Ein Gespräch mit Agnieszka und Tomasz Kuk – nicht nur über Coronavirus
Agnieszka und Tomasz Kuk sind Ehepaar und Opernsänger mit über zwanzigjähriger Erfahrung. Beide absolvierten das Gesangsstudium an der Musikhochschule in Krakau, Agnieszka als dramatische Sopranistin und Tomasz als Heldentenor. Anfangs verliefen ihre beruflichen Wege getrennt – seit vier Jahren treten sie gemeinsam auf Bühnen auf. Bisher sangen sie die Partien der berühmten Liebespaare in Opern wie „Tannhäuser“, „Tosca“, „Halka“, „Turandot“, „Die Lustige Witwe“ und „Madame Butterfly“.
Interview: Jolanta Lada-Zielke
Fotos: Ryszard Kornecki / Marcin Wojciechowski / Andrzej Kalinowski / privat (c). Aufmacherbild: Halka 2016, Lodz.
klassik-begeistert.de: Wie waren eure Karrierewege?
A.K: In den frühen neunziger Jahren haben wir gerade eine Familie gegründet und hatten einen kleinen Sohn. Also beschlossen wir, dass zunächst nur Tomasz seine Karriere weiterentwickelt. Direkt nach der Wende hatten künstlerische Agenturen in Polen keine große Erfahrung, und auf dem westlichen Markt gab es eine Nachfrage nach Heldentenören. Deswegen fing ich an, Tomasz im Westen zu promoten. Ich führte seine Korrespondenz, betreute die Verträge und buchte Hotels. Wir unterzeichneten viele günstige Verträge mit deutschen und österreichischen Vertretern. Manchmal überschnitten sich Verträge vorübergehend. Es gab Momente, als Tomasz von fünf verschiedenen konkurrierenden Agenturen vertreten wurde. Ich versuchte ihm Stress zu ersparen und die profitabelsten Angebote auszuwählen.
T.K: Nach meinem Abschluss engagierte ich mich auch an der Krakauer Oper. Mit dem Opernensemble machten wir dreiwöchige und monatliche Tourneen nach Deutschland, in die Schweiz, nach England. Es war anstrengend, weil wir mit dem Bus reisten, aber das Arbeitsklima war toll. Außerdem habe ich Verträge mit ausländischen Agenturen abgeschlossen.
Ihr habt Euch also selten gesehen?
A.K: Manchmal kamen wir zusammen, und zwar mit dem kleinen Adam, für Projekte oder für einzelne Auftritte von Tomasz. Wir fuhren alle mit dem Auto, was ein wenig gefährlich war, denn nach tausend Kilometern hinter dem Lenkrad kam die Müdigkeit.
T.K: Heute sind wir ein paar Jahre älter, die Zeiten sind anders, das Opernrepertoire hat sich auch geändert. Meine älteren Kollegen singen entweder nicht mehr oder kleine Partien. Junge Leute betreten die Bühne, aber mit Agnieszka zu arbeiten ist auch eine großartige Erfahrung.
Agnieszka, hast du auch gesungen?
A.K.: Am Anfang nur nebenberuflich, weil ich mich vor allem um unser Zuhause, um das Kind und die Karriere von Tomasz gekümmert habe. Erst als Adam unabhängig wurde, kehrte ich zum aktiven Singen zurück, zuerst als Freiberufler. Tomasz war bereits mit bestimmten Institutionen verbunden, die auch polnische Opernhäuser vertraten. Was für eine Überraschung war es für diese Häuser, als sie erfuhren, dass auch ich singe … Mein Debüt auf der Opernbühne war Elisabeth in „Tannhäuser“ an der Krakauer Oper, im Jahre 2016.
Ihr habt damals zusammen gesungen und anscheinend ward Ihr vor der Premiere genauso aufgeregt wie vor eurer Hochzeit?
A.K: Ja, besonders ich, weil ich vorher nur „Turandot“ im Teatr Wielki in Łódź und das Erste Blumenmädchen im „Parsifal“ gesungen hatte. Aber das waren Konzertaufführungen. Was Elisabeth betrifft, musste ich auf die Bühne gehen, die ich nicht kannte. Aber ich habe es geschafft…
T.K.: Und sie war großartig!
A.K.: Wie auch immer, Wagner fasziniert mich, ich bin auch mit Wesendonck-Liedern aufgetreten und es war eine überraschende Vertretung. Dann bekam ich einen Vorschlag aus Łódź, dessen Umsetzung an Wahnsinn grenzte. Innerhalb von drei Wochen musste ich nämlich die Partie von Senta aus „Der Fliegende Holländer“ lernen. Ich studierte die Partie sehr intensiv, vor der Premiere hatte ich nur eine Bühnenprobe. Dies ist mein beruflicher Weg, ich werde oft ins kalte Wasser geworfen, aber es macht mir nichts aus.
Tannhäuser 2016, Krakau.
Als dir Tomasz den Heiratsantrag machte, sollte er unter deinem Fenster singen?
A.K:Ja, ich wünschte mir Jonteks Arie „Szumią jodły na gór szczycie” (Es rauschen die Tannen auf dem Berggipfel) aus Moniuszkos „Halka”. Ich nahm den Antrag von Tomasz unter der Bedienung an, dass er sein ganzes Leben lang für mich singen werde. Ich denke, dass er diese Aufgabe bis heute gut erfüllt. Er schenkt mir gerne alle Blumen, die er nach seinen Auftritten bekommt.
T.K: Es gelingt mir nicht immer, denn wenn ich Blumen aus Warschau mitbringe, sind sie nach meiner Ankunft in Krakau etwas verwelkt … (lacht)
Hat die Erfahrung des gemeinsamen Singens Eure Ehe bereichert?
A.K: Ich bin froh, dass unsere beruflichen Wege endlich zusammengekommen sind. Wir fühlen uns, als wären wir zusammen im Urlaub, gefärbt von einem Nervenkitzel. Sie können es mit einem Spaziergang in den Bergen vergleichen; jeder hält seine eigenen Seile, beobachtet aber gleichzeitig den anderen und ist bereit ihm bei Bedarf zu helfen. Es gibt keine emotionale Barriere zwischen uns, und wir können uns mehr Offenheit leisten. Wir sind auch die ehrlichsten Kritiker füreinander, aber unsere Bemerkungen sind voller Sorgfalt für die andere Person und ihre Entwicklung.
Was habt Ihr vor einem Jahr getan, und wie sieht Euer Alltag aus?
Jetzt verbringen wir den ganzen Tag zu Hause auf dem Land. Vor einem Jahr haben wir aktiv in Opernhäusern gesungen und an einigen Osterkonzerten und Proben für neue Inszenierungen teilgenommen. Wir hatten große künstlerische Herausforderungen und spektakuläre Unternehmungen vor uns … und alles wurde abgesagt. Jetzt haben wir zumindest mehr Zeit zum Lesen. Außerdem arbeiten wir an unseren Partien, kochen gesund und essen regelmäßig. Wir leben immer noch von unseren Ersparnissen, aber die Situation ist nicht sicher. Man muss sich neu organisieren.
Die Bundesregierung Deutschlands unterstützt Künstler, indem sie sie in ein Soforthilfeprogramm für Freiberufler sowie kleine und mittlere Unternehmen einbezieht. Können Musiker in Polen auf ähnliche Hilfe zählen?
Im gewissen Sinne ja. Aber es ist eher eine Ad-hoc-Hilfe, die auf lange Sicht nicht genügen kann.
Nennt bitte drei Schlagworte, wenn Ihr das Wort „Corona“ hört.
„Coronavirus”, „Coronairre”, „Coronaisolierung’’.
Mit welchem Musikwerk „stimuliert“ ihr euer Immunsystem?
Wir hören Opernmusik, die von verschiedenen Opernhäusern in den Medien präsentiert wird, sowie Film- und ethnische Musik, bei der wir uns entspannen können.
Es gibt Zukunftsforscher, die nach überstandener Corona-Krise eine Verbesserung des Weltklimas – ökologisch wie sozial – prophezeien. Teilt Ihr diese Einschätzung? Wie ist Eure Vision?
Sicher wird die Welt nach der Pandemie nicht mehr dieselbe sein. Vielleicht kümmern wir uns tatsächlich mehr um unsere Gesundheit, um andere Menschen und setzen uns konstruktiv für den Umweltschutz ein.
Tosca 2019, Krakau.
Wenn Ihr jetzt irgendwelche Wünsche betreffend Eures ersten Auftritts nach der Pandemie äußern könntet: Wo, in welcher Produktion und mit wem würdet Ihr die Bühne teilen?
Wir würden gerne in Torre del Lago, natürlich zusammen, als Protagonisten in „Turandot” von Giacomo Puccini sowie in Bayreuth in Richard Wagners „Tannhäuser” singen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Jolanta Lada-Zielke, 22. April 2020, für
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