Dieser„Don Giovanni“ aus London ist ein Fest großer Stimmen

DVD-Rezension: W.A. Mozart, Don Giovanni, Royal Opera House Covent Garden,  klassik-begeistert.de

DVD-Rezension:

W.A. Mozart   Don Giovanni
Chor und Orchester des Royal Opera House Covent Garden

Hartmut Haenchen  Dirigent
Kaspar Holten  Regie

Opus Arte OABD 7295D

 von Peter Sommeregger

Die Londoner „Don Giovanni“-Inszenierung Kaspar Holtens erfreut sich schon längere Zeit großer Beliebtheit. Der aktuell bei Opus Arte erschienene Mitschnitt stammt von einer Wiederaufnahme im Jahr 2019.

Der Titelheld ist in Holtens Lesart selbst in jenen Szenen auf der Bühne präsent, in denen er nichts zu singen hat. Damit wird klar, dass der Fokus dieser Inszenierung eindeutig auf Don Giovanni liegt. Was ein wenig befremdet, ist das Agieren der drei Damen, die – entgegen dem Libretto – offenbar doch mit ihm intim werden, speziell im Fall Donna Anna irritieren Gesten, die eine andere Geschichte erzählen. Aber das ist eben künstlerische Freiheit.

Originell ist das Konzept des Bühnenbildes, eine Hausfassade mit zahlreichen Fenstern und Türen, auch Innentreppen die immer wieder sichtbar werden, und einen turbulenten Szenenwechsel ermöglichen. Zusätzliche Video-Einblendungen verfremden das Einheits-Bühnenbild, schaffen aber eine abwechslungsreiche Szenerie. Nur gegen Ende werden die Abläufe ein wenig zu abstrakt, nicht mehr so stimmig. Was stört, ist ein Eingriff in die Partitur: die letzten Takte von Giovannis Höllenfahrt werden ersetzt durch die letzte Passage des Schlusstableaus. Gerade bei dieser „Oper aller Opern“ kann man auf solche „Verbesserungen“ gerne verzichten.

Die Dominanz Giovannis in der Inszenierung wird in der Verkörperung von Erwin Schrott, dem Urtyp des „Latin Lovers“, glaubwürdig umgesetzt. Schwarz gelockt und mit offenem Hemd ist dieser Mann in jedem Augenblick hinter irgendeinem Rock her, in Zeiten von „me too“ ein bereits anachronistisches Bild. Charakterlich eigenwillig und stark sind die Frauen gezeichnet, weit entfernt von einer Opferrolle. Allen voran gibt Malyn Biström eine temperamentvolle Donna Anna mit fast idealer Gesangslinie, perfekter Phrasierung und sogar sauberen Koloraturen in ihrer zweiten Arie. Myrto Papatanasius Sopran als Donna Elvira klingt da erheblich spröder und weniger flexibel. Louise Alder ist eine recht durchtriebene Zerlina mit sicher geführtem, lyrischen Sopran, der die Stimmen der Donnas in den Ensembles perfekt ergänzt.

Der oft langweilig wirkende Don Ottavio findet in Daniel Behle einen kernigen, virilen Interpreten, der dieser Figur Statur gibt und seine beiden Arien zu einem Höhepunkt der Aufführung macht. Die drei dunklen Männerstimmen harmonieren ausgezeichnet, Petros Magoulas kann seine kurzen Auftritte als Komtur markant gestalten, der Masetto von Leon Košavić zeigt neben seinem kräftigen Bariton auch noch Spielfreude und Bühnenpräsenz.

Eine ideale Ergänzung zum Giovanni Erwin Schrotts ist der mehr als Buffofigur angelegte Roberto Tagliavini als Leporello, der sich gegen seinen Dienstherrn stimmlich durchaus behaupten kann. Angelpunkt der Aufführung bleibt aber natürlich Schrott, der diese Rolle schon häufig erfolgreich gesungen hat und perfekt die Figur des skrupellosen Womanizers ausfüllt. Das Londoner Publikum feiert alle Beteiligten verdient, auch der Dirigent Hartmut Haenchen erhält starken Applaus, ebenso wie der Chor und das Orchester des Royal Opera House. Eine durchaus hörens- und sehenswerte Produktion!

Peter Sommeregger, 4. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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