Lloyd Riggins, Stellvertretender Ballettintendant (Foto: Kiran West)
50. Nijinsky-Gala Teil II
Hamburgische Staatsoper, 20. Juli 2025
50. Hamburger Ballett-Tage
Mit seinem jetzigen öffentlichen Auftreten vor dem Hamburger Ballettpublikum hat er wohl auch dieses für sich gewonnen. Insoweit hat der Kultursenator für die Einrichtung einer sog. Findungskommission nicht nur viel Zeit, er braucht sie nicht. Denn auch für einen anderen potentiellen Nachfolger könnten die Schuhe von Lloyd Riggins mittlerweile zu groß sein.
von Dr. Ralf Wegner
Lloyd Riggins wurde im Laufe des Abends immer gelöster und wich auch schon manches Mal von seinem vorgefertigten Text ab. Er erinnerte sich an seine eigene Zeit als Tänzer, der vor knapp 30 Jahren unter Mats Ek den König in dessen genialer, vom Publikum in der Breite aber nicht heiß geliebten Version dieses Märchens tanzen durfte.
Bei der Gala ließ Riggins deshalb auch einen Pas de deux von Mats Ek zeigen (A Sort of…): Es tanzten Clotilde Tran vom Staatsballett Berlin sowie Johnny McMillan von der S-E-D Company (Sharon Eyal Dance). Anschließend folgte ein Ausschnitt aus Neumeiers Glasmenagerie. Alina Cojocaru trat noch einmal mit großer Hingabe in ihrer Paraderolle als Laura Rose Wingfield mit partnerschaftlicher Unterstützung durch Christopher Evans als Jim O’Connor auf. Zum Glück ist dieses choreographische und tänzerische Meisterwerk als Ballettfilm erhältlich geblieben.

Eigentlich ein sogenannter Rausschmeißer, wurde Justin Pecks Turnschuhtanz The Times are Racing an den Anfang des dritten Teils gestellt. Die hämmernde, weitgehend monotone Komposition von Dan Deacon und Pecks dazugehörige tänzerische Einfälle überzeugen nach jetzt mehrfachem Sehen immer weniger, zumindest im Vergleich mit der hohen Tanzkunst, die davor und danach geboten wurde. Allerdings zeigten der dreh- und sprungmächtige Louis Musin, die ausdrucksstarke Ida Stempelmann und auch Futaba Ishizaki, dass um die Zukunft des Hamburger Ensembles nicht zu fürchten ist.

Ob allerdings der nachfolgende Valse Triste von Alexei Ratmansky wirklich Lust auf sein für das nächste Jahr vorgesehenes Ballett Wunderland nach Lewis Carroll macht, sei dahingestellt. An den bereits genannten Mira Nadon und Davide Riccardo lag dieser mangelnde Eindruck jedenfalls nicht. Dafür zeigten Alexandr Trusch als verliebter Schäfer Aminta und Madoka Sugai (Sylvia) mit den nur bei ihr so zu sehenden Sprüngen als Jagdamazone Sylvia was zukünftig ein anderes Publikum erfreuen wird: Ballettkunst auf technisch und dramatisch-darstellerisch höchstem Niveau.

Angelin Preljocaj steuerte einen Pas de deux aus Le Parc zum Programm bei: Ksenia Shevtsova und Julian MacKay vom Bayerischen Staatsballett hatten es trotz präziser Tanzkunst da schon schwer, nach dem ergreifen Liebes-Pas de deux aus Neumeiers Sylvia noch zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Am ehesten blieb wohl der gefühlt minutenlange Kuss in Erinnerung, bei dem sich die Tänzerin, nur mit den Armen an seinem Hals hängend und vom Partner unberührt bleibend, mehrfach im Kreis schleudern ließ.

Der Abschluss der Gala war wieder Gustav Mahler gewidmet. Zum bekannten Adagietto aus der 5. Sinfonie (vierter Satz) spielte das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Simon Hewett, den Lloyd Riggins später noch als Superman lobte, hinschmachtend schön und Anna Laudere sowie Alessandro Frola lieferten dafür tief empfundene, elegische Tanzkunst.

Am Ende hatte das großartige Hamburger Ensemble das Sagen (5. Satz). Und sie tanzten so ausgezeichnet, so persönlichkeits- und ausdrucksstark und auch technisch so brillant, das wir das Ausscheiden von Jacopo Bellussi, Christopher Evans, Alessandro Frola, Madoka Sugai und wohl auch von dem mutigen, wortführenden Alexandr Trusch nicht als Verlust sehen sollten, sondern als Gewinn für Zuschauerinnen und Zuschauern an anderen Orten, die dort die Früchte der Hamburger Balletttradition weiter in ihr Herz schließen werden.

Und Lloyd Riggins hat sich mit der künstlerischen Organisation nicht nur dieser Ballett-Gala, sondern wohl auch mit der gesamten Programmgestaltung der Ballettwochen als würdiger Nachfolger von John Neumeier empfohlen.
Anders als zu Neumeiers Zeiten hat er die ausscheidenden Tänzer sowie Madoka Sugai nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Beiheft mit lobenden Worten, den Stil und das jeweilige Können trefflich in den Vordergrund rückend, beschrieben. Mit seinem jetzigen öffentlichen Auftreten vor dem Hamburger Ballettpublikum hat er wohl auch dieses für sich eingenommen. Insoweit hat der Kultursenator für die Einrichtung einer sogenannten Findungskommission unendlich viel Zeit, denn er braucht sie nicht.
Unverkennbar dürften die Schuhe von Lloyd Riggins für einen anderen potentiellen Nachfolger mittlerweile deutlich zu groß sein.
Ralf Wegner, 22. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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