Schweitzers Klassikwelt 134: Wie geht es weiter mit unseren jungen Ensemblemitgliedern?

Schweitzers Klassikwelt 134: Unsere jungen Ensemblemitglieder  klassik-begeistert.de, 1. April 2025

Wiener Staatsoper © Michael Pöhn

Der „Thema“- Moderator Christoph Feurstein des ORF hat einmal gesagt, dass sie die Menschen der gebrachten Porträts, ohne dass davon in den Sendungen mehr geredet wird, weiter begleiten. Das wollen wir uns heute zum Vorbild nehmen und nachsehen, wie es einigen unserer Künstlerinnen und Künstler aus den Klassikwelten „Vom Mitglied des Opernstudios zum Ensemblemitglied“ geht.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Beginnen wir mit der Mezzosopranistin Isabel Signoret, die sich an der Wiener Staatsoper sehr wohl fühlt und hier ihr künstlerisches Zuhause sehen möchte.

Als neue Rollen sind die Minerva in Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ und die wissbegierige und verunsicherte Ziege Muriel in Alexander Raskatovs „Animal Farm“ hinzugekommen. Der russische Komponist (*1953) liebt stimmliche exzentrische Ausschweifungen. Wir konnten uns selbst überzeugen, dass diese Partie ihren Mezzo dankenswerterweise ruhig strömen lässt.
Sie singt weiterhin als Mezzosopran die Zerlina, die in letzter Zeit nicht mehr mit den früher üblichen leichten Sopranen, sondern in der Tradition der romanisch-französischen Soubretten besetzt wird, die eine dunkle lyrische Tiefe und Mittellage, aber eine silbrig strahlende Höhe besitzen.

Isabel Signoret © Rosario Fernandez

In ihrem Repertoire befindet sich auch weiterhin die Mercédès. Diese sang sie im September 2022 mehrere Male gemeinsam mit ihrem künstlerischen wie auch menschlichen Vorbild Elīna Garanča als Carmen auf der Bühne. Da ist der Respekt groß und es bedarf einer längeren Reifung, selbst in der Titelrolle aufzutreten. Zufällig entdeckten wir neuestens, dass sie an der Opéra Bastille im neuen Pariser „Ring“ im Januar dieses Jahrs die Rheintochter Wellgunde sang.

 

Stephanie Maitland © Peter Mayr

In unsrer KLASSIKWELT „Vom Mitglied des Opernstudios zum Ensemblemitglied“ schrieben wir, dass wir Stephanie Maitlands pastosen Alt erst nach ihren zwei Opernstudiojahren in der Wiener Volksoper als Amme in Tschaikowskis „Jolanthe“ kennenlernten und bewunderten.

Überrascht stellten wir fest, dass sie im Spielplanarchiv 2023/2024 der Wiener Staatsoper in acht Vorstellungen mit kleinen Richard Strauss-Partien wieder aufschien. Jetzt ist sie ganz wieder da! In der achten und derzeit letzten Aufführung der neuen Inszenierung der „Dialogues des Carmélites“ am 4. Februar 2024 sang sie als Nachfolgerin von Monika Bohinec und Szilvia Vörös die Mère Jeanne.

Nach den fünf Vorstellungen der Erstinszenierung von Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ im Frühjahr 2024 mit der bekannten Kate Lindsey als Penelope wurde Maitland für die fünf Aufführungen im Herbst mit dieser Rolle betraut. Operabase verspricht für dieses Jahr Stephanie Maitland in „Arabella“ als Kartenlegerin, in der Literatur auch als Kartenaufschlägerin bezeichnet. Das ist deswegen erstaunlich, weil in den Opernführern meist Sopran als Stimmlage angegeben ist, aber mehrheitlich Altistinnen im Spielplanarchiv aufscheinen. In der neuen Inszenierung von Mozarts „Die Zauberflöte“ übernahm Maitland die Dritte Dame.

 

Johanna Wallroth © Equilibrium Young Artists

Von der Barbarina an der Wiener Staatsoper zur Susanna an der Kunigliga Operan in Stockholm. Und an der Accademia di Santa Cecilia, einer der ältesten Musikinstitutionen der Welt, nimmt Johanna Wallroth bei den „Szenen aus Goethes Faust“ von Robert Schumann teil. Sie singt mehrere Partien, die Marthe Schwerdtlein im „Faust Ersten Teil“ und im „Faust Zweiten Teil“ die Sorge, die Magna Peccatrix, den Jüngeren Engel und die Büßerin.

Michael Arivony © Baldy Pictures

Der vielversprechende Bariton Michael Arivony ist vom Schmuggler Dancaϊre noch nicht zum Torero Escamillo avanciert. In der Kinderoper „Das verfluchte Geisterschiff“ nach dem „Fliegenden Holländer“ hat er in drei Vorstellungen weiterhin den verfluchten Seemann gesungen und einmal wieder im „Der Barbier für Kinder“ den Doktor Bartolo.

Es ist im wahrsten Sinn des Wortes im Haus am Ring still um Arivony geworden. Gefunden haben wir ihn im Haus am Gürtel, der Wiener Volksoper: als Figaro und Dr. Falke. Beim arabischen Arzt Ibn Hakia in „Jolanthe“ muss man sich vor einer Unterbesetzung hüten. Wir haben Arivony in dieser Partie nicht gehört, können uns aber sehr gut vorstellen, dass er der Bedeutung dieser oft unterschätzten Rolle entspricht. Wenn wir das Heft der Spielzeit der Wiener Staatsoper 2024/2025 durchblättern, finden wir eine Reihe von Rollen, in denen uns Arivony interessiert hätte, ohne dass sie vielleicht zu früh in seiner Entwicklung gekommen wären: Don Fernando (Fidelio), Schaunard (La Bohème), Sharpless (Madama Butterfly), Peter Besenbinder (Hänsel und Gretel), vielleicht auch schon Guglielmo (Così fan tutte) oder Giorgio Germont (La Traviata).

Erik van Heyningen © Stephanie Aumüller

„If you are looking for an artistic home, Frankfurt is the place to be.“ Das ist der Slogan des US-Amerikaners Erik van Heyningen und deshalb wechselte er nach den zwei Jahren im Opernstudio der Wiener Staatsoper zur Oper Frankfurt. Hat sich der Wechsel gelohnt?

Der „Spielraum“ der kleinen, mittleren und größeren Partien ist groß. In der Lulu-Produktion tritt er in drei Rollen auf. In der Sprechrolle des Medizinalrats, in der Basspartie des Bankiers und in der stummen Rolle des Professors. In Verdis „Macbeth“ hört man ihn als Arzt im besorgten Gespräch mit der Kammerfrau der Lady Macbeth. In den ersten zwei Spielzeiten stand Heyningen auch als Graf von Monterone (Rigoletto), Cesare Angelotti (Tosca), Sprecher (Die Zauberflöte) und Biterolf (Tannhäuser) auf der Bühne. Größere Rollen waren Plumkett (Martha) und der Förster in Janáčeks „Das schlaue Füchslein“.

Seine interessantesten drei Rollen waren unseres Erachtens in Aribert Reimanns Trilogie „L’invisible“, die nach drei Theaterstücken des Symbolisten Maurice Maeterlinck musikalisch und textlich von Reimann verfasst sind. Die Trilogie ist eine poetische Reflexion über die Macht des Todes. In „L’intruse“ (Der Eindringling) ringt eine Mutter im Kindbett ums Überleben. Während die Angehörigen den Ernst der Lage verkennen, spürt nur der blinde Großvater (van Heyningen) die Ankunft eines unsichtbaren Fremden. „Intérieur“ (Innenraum): Ein Alter und ein Fremder stehen vor einem Haus und sehen eine Familie friedlich und glücklich den Abend verbringen. Sie müssten den Selbstmord einer weiteren Tochter mitteilen.

Sie sind unschlüssig, ob sie dieses Familienglück abrupt zerstören sollen. Schließlich geht der Alte (van Heyningen) ins Haus und teilt die Nachricht der Familie mit. In „La mort de Tintagiles“ lockt eine alte Königin ihren Enkel in ihr Reich, um ihn ermorden zu lassen. Der Prinz wird von seinen Schwestern und einem alten Mann namens Aglovale (van Heyningen) beschützt. Doch schließlich verschwindet er im geheimnisvollen Schloss. Die Ängste und Vorahnungen der Figuren werden in expressiven Gesangslinien und in irisierenden Orchesterzwischenspielen erfahrbar.

Verbindung hat der Bassbariton auch zu den Festspielen in Erl.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 1. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.

Lothar und Sylvia Schweitzer

Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk  im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“

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