Nach einem Gesangsstudium an der Hochschule für Musik in Dresden setzte Klaus Arauner seine musikalische Ausbildung in Berlin fort, wo er bei Christian Pöppelreiter, Ruth Berghaus und Peter Konwitschny Regie des Musiktheaters studierte. Bereits während seines Studiums arbeitete Klaus Arauner an der Berliner Staatsoper bei Ruth Berghaus sowie am Landestheater Halle bei Peter Konwitschny als Regieassistent. Sein Regiedebüt gab er 1984 mit Paul Dessaus »Rummelplatz«. Seit nunmehr über 30 Jahren ist Klaus Arauner in seinem künstlerischen Wirken mit dem Görlitzer Theater verbunden – zunächst als Spielleiter, dann als Oberspielleiter und Operndirektor. Im März 2010 folgte er einer Berufung zum Intendanten und Geschäftsführer, seit dem Sommer des gleichen Jahres ist er der künstlerische Chef des Gerhart Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau. Unter dem Dach dieser beiden Spielstätten sind die Neue Lausitzer Philharmonie sowie die Sparten Musiktheater, Schauspiel und Tanz vereint.
Klaus Arauners Regieschaffen gilt insbesondere zeitgenössischen Werken. Seine Inszenierung von Bohuslav Martinůs »Julietta« wurde für den deutschen Theaterpreis nominiert. In der Neiße-Stadt inszenierte er u.a. Richard Strauss‘ »Salome«, Nikolai Rimski-Korsakows »Das Märchen vom Zaren Saltan« sowie Jaromír Weinbergers »Schwanda, der Dudelsackpfeifer«. In der Spielzeit 2019/20 brachte Klaus Arauner mit »DroodGame oder das Jahrhundertspiel« – ein Musiktheaterkrimi nach dem Romanfragment »Das Geheimnis des Edwin Drood« von Charles Dickens –eine Uraufführung auf die Görlitzer Bühne. Unter seiner Regie sowie unter der musikalischen Leitung der Generalmusikdirektorin Ewa Strusińska hätte Kurt Weills »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« am 4. April 2020 auf der Bühne des Görlitzer Theaters Premiere gefeiert.
Foto: goerlitz-tourist.de (de)
klassik-begeistert.de: Wie geht es Ihnen angesichts der aktuellen Lage?
Klaus Arauner: Als wir die Arbeiten am 16. März unvermittelt abbrechen mussten, befanden wir uns gerade kurz vor den Endproben zu »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« (die Premiere war für den 4. April geplant). Natürlich ist es sehr unbefriedigend, mitten aus einem künstlerischen Produktionsprozess herausgerissen zu werden und ihn nicht zu Ende führen zu können. Und ich blicke auch mit großem Wehmut auf die restliche Spielzeit mit zahlreichen geplanten Höhepunkten und guten Vorverkaufszahlen. Wenn wir aber sehen, welchen existenziellen Nöten viele andere Menschen derzeit gegenüberstehen – gesundheitlich, beruflich oder in Trauer um verstorbene Angehörige –, dann relativiert dies die Probleme unseres Theaters schon sehr. Ich denke daher, dass es wichtig ist, sich diese Relationen immer wieder vor Augen zu führen und über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Rücksicht ist in vielerlei Hinsicht ein wichtiges Gebot der Stunde.
Wie sieht Ihr derzeitiger Arbeitstag aus?
Ich versuche, möglichst viele Aufgaben von zu Hause aus per E-Mail und Telefon zu erledigen. Hier gibt es ja unterdessen sehr gute technische Möglichkeiten, die effektiv dabei helfen, direkte soziale Kontakte zu vermeiden. Neben Fragen der Betriebsführung und der weiteren künstlerischen Planung müssen auch die nun unterbrochenen Inszenierungsprojekte möglichst umfangreich dokumentiert werden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt gut fortsetzen zu können.
Was hätten Sie heute normalerweise gemacht?
Wir wären heute (7. April 2020) mitten in den Proben für das 8. Junge Konzert dieser Spielzeit gewesen, das nun leider nicht stattfinden kann.
Wie ist die Situation an Ihrem Hause nach dem Aussetzen des Vorstellungsbetriebes?
Wir haben den Betrieb stufenweise heruntergefahren. Wegen der unumgänglichen körperlichen Nähe mussten zunächst der Vorstellungsbetrieb und dann auch der Probenbetrieb der künstlerischen Sparten ausgesetzt werden. Schritt für Schritt haben wir danach auch die Arbeiten in allen weiteren Abteilungen reduziert. Begleitend dazu konnten wir als eines der ersten Theater in Deutschland eine Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit abschließen. Geschäftsführung und Betriebsrat wie auch die Gesellschafter unseres Hauses haben dabei sehr produktiv zusammengearbeitet. Diese Vereinbarung war notwendig, weil bislang für den Öffentlichen Dienst und seine nachgelagerten Bereiche Kurzarbeit schlicht nicht vorgesehen war. Wir konnten nun auf diesem Wege das Theater in einen relativ geordneten Ruhezustand versetzen. Derzeit sind lediglich einige Mitarbeiter in den Häusern in Görlitz und Zittau mit betriebsnotwendigen Arbeiten befasst.
Klaus Arauner, (c) Foto: Pawel Sosnowski
Können die finanziellen Verluste aufgefangen werden?
Mit dem Aussetzen des Spielbetriebes über einen längeren Zeitraum ist natürlich ein großes betriebswirtschaftliches Risiko verbunden, das ein kleineres Theater wie das unsere hart trifft. Die Einführung der Kurzarbeit war daher für uns ein entscheidender Schritt. Wir erhoffen uns davon finanzielle Effekte, die zumindest eine zusätzliche Belastung für die Gesellschafter des Theaters ausschließt und die Strukturen sichert; auch wenn die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für unser Haus sicherlich mindestens bis zum Ende des Jahres spürbar sein werden.
Wie sollte Ihrer Meinung nach ein geeigneter Rettungsschirm aussehen
Über die bereits von uns realisierten Maßnahmen hinaus bestehen derzeit noch Unklarheiten im Umgang mit unseren zahlreichen Gastkünstlern in den verschiedenen Bereichen. Hier ist auch die rechtliche Situation nicht abschließend geklärt. Wir wissen aber gleichzeitig, dass gerade die freischaffenden Künstler schnell vor existenziellen wirtschaftlichen Problemen stehen, da sie oft über nur sehr geringe Rücklagen verfügen. Ein öffentliches Notprogramm, das die Theater in die Lage versetzt, gegenüber seinen Vertragspartnern mit der nun dringend gebotenen Kulanz zu agieren, wäre aus meiner Sicht ein wichtiges zusätzliches Instrument.
Als Vierspartentheater kommt dem Gerhart Hauptmann-Theater im Kulturraum Oberlausitz/Niederschlesien sowie im Dreiländereck zwischen Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik eine wichtige kulturvermittelnde Rolle zu. Die derzeitige Situation ließ die Kommunikation zwischen Theater und Publikum abbrechen. Welche Möglichkeiten gibt es für Ihr Haus, den Kontakt mit dem Publikum dennoch aufrechtzuerhalten?
Natürlich nutzen auch wir die heutigen Möglichkeiten der Sozialen Medien und der Onlinekommunikation im Allgemeinen und bleiben so mit unserem Publikum im Kontakt. Es ist schön zu erleben, wie sich die Kollegen der einzelnen Sparten dieser Aufgabe mit viel Kreativität und Lust annehmen. Das eigentliche Live-Erlebnis einer Vorstellung kann so nicht ersetzt werden, aber es wird im schönsten Sinne die Vorfreude auf den nächsten ganz realen Theaterbesuch geweckt.
Vor welchen Herausforderungen steht Ihr Haus bei einer Wiederaufnahme des Spielbetriebes?
Die größte Herausforderung liegt sicherlich in der Frage, wann diese Wiederaufnahme erfolgt. Wir benötigen dazu ja einen bestimmten Vorlauf, der erst beginnen kann, wenn ein konkreter Termin feststeht. Diese Festlegung aber ist in der aktuellen Situation nur schwer möglich. Natürlich gibt es in der Gesellschaft die dringende Hoffnung, möglichst schnell in den gewohnten Alltag zurückkehren zu können. Erste politische Signale zu bestimmten Bereichen sind in den letzten Tagen ja auch bereits zu vernehmen. Ich gehe aber fest davon aus, dass der Veranstaltungsbetrieb erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder möglich sein wird.
Aktuell hoffen wir, dass wir die kommende Spielzeit plangemäß und pünktlich beginnen können und die dazu notwendigen Vorbereitungen noch in diesem Sommer möglich sein werden.
Gibt es ein Musikstück oder auch eine bestimmte Aufnahme, welche Sie derzeit begleitet und die Sie unseren Leserinnen und Lesern empfehlen würden?
Johannes Brahmsʼ »Die schöne Magelone« in einer der Aufnahmen von Dietrich Fischer-Dieskau und Sviatoslav Richter kann ich jedem nur ans Herz legen. Und wenn es um das Auftanken des Gute-Laune-Reservoirs in uns geht, hilft natürlich Musik aus Lateinamerika.
Zum 1. August 2021 reichen Sie den Staffelstab der Generalintendanz weiter. Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Theaters?
Ich wünsche mir, dass Kunst und Kultur nach der Überwindung der aktuellen Krise in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert behalten und dass das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau mit allen Sparten an seinen beiden Standorten dauerhaft erhalten bleibt.
In den letzten Tagen war in der öffentlichen Diskussion eine außergewöhnliche Aufmerksamkeit und Sensibilität für die Belange der Künstler und der Kunstbetriebe in diesen schwierigen Zeiten zu spüren. Das stimmt mich hoffnungsvoll. Politik und Öffentlichkeit sind sich offenbar der Schutzbedürftigkeit der Künste ebenso bewusst wie der gesellschaftlichen Potenziale, die mit ihnen verbunden sind.
Interview: Pauline Lehmann, 9. April 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at