Catherine Foster als Elektra: Ein Ereignis, wie zuletzt vor 40 Jahren erlebt

Richard Strauss, Elektra,  Staatsoper Hamburg, 13. April 2022

Catherine Foster flutete das Haus mit glänzenden Höhen ohne jede Schärfe, mit grandiosen, warmen Schwelltönen, mit dramatischer Attacke und ebenso mit inniger Lyrik, wenn sie um ihre Schwester Chrysothemis ringt oder ihren Bruder Orest erkennt.

Staatsoper Hamburg, 13. April 2022

Richard Strauss Elektra

 Nach der Elektra-Aufführung: vierter von links Peter Hoare (Aegisth), Lauri Vasar (Orest), Vida Mikneviciute (Chrysothemis), Violeta Urmana (Klytämnestra), Catherine Foster (Elektra), Hellen Kwon (fünfte Magd), Gabriele Rossmanith (vierte Magd) (Foto: RW)

von Dr. Ralf Wegner

Kent Nagano brauchte sich bei der Leitung des Philharmonischen Staatsorchesters nicht zurücknehmen; denn mit Catherine Foster und Vida Mikneviciute standen zwei Sopranistinnen auf der Bühne, die mit ihren mächtigen Stimmen auch noch jedes Orchesterforte überstrahlten. Ich muss lange zurückgehen, um eine solche stimmmächtige Elektra auf der Bühne erlebt zu haben, und das war zuletzt am 10. März 1982, als Birgit Nilsson noch mit dieser Rolle in der naturalistischen Everding-Inszenierung zu sehen und zu akustisch zu erleben war.

Catherine Foster flutete das Haus mit glänzenden Höhen ohne jede Schärfe, mit grandiosen, warmen Schwelltönen, mit dramatischer Attacke und ebenso mit inniger Lyrik, wenn sie um ihre Schwester Chrysothemis ringt oder ihren Bruder Orest erkennt. Mir kam es so vor, als ob Elektra diesmal mehr zu singen hatte, als bei anderen Vorstellungen. Das war sicher nicht der Fall, Foster sang aber die gesamte Partie voll aus, nahm sich stimmlich zwecks Schonung nie zurück. Und wie sich die Sängerin darstellerisch in die sich im Hass verzehrende Atridentochter hineinversetzte, war ebenso bemerkenswert, so dass man sich fragt, wie die kurzfristig für Iréne Theorin eingesprungene sympathische Sopranistin dieses Pensum überhaupt bewältigen konnte.

 

Die stimmgewaltigen Atridentöchter: Catherine Foster und Vida Mikneviciute (RW)

Während Jennifer Holloway als Premieren-Chrysothemis stimmlich ihre Grenzen austestete, war dieses bei Vida Mikneviciute nicht der Fall, da war immer noch Luft nach oben. Ihr leicht kantig klingender, stahlblau gefärbter Sopran passte gut zu dieser Chrysothemis, denn vom Schalldruck her bot sie ihrer Schwester durchaus Paroli. Vielleicht wird sie einmal in die Fußstapfen ihrer Bühnenpartnerin treten. Violeta Urmana überzeugte als von bösen Träumen verfolgte Klytämnestra wie bei der Premiere mit einer grandiosen schauspielerischen Leistung. Stimmlich fiel mir bei ihr heute ein stärkeres Vibrato auf, was aber ihre künstlerische Gesamtleistung nicht trübte. Dann gab es noch zahlreiche Nebenpartien, die allesamt gut besetzt waren, angefangen von Lauri Vasar als Orest oder Peter Hoare als Aegisth; vor allem überzeugte das Mägdequintett mit Katja Pieweck als Aufseherin sowie Gabriele Rossmanith als vierte sowie Hellen Kwon als fünfte Magd.

Abschied von Kammersängerin Gabriele Rossmanith (die Mägde, also auch die von Frau Rossmanith gesungene vierte Magd, waren als ältere Damen geschminkt worden) (RW)

Gabriele Rossmanith gab ihre letzte Vorstellung, sie wurde am Ende verabschiedet, allerdings nicht vom Intendanten, sondern von einer Mitarbeiterin. Der Blumenstrauß wurde dann aber vom Generalmusikdirektor Kent Nagano überreicht. Mehr als drei Jahrzehnte stand Gabriele Rossmanith auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper. Ich glaube, sie hat nie gefehlt, jedenfalls nicht, wenn ich die Oper besuchte.

In Erinnerung bleibt sie mir wegen ihrer Spielfreude vor allem als Despina (Così fan tutte), die ich mehrfach von ihr zwischen 1991 und 2009 hören durfte, oder auch als schallstarke Ortlinde in Wagners Walküre sowie einem Stück von Arnold Schönberg (Le Bal), in dem sie die Rolle der „Rosine Kampf“ übernommen hatte, um nur drei Partien zu nennen. Nach letztgenannter Rolle, am 15. Feber 2011, war die sympathische Sängerin nach einer warmherzigen Rede der damaligen Intendantin Simone Young zur Kammersängerin ernannt worden. Gabriele Rossmanith wird zwar nicht mehr in der Oper auftreten, ihre Kenntnisse aber als künstlerische Leiterin des Internationalen Opernstudios weiter geben. Wir wünschen ihr viel Glück für die Zukunft.

Dr. Ralf Wegner, 14. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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