Ein schönes Königspaar: Edvin Revazov und Anna Laudere, dahinter Karen Azatyan, Patricia Friza, Artem Prokopchuk und Eliot Worrell (Foto RW)
Erst freundlich zuschauend, zögernd, dann zweifelnd und sich schließlich dem Wahn hingebend durchlebte Edvin Revazov alle Facetten der übersteigerten Eifersucht und ließ uns an seiner Wut, seinen Selbstzweifeln, seiner Liebessehnsucht und auch seiner tiefen Scham teilhaben. Darüber hinaus zeigte er etwas, was ihn neben seiner Körpergröße für Königsrollen prädestiniert: Haltung und Autorität.
The Winter’s Tale
Ballett in drei Akten mit einem Prolog
Christopher Wheeldons Ballett nach Shakespeares Wintermärchen
Staatsoper Hamburg, 10. November 2022
von Dr. Ralf Wegner
Ballett läuft wieder in Hamburg, für die aktuellen Serien von Wheeldons Winter’s Tales, Neumeiers Neukreation Dona nobis Pacem sowie seine Tschaikowsky-Version vom Nussknacker sind bis Anfang Januar bereits deutlich mehr als 20.000 Karten verkauft.
Über Wheeldons Wintermärchen-Adaptation war, soweit wir uns in der Pause umhörten, nur Gutes zu hören. Mir gefiel es diesmal auch wesentlich besser als bei der Londoner Uraufführung und der Hamburger Premierenbesetzung. Das lag vor allem an Edvin Revazov.
Wie er dem eifer- und rachsüchtigen König Leontes inneres Profil gab, war so bei den Tänzern der genannten Aufführungen nicht zu erfahren. Revazov machte den ersten Akt spannend und glitt im dritten Akt zusammen mit Anna Laudere als Hermione nicht auf dem glatten Parkett des Kitsches aus. Laudere gestaltete ihre Rolle der fast 20 Jahre versteckt gehaltenen sizilianischen Königin mit Anmut und Würde, Revazov war ihr im letzten Pas de deux ein verständiger und überaus sicherer Partner. Revazovs Hauptleistung betraf aber den ersten Akt: Erst freundlich zuschauend, zögernd, dann zweifelnd und sich schließlich dem Wahn hingebend durchlebt Revazov alle Facetten der übersteigerten Eifersucht und ließ uns an seiner Wut, seinen Selbstzweifeln, seiner Liebessehnsucht und auch seiner tiefen Scham teilhaben.
Darüber hinaus zeigte er etwas, was ihn neben seiner Körpergröße für Königsrollen prädestiniert: Haltung und Autorität. Es ist absolut glaubhaft, dass sich unter seinen Untergebenen niemand findet, der ihm Einhalt gebietet. Mit einer Ausnahme, der von Patricia Friza hervorragend getanzten Ersten Hofdame der Königin namens Paulina. Ihr gegenüber konnte sich Revazov öffnen, seine Schwächen zeigen.
Weitere Rollen waren neu besetzt: Das junge Liebespaar Florizel und Perdita mit Christopher Evans und Xue Lin. Wie schon bei Alexandr Trusch und Madoka Sugai konnte ich mich mit den ihnen vom Choreographen vorgegebenen tänzerischen Schritten nicht anfreunden. Der gesamte zweite Akt ist ausgiebig folkloristischen Tänzen gewidmet, von einer tieferen emotionale Beziehung zwischen Florizel und Perdita ist choreographisch wenig zu spüren. Schön, dass Ricardo Urbina mal mit einer größeren Rolle betraut war, er tanzte mit Hingabe die Rolle des in die Schäferin Ana Torrequebrada verliebten jungen Mannes. Der König von Böhmen war rollendeckend mit Karen Azatyan besetzt, weiterhin beeindruckte Johannes Fell von der Ballettschule des Hamburg Balletts mit seiner Leistung als Königssohn Mamillius, der während des Streites seiner Eltern plötzlich verstirbt.
Das Bühnenbild von Bob Crowley und die gesamt Szenerie ist nach wie vor beeindruckend, auch die untermalende Komposition von Joy Talbot passte gut zu dem auf der Bühne Dargebotenem. Dirigiert hatte Tom Seligman. Jubel vor allem für Edvin Revazov, Anna Laudere und Patricia Friza, aber auch für den Dirigenten und das Philharmonische Staatsorchester.
Dr. Ralf Wegner, 11. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
A Wilde Story, Ballett von Marco Goecke Staatstheater Hannover, Opernhaus, 4. November 2022
Ballett von John Neumeier, Préludes CV Hamburgische Staatsoper, 2. November 2022
Hamlet 21, Ballett von John Neumeier Staatsoper Hamburg, 16. Oktober 2022