Yerevan Youth Symphony Orchestra © Khachik-Mkrtchyan 2024
Berlin ist zum 26. Mal Austragungsort des Young Euro Classic Festivals! Einst vom „Deutschen Freundeskreis europäischer Jugendorchester e.V.“ ins Leben gerufen, ist die Veranstaltung seit Jahr und Tag ein sommerlicher Höhepunkt im Kulturkalender der Stadt. Joana Mallwitz und das Konzerthausorchester sind im Urlaub und somit ist das schmucke Haus am Gendarmenmarkt wieder frei für junge Orchester und frische Klassik.
YOUNG EURO CLASSIC 2025
Konzerthaus Berlin, 1. bis 17. August 2025
Yerevan Youth Symphony Orchestra
Sergey Smbatyan, Dirigent
Sergei Nakariakov, Trompete
Mit Musik von Edvard Grieg, Antonín Dvořák
und dem armenischen Komponisten Alexander Arutjunjan
Konzerthaus Berlin, Großer Saal, 2. August 2025
von Ralf Krüger
„Ich kenne mich mit der Musik nicht aus, aber ich bin beeindruckt.“ Nach zwei Zugaben und einem grandiosen Schlussbeifall kleidet die Dame im Foyer des Konzerthauses ihre Eindrücke in Worte. Sie zeigen, dass an diesem Abend nicht nur Klassik-Fans auf ihre Kosten kamen, sondern auch Menschen, die einen angenehmen Abend mit guter Musik genießen wollten. Einfach so – und das zu günstigen Ticketpreisen.
Das erst vor zwei Jahren gegründete Jugend Symphonie Orchester aus Jerewan wird bei seinem Berlin-Debüt mit herzlichem Beifall begrüßt und der Betrachter merkt sofort, dass diese Formation keine Frauenquote benötigt, zu zählen wären eher die männlichen Musiker.
Die Festivalleitung heißt auch Seine Exzellenz, den armenischen Botschafter in Deutschland willkommen und das Konzert für Trompete und Orchester aus ihrer aller Heimat ist ein Werk, dass sofort auch westeuropäische Hörer für sich einnimmt. Die Trompetensoli geben der kräftig instrumentierten Musik einen volkstümlichen Touch und ich kann mich an dem teilweisen Zweiklang von Trompete und Harfe erfreuen.
Die Komposition von Alexander Arutjunjan ist in Armenien ein beliebtes Pflichtstück bei Bewerbungsvorspielen junger Musiker, liest man im Programmheft. Sergei Nakariakov, der in Russland geborene israelische Trompeter, verwöhnt das Publikum im Anschluss noch mit einer besonderen Interpretation des Air-Themas von Johann Sebastian Bach.
Begonnen hatte der Konzertabend mit Edvard Grieg und seiner Peer Gynt Suite. Für mich ist das langsame und leise Eindringen in die Halle des Bergkönigs und die dann zunehmend an Tempo und Intensität gewinnende Aktion, von den Tippelschritten hin zum festen Auftreten und zum Showdown, der wahre Hit des berühmten Musikstückes. Die Morgenstimmung betrachten viele Hörer inzwischen als eigenständiges Werk und so wird hier auch geklatscht. Aber ich finde, wenn klassische Musik so populär ist, so eigenständig auch durch Einsatz in Kinofilmen daherkommt, darf es ruhig zwischendurch bejubelt werden.
Freude daran haben wir trotzdem und das Jugendorchester aus Jerewan, unter Leitung von Sergey Smbatyan, hat uns bewiesen, dass es technisch und professionell an der Art ihres Spiels nichts auszusetzen gibt. Die jungen Damen und Herren, gekleidet in festlichem Schwarz, die Herren mit weißem Hemd und Fliege dazu, wissen das Publikum zu berauschen.
Nach dem total verregneten Juli und den Schauern am 1. August ist es uns am zweiten des Monats vergönnt, ohne Regenschirme zum Konzert zu flanieren. Die Wirte der Bier- und Weinrestaurants am Gendarmenmarkt können ihre Gäste endlich wieder draußen bedienen und auf der Freitreppe des Konzerthauses wird das Pausengetränk erst recht zum Genuss. Das Young Euro Classic Festival 2025 hatte hier am 1. August mit einem Konzert des Nationalen Jugendorchesters aus Rumänien begonnen. Eine Erstaufführung des rumänischen Komponisten Adrian Pop und Werke von Jean Sibelius und Sergej Rachmaninow waren zu erleben. ARTE Concert hat den Livestream übertragen und es gibt weitere Konzerte des Festivals, die später in der ARTE-Mediathek zu entdecken sind.
Go West! Spätestens beim 3. Satz der Symphonie Nr. 9 „Aus der neuen Welt“ fühle ich mich gedanklich in einen dieser zahlreichen Western hineinversetzt. In Filme, die nicht unbedingt Kunstwerke waren, aber vor großen Stars und satten Soundtracks förmlich trieften. Wer Cooper und Karl May gelesen hatte, musste auch mit John Wayne in den Sattel. Aber liege ich so falsch, wenn ich frage: Was hätten die Filmkomponisten, von Dimitri Tiomkin bis Ennio Morricone, wohl aufs Notenpapier gekritzelt, hätte es diese Vorlage nicht gegeben? Ist nicht Antonín Dvořáks Symphonie Nr. 9 ein einziger großer Western-Soundtrack? Doch der Meister selbst widersprach solch subjektiver Meinungsäußerung. Michael Horst erinnert im Programmheft daran, „dass der Beiname seiner Symphonie Aus der neuen Welt eher als ‚Grüße und Eindrücke aus der neuen Welt‘ zu deuten sei: ‚Es ist und bleibt immer tschechische Musik.‘“
Jeder Zuhörer im Konzerthaus hatte eine Dreiviertelstunde Zeit sich darüber seine eigenen Gedanken zu machen. Was bleibt, ist eine wirklich monumentale Aufführung dieses Werkes, ohne Wenn und Aber. Das Yerevan Youth Symphony Orchestra hat sich damit die Einladung für das Festival im nächsten Jahr selbst ausgestellt. Hoffen wir, dass sie kommen können!
Der Veranstalter, der „Deutschen Freundeskreis europäischer Jugendorchester e.V.“, verteilt als nette Geste keine großen Blumensträuße, sondern einzelne Sonnenblumen an Solisten und Dirigenten. Sergey Smbatyan reicht seine an die Konzertmeisterin weiter. Die Sonnenblume – steht sie nicht auch für den Zusammenhalt in Europa, in der Welt und für den Frieden, oder bilde ich mir das nur ein?
Mit dem Säbeltanz von Aram Chatschaturjan entlassen sie uns in die laue Berliner Sommernacht. Das Säbelrasseln auf der Erde hatten wir für einige Zeit vergessen.
Ralf Krüger, 4. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Anmerkung: Die armenische Hauptstadt erfährt im deutschen Sprachgebrauch unterschiedliche Schreibweisen. Jerewan ist die gängige, die auch das Programmheft des Konzertabends nutzt. Das Auswärtige Amt in Berlin bevorzugt auf seiner Website dagegen die Schreibweise Eriwan.
Julia Fischer, Violine, European Union Youth Orchestra Wolkenturm Grafenegg, 29. Juli 2023