„Frohlocken leichtgemacht!?“

Harfenistin Silke Aichhorn  Bad Breisig, Christuskirche, 28. März 2025

Plakatfoto Lebenslänglich Frohlocken von Markus Aichhorn

Die Harfenistin Silke Aichhorn erzählt. Nicht nur von ihrer Harfe. Und es ist irre komisch.

Bad Breisig, Christuskirche, 28. März 2025

von Brian Cooper

Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass eine Konzertharfe so gerade eben in einen Peugeot 106 passt, mitsamt Fahrer und – arg zusammengefalteter – Harfenistin.

Meine damalige Freundin Sarah spielte nämlich eine Mucke in Wuppertal, Carmen war’s, da hatte sie noch nicht ihren knallgelben ausgedienten Post-Bulli, und also fuhr ich sie mitsamt ihrem wunderschönen Ungetüm in Muttchens Kleinstwagen kackdreist bis auf den Vorplatz der akustisch so herrlichen Stadthalle. „Lassen Sie mich durch, ich bin Musiker!“, hätte es heißen können. Komischerweise beklagte sich niemand, und nach dem Ausladen und Schleppen fuhr ich natürlich brav das Auto weg. Es waren die Neunziger, da gab’s gefühlt noch nicht so viele Bösewichte wie heute.

Derlei Geschichten gibt’s zuhauf, und gerade die spektakulär große, schöne, 40 Kilo schwere Harfe birgt in ihrem klangprächtigen Resonanzkörper – erstaunlich laut übrigens – unzählige davon, mitunter witzige.

© Martin Beckenkamp

Und die kann Silke Aichhorn, Harfenistin mit der „Lizenz zum Zupfen“, ganz wunderbar erzählen, wie an diesem sonnigen Spätnachmittag in der Christuskirche zu Bad Breisig geschehen. Sie spielt nicht nur fabelhaft Harfe, sondern reichert ihr Programm mit etlichen skurrilen bis haarsträubenden Anekdoten aus ihrem Berufsalltag an, der ja notgedrungen mit viel Fahrerei verbunden ist, Stichwort Bulli. Diesen Schatz an Selbsterlebtem hat sie in inzwischen zwei Büchern festgehalten, aus denen sie vorliest; ein, zwei davon trägt sie auch frei vor. Das geht von ungebetenem Gelaber eines Veranstalters über seinen letzten Safariurlaub bis an die Grenze zum Sexismus: „Sie sehen aus wie ein Schwan: oben grazil, und unten paddeln Sie.“

Frau Aichhorn hat bei derselben Lehrerin in Köln studiert wie Sarah, wenn auch nicht in derselben Klasse. Die Harfenwelt ist klein, und auch sie hat ihre ganz eigenen sprachlichen Schönheiten: Von Sarah lernte ich weiland den Ausdruck „sich vertreten“. Das hat mit den sieben hochkomplexen Pedalen der Konzertharfe zu tun, die erst um 1810 erfunden wurden; also nix Diktatorisches, von wegen „Er hat sich (selbst) vertreten, es gab niemand Besseren“.

Das Instrument, und wie es funktioniert, erklärt Silke Aichhorn ebenso charmant wie ausführlich; wer will, darf sich sogar in der Pause – mit frisch gewaschenen Händen – an die schöne Harfe setzen. Eine Lyon & Healy Style 23, das meistgespielte Modell weltweit, wie mir Frau Aichhorn erzählte.

So ein Instrument wird freilich auch von Profis arg strapaziert, im Gegensatz zur Violine altert es schlecht. Die Harfenistin macht ein Angebot: Wer wolle, dürfe ihr Vorgängermodell gern als Deko fürs eigene Heim kaufen. Da könne man dann auch gern einen Blumentopf draufstellen. Oder so ein „Stehrümchen“: Was macht man nur mit dem „Triumphgemüse“, wenn es nicht der übliche Blumenstrauß, sondern ein mickriges Plastikgesteck ist? Entsorgt man es heimlich an einer Autobahnraststätte, sich somit „doppelt erleichternd“? Oder bringt man es doch lieber zur Fußpflegerin, wo man bei jedem Termin etwas davon hat? Die Antwort ist Letzteres.

Ein solches Format wie hier, anderswo ein wenig altbacken als „Gesprächskonzert“ vermarktet, ist zu begrüßen. Das Reizvolle an einem kabarettistisch-musikalischen Abend ist nämlich eben genau das: die Kombination aus Comedy und Musik. Für Menschen, die beides mögen, ist das der Jackpot; ich erinnerte mich spontan an einen schönen Abend in Bonn vor etlichen Jahren, als Robert Kreis sich selbst am Klavier begleitete. Damals wie heute war ich in Begleitung von Leuten, die beides mögen.

Und auch Bad Breisig, rheinaufwärts gelegen, hat offenbar eine komikaffine Bevölkerung, ist mitnichten „Bad Bräsig“. Es wurde viel gelacht. Das wiederum ist das Verdienst von Frau Aichhorn, die mal eben zwischen Konzerten als Solistin den Nachmittag bestritt. Sie sei froh, keine Orchestermusikerin zu sein, erzählte sie, denn langes Warten auf der Bühne, gefolgt von irre schweren Passagen wie in Offenbachs Barcarolle (was eine lustige Geschichte zu einem ungeprobten Einspringer in Bremerhaven mit sich zog, Stichwort „zwei rechte Schuhe, schwarz und silber“), sei nicht ihr Ding. Manchmal heiße es sogar: „Jetzt die Harfe wecken“…

Herrlich auch die Anekdote, wie sie bei Aufnahmen für irgendein ZDF-Weihnachts-Winter-Wunderland mit Jonas Kaufmann Playback spielen musste und das Ganze natürlich nicht mit dem „Volksmusikanten“-Kollegen an der Harfe synchron war. Das war in Oberndorf an der Salzach, in der winzigen Kapelle, wo Mohr und Gruber „Stille Nacht“ erfanden. Das Ganze garniert von einem schreienden Souffleur, als der Teleprompter ausfiel (als hätte Kaufmann nicht den Text von „Stille Nacht“ parat): zum Schreien.

Der erste Satz aus Händels B-Dur-Harfenkonzert, original für Harfe geschrieben, war ein schöner Einstieg und weckte Erinnerungen; Smetanas Moldau im Arrangement von Hanuš Trneček brachte vor der Pause das ganze Klangvolumen des Instruments zum Klingen; in Faurés Impromptu beeindruckten wunderschöne Glissandi; John Thomas’ Watching the Wheat, Francisco Tárregas Recuerdos de la Alhambra, der Schwanensee und einige moderne Stücke zu Beginn wie am Ende sorgten dafür, dass das Publikum stehend applaudierte. Dem kafkaesken Käfer, der während der letzten Zugabe an einer Saite hochkrabbelte, gefiel’s auch.

Gerne mehr davon. Und 12 Euro Eintritt für ein solches Erlebnis, das nur nebenbei bemerkt, halten zumindest Großstädter für bescheiden angesetzt.

Dr. Brian Cooper, 30. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Vasily Petrenko, Dirigent Anaëlle Tourret, Harfe NDR Elbphilharmonie Orchester Elbphilharmonie, 10. März 2024

Rolando Villazón Tenor, Xavier de Maistre Harfe Bremer Konzerthaus Die Glocke, 19. März 2025

Interview Xavier de Maistre, Harfenist klassik-begeistert.de

 

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