Allen Beteiligten gelingt ein Fest der barocken Oper und eine Entdeckungsreise zu einem erstaunlich reifen Frühwerk Mozarts.
CD-Rezension:
Wolfgang Amadeus Mozart Lucio Silla
Insula Orchestra
Laurence Equilbey
Erato 0190296377341
von Peter Sommeregger
Die vom gerade einmal 16-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart, als Auftragswerk für das Mailänder Teatro Regio Ducale geschriebene Oper, Lucio Silla, folgt äußerlich naturgemäß den Konventionen des damaligen Musikgeschmackes. Mozarts Genie verstand es allerdings auch schon sehr früh, die Formensprache der barocken Oper mit lebendigen Charakteren auszufüllen.
Äußerlich folgt der Lucio Silla dem vorgegebenen Schema: der erste Akt dient der Exposition, die Akteure werden in ausladenden Rezitativen und Arien mit ihrer Gemütslage vorgestellt. Im zweiten Akt schreitet die äußere Handlung rasch voran und spitzt sich dramatisch zu. Der dritte Akt scheint auf ein tragisches Ende zuzusteuern, bringt aber schließlich die nicht unbedingt logische Wendung zum glücklichen Ausgang, ermöglicht durch großzügige Milde des Herrschers. In solcher Art konnte das Sujet mühelos als Huldigungsoper auch für aktuelle Machthaber eingesetzt werden.
Die hier vorgelegte Aufnahme ist der Mitschnitt einer Aufführung des Festivals La Seine Musicale vom Juni 2021. Dafür wurde das Werk in sensibler Weise gekürzt und gestrafft, was die dramaturgischen Abläufe verdichtet und den Fluss der Musik begünstigt.
Die insgesamt fünf Gesangssolisten sind gut aufeinander abgestimmt, die Ausgewogenheit der Stimmen ist für ein Werk dieser Art besonders wichtig, um die einzelnen Charaktere unterscheiden zu können. Unter den drei Sopranpartien befindet sich auch die Hosenrolle des Lucio Cinna. Hier hätte man vielleicht besser einen Mezzosopran besetzt, die großartig singende Chiara Skerath entschädigt dafür aber mit sicherer Technik und schönem Timbre. Olga Pudova findet für die große, standhafte Liebende der Oper warme Töne und virtuose Verzierungen. Etwas herber, aber nicht weniger rollendeckend die Celia von Ilse Eerens.
Die männlichen Gegenspieler, der Herrscher Lucio Silla und sein Rivale Cecilio sind mit sehr unterschiedlichen Stimmen besetzt, was durchaus von Vorteil ist. Alessandro Liberatore leiht dem Silla seinen schön timbrierten, mit gesundem natürlichen Vibrato ausgestatteten Tenor. Cecilio, die eigentliche Hauptrolle der Oper, ist mit dem virtuosen Franco Fagioli, unbestrittenem Star der Counter-Szene, luxuriös besetzt. Erneut fasziniert und begeistert Fagioli mit der unglaublichen Geläufigkeit seiner Gurgel, seine Arien, besonders der Auftritt mit „Il tenero momento“ geben dem Künstler Gelegenheit, die Virtuosität seiner Stimme, die über mehrere Oktaven reicht, wirkungsvoll zu demonstrieren.
Das Insula Orchestra unter seiner Dirigentin Laurence Equilbey stellt seine Spezialisierung auf barockes Repertoire erneut unter Beweis und trägt wesentlich zum Gelingen der Aufführung bei. Allen Beteiligten gelingt ein Fest der barocken Oper und eine Entdeckungsreise zu einem erstaunlich reifen Frühwerk Mozarts.
Peter Sommeregger, 30. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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