum Vorschein. Die Reaktorhalle füllen sie exzellent. Sie haben die Qualität für größere Bühnen. Stimmen mit Zukunft, von denen ich hoffe, ihnen auf größeren Bühnen wiederzubegegnen.

Don Giovanni
Dramma giocoso in zwei Akten
Komposition Wolfgang Amadeus Mozart

Libretto Lorenzo Da Ponte

Musikalische Leitung Giuseppe Montesano
Inszenierung Doris Sophia Heinrichsen
Bühnenbild Jens Hübner
Kostüme Claudia Karpfinger und Katharina Schmidt
Dramaturgie Paulina Platzer

Chor aus Studierenden der HMTM
HSO München

Reaktorhalle, München, 10. Mai 2025

von Frank Heublein

An diesem Abend wird in der Reaktorhalle, einer Aufführungsstätte der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) ein erstes Mal in diesem Semester Mozarts Don Giovanni aufgeführt. Der erste Titel der Oper lautete „Il Dissoluto Punito o sia il Don Giovanni“ – Die Bestrafung des Wüstlings oder Don Giovanni. Aus dem Programmheft entnehme ich die wichtige Botschaft der Künstlerinnen und Künstler, dass entgegen des größten Teils der Musikliteratur die Oper nicht auf eine Katastrophe, sondern auf eine Befreiung hinausläuft.

Es ist die einzige von Mozarts späteren Opern, die einen Moll nach Dur Bogen schlägt. Schon bereits in der Komturszene, der vorletzten der Oper, also noch vor der letzten Szene Questo è il fin di chi fa mal (So endet wer Böses tut) schwenkt Mozart nach Dur. Die Tonartänderung verrät: es ist die Geschichte der Befreiung von einem Wüstling.

Da Ponte ist ein Schreiber mit Respekt vor den Rollen. Jede Rolle bekommt in Don Giovanni mindestens eine große Arie. Die Stimmen, die ich höre sind keine Stimmen der Zukunft, es sind welche von Heute. Die Reaktorhalle füllen alle Stimmen exzellent. Sie sind bereit und haben die Qualität für größere Bühnen.

Bild Don Giovanni Musiktheater im Reaktor 2025 (c) Jakob Schad, Eder

Bariton Johannes Eder füllt die Rolle des Wüstlings Don Giovanni hervorragend aus. Launig schubst im zweiten Akt kurz den Cembalospieler vom Sitz um selbst ein paar Takte zu spielen. Seine dreiste Gier drückt sich beispielsweise in einer Gürtelöffnung in der Verführungsszene Zerlinas im ersten Akt aus. Stimmlich dynamisch-entschlossen-von-sich-überzeugt. Ihm höre ich sein Aggressionspotenzial an, er legt Gier in seine Stimme. Johannes Eder meistert die Titelrolle mit Bravour.

Bariton Tatsuki Sakamoto ist neben Anna Krikheli schaupielerisch außerordentlich. Sein Talent macht die erste Szene des zweiten Akts zu einer sehr humorigen. Stimmlich dunkler timbriert als Don Giovanni, harmoniert er mit seiner kraftvollen Stimme mit „seinem Chef“ Don Giovanni, wie die Übertitelung übersetzt.

Sopran Anna Krikheli singt und spielt Donna Anna. Schauspielerisch stark trauert sie herzergreifend um ihren Vater im zweiten Akt. Ihre Stimme hat Strahlkraft, sie vermittelt mir zugleich die weichen zerbrechlichen Töne ihrer Trauer gut. Tenor Justus Rüll singt den Don Ottavio. Das Bekenntnis zur Rache für Donna Annas Vater prägt er gut und stimmlich überzeugend aus.

Foto: Don Giovanni Musiktheater im Reaktor 2025 (c) Jakob Schad, Krikheli

Sopran Maria van Hoof singt Donna Elvira sehr energetisch. In Ihrer Stimme höre ich die entschlossene Wut, es Don Giovanni zurückzuzahlen. Die Schwäche des Librettos im zweiten Akt, dass sie – so leicht – hereinfällt auf den Verwechslungstrick Don Giovannis und Leporellos, die beiden vertauschen ihre Rollen, wird nachvollziehbar inszeniert.

Sopran Olga Surikovas Zerlina ist stimmlich einen Hauch wärmer als die der Donna Anna und Elvira. Die Rückholsingaktion Vedrai, carino, se sei buonino, / che bel rimedio ti voglio dar! (Wenn du gut bist, mein Geliebter, wirst du sehen, /welche schöne Medizin ich dir gebe!) becircst sie mit schmeichelnder Stimme nicht nur den von Don Giovanni verprügelten Ehegatten in spe Masetto, sondern auch mich.

Bariton Johannes Domke singt Masetto. Die Eifersuchtsszene im ersten Akt gelingt im gut. Schauspielerisch humorvoll wendet er sich offensichtlich von Zerlina ab, indem er Earpads einsteckt und sich die Augen verbindet. Und doch fängt sie in wieder ein am Ende der Szene. Bass-Bariton Luis Weidlich singt den Komtur (Il Commendatore). Kraftvoll schafft die Spannung, den Druck stimmlich aufzubauen, dem Don Giovanni sich beugen muss. So jedenfalls wird es hier für mich sehr nachvollziehbar inszeniert. Johannes Eders Don Giovanni wird von der Stimme des Komturs niedergedrückt.

Foto: Don Giovanni Musiktheater im Reaktor 2025 (c) Jakob Schad, Sakamoto, van Hoof, Rüll, Surikova

Giuseppe Montesano leitet das sehr gut aufgelegte Hochschulorchester souverän. Konzentrierte Spannungsbögen. Im Basketball würde es „Zug zum Korb“ heißen, was das Orchester über die Dauer des Stücks offenbart. Toller Mozartklang. Bei Don Giovannis Arie Deh, vieni alla finestra Anfang des zweiten Akts wird anstatt des Cembalos ein Saxophon als Begleitinstrument eingesetzt. Eine interessante Verbindung dieses zu Mozarts Zeiten noch gar nicht erfundenen Instruments mit der Bariton Stimme Johannes Eders.

Die Reaktorhalle wird optimal genützt, viele gute Zu- und Abgänge. Die integrierte Platzierung des Orchesters. Das Team um Regisseurin Doris Sophia Heinrichsen macht einen sehr guten Job. Die Bar als Hauptspielort der Inszenierung heißt Casanova, einem potenziellem Vorbild Don Giovannis. Im zweiten Akt verliere ich persönlich für einige wenige Momente meine Zuseh- und Zuhör-Dynamik. Wie es das Programmheft richtig schreibt: inhaltlich bräuchte es Zerlina und Masetto im zweiten Akt nicht. Aber nein! Auf Zerlinas Vedrai, carino, se sei buonino, wollte ich natürlich nicht verzichten. Eine reife Leistung der gesamten Crew. Ich lebe und leide mit, mit allen Rollen auf der Bühne.

Ein musikalisch wie inszenatorisch wunderbar gelungener Abend.

Frank Heublein, 12. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Weitere Aufführungen bis 20. Mai 2025 (es gibt zwei unterschiedliche Besetzungen)
https//hmtm.de/veranstaltungen/musiktheater-im-reaktor-don-giovanni-3/

Besetzung

Don Giovanni Johannes Eder
Leporello Tatsuki Sakamoto
Donna Anna Anna Krikheli
Don Ottavio Justus Rüll
Donna Elvira Maria van Hoof
Zerlina Olga Surikova
Masetto Johannes Domke
Il Commendatore Luis Weidlich

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