Die English National Opera inszeniert ihre Opernproduktionen grundsätzlich in englischer Sprache – um damit ein weiteres und vor allem jüngeres Publikum anzusprechen. Die Engländer, das ist wohlbekannt, sind ja grundsätzlich unbegabt und vor allem chronisch unwillig, was Fremdsprachen betrifft – zumal ja ohnehin auf der Welt jeder mehr oder weniger des Englischen kundig ist. Also Mozart auf Englisch. Das funktioniert als Komödie, zumal in dieser exzellenten Übersetzung (Jeremy Sams).
Wolfgang Amadeus Mozart, The Marriage of Figaro
Regie: Joe Hill-Gibbins
Musikalische Leitung: Ainars Rubikis
Koproduktion mit der Oper Wuppertal
English National Opera ENO at the London Coliseum, 22. Februar 2025
von Dr. Charles E. Ritterband
Man schaut sich zuhauf Opernproduktionen an, welche von Regisseuren angefertigt wurden, die vom Film kamen und daher reichlich Videos benutzen (was leicht zu visueller Überdosis und Ablenkung vom künstlerischen Gehalt führen kann).
Hier war es ein Mann vom Theater (Joe Hill-Gibbins), der sich am Stoff von Lorenzo Da Ponte versuchte – und das war überdeutlich zu spüren. Er gibt zu, dass die „Marriage of Figaro“ eines der „komplexesten Stücke mit der größten Herausforderung“ sei, die er je erarbeitet habe. Und dabei kam er zum Schluss, das „jegliche Versuche, den „Figaro“ mit großen Ideen zu Bühnenbildern, Design und zusätzlichen Handlungselementen sich immer als überflüssig erweisen“. Er sei daher stets bestrebt, „zu vereinfachen und zu reduzieren, statt hinzuzufügen“.
Dass im Programmheft dann noch ein paar Auslassungen zu „MeToo“ im Hinblick auf Mozarts Barockoper zu lesen waren, erschien dann doch etwas bemüht und auf kaum sehr intelligente Weise anachronistisch.
Nun, das zumindest ist dem Regisseur zweifellos gelungen: Das Bühnenbild – es wird schon nach kurzer Zeit ziemlich fad – besteht aus einer weißen Wand, hinter der (Enttäuschung!) sich nichts verbirgt, in die aber nach dem bekannten Muster französischer Komödien, vier Türen eingelassen sind, die sich abwechselnd öffnen und die Akteure mit komischen Gesichtsausdrücken kurz sichtbar machen, oder durch die sie hereinkommen oder hinaus gehen. Das ist mal kurz lustig, wird aber mit der Zeit eher monoton.
Zugegeben: Die auf Theater reduzierte Produktion erlaubt dem singenden Personal zwangsläufig die Konzentration aufs Schauspielerische, Komische. Was aber total auf der Strecke bleibt bei dieser auf kahl-weißen Minimalismus reduzierten Produktion: Der augenzwinkernde barocke Charme von Mozart-Da Ponte.
Wenn man nun hätte denken können, dass die (an sich hervorragenden) Stimmen in diesem reduzierten, steril-weißen Ambiente umso mehr zur Geltung kämen, so sah man sich enttäuscht. Zwar galt dies für Interaktionen und die komischen Elemente – aber Oper war dies nicht wirklich, zumal nicht Barockoper.
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Dennoch: Die Gräfin Almaviva der Nardus Williams war hinreißend und vor allem berührend – eine lyrische Sopranstimme, satte frauliche Tiefe: Sie war unbestreitbar der Star dieses Abends.
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Glänzend, darstellerisch und stimmlich der Figaro des David Ireland: ein schöner, maskuliner Bassbariton mit viel Wärme in seiner machtvollen Stimme.
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Lebendig und mit kunstvoll beherrschtem Sopran Mary Bevan als Susanna.
Hervorragend der Graf des Cody Quattlebaum mit herrlich geschliffenem Bariton. Exzellent und präzis, in bester Mozart’scher Operntradition (im Gegensatz zur Inszenierung) das ENO-Orchester unter der souveränen Stabführung von Ainars Rubikis.
Charles E. Ritterband, 23. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Gräfin: Nardus Williams
Graf: Cody Quattlebaum
Figaro: David Ireland
Susanna: Mary Bevan
Cherubino: Hanna Hipp
Dr Bartolo: Neal Davies
Marcellina: Rebecca Evans
Antonio, Gärtner: Trevor Eliot Bowes