Foto: Alena Baeva violine (c) Marco Borggreve
Baeva, Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie präsentieren hochvirtuose Bartók- und Schubert-Interpretationen
8. Premieren-Abonnementkonzert „Eine Hommage an die Liebe“
Franz Schubert
Sinfonie Nr.5 B-Dur D 485
Sinfonie Nr. 6 C-Dur D 589 „Kleine C-Dur“
Béla Bartók
Violinkonzert Nr. 1 Sz.36
Rhapsody Nr. 1 BB 94b
Alena Baeva Violine
Paavo Järvi Dirigent
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Bremer Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 8. Dezember 2025
von Dr. Gerd Klingeberg
Mit pianissimo-dezenten, intimen Tönen eröffnet Solistin Alena Baeva das Violinkonzert Nr.1 von Béla Bartók. Sie steigt ein in einen nachdenklich anmutenden Dialog mit den Ersten Geigen. Die stimmungsvollen, fast schon mystischen Klänge kumulieren, zunächst noch sehr vorsichtig, allmählich mit dem Einsatz weiterer Instrumente. Harfenarpeggien unterstreichen die feinen, nur gelegentlich kurz aufwallenden Harmonien.
Es ist eine Hommage an die Liebe – so auch das Motto des Konzertabends. An eine Liebe, die der Komponist dereinst für die 19-jährige Geigerin Stefi Geyer empfand. Baeva taucht mit ihrem ausdrucksvollen Spiel tief hinein in diese Welt intensiver Gefühle, macht sie mit dem subtil differenzierten Klang ihres Instruments musikalisch nacherlebbar. Aber auch das Auf und Ab, das die nach nur wenigen Monaten wieder beendetet Beziehung mit sich brachte; es kommt deutlich hörbar zum Ausdruck im vielfacettigen 2.Satz mit seinen heftigen Stimmungswechseln, komplexen Stimmführungen, rasanten Orchesterpassagen. Und einem vermeintlichen, weil ungestüm auftrumpfenden Ende, dem zunächst jedoch noch ein verträumtes Zwischenspiel folgt vor dem tatsächlichen Aus.
Den begeisterten Applaus beantwortet Baeva mit einer gemütvoll schlichten, sehr verhalten angestimmten Zugabe: Luciano Berios „Aldo“, die sie gemeinsam mit dem 1.Bratschisten des Orchesters vorträgt.
Bartók und Schubert in optimaler Transparenz dargeboten
Bei Bartóks zweisätziger Rhapsody Nr.1 präsentiert sich die Geigerin energischer, forscher, schwungvoller, aber gleichermaßen virtuos in der Ausgestaltung der stark folkloristisch geprägten Musik. Das Orchester betont in guter Abstimmung die markanten, oft stampfend oder komplex verschachtelten tänzerischen Rhythmen. Und auch wenn die einzelnen Stimmlinien zu einem wie von allzu viel hochprozentigem Pálinka getränkten Klangkonvolut ineinanderfließen, gelingt Solistin und Ensemble eine optimal transparente Ausführung dieser mitreißenden Komposition.

Diese orchestrale Durchsichtigkeit ist auch bestimmend bei den beiden Schubert-Sinfonien, die die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter der probaten Leitung ihres Chefdirigenten Paavo Järvi quasi als Bartók-Rahmung präsentiert. Denn nachdem sich das „Dream Team“ in den letzten Jahren ausführlich mit etwa den Werken von Beethoven, Brahms und Haydn befasst hat, steht aktuell ein Schubert-Projekt auf dem Plan.
Dessen vom Grundcharakter her freundlich helle Sinfonie Nr. 5 lässt Järvi mit eleganter Leichtigkeit angehen. Subtil modifizierte Tempi sorgen für feine Akzente. Der Kopfsatz mutet streckenweise an wie ein vertrautes, entspannt unterhaltsames Gespräch. Ähnlich auch der Folgesatz Andante, dessen „con moto“ man sich streckenweise doch etwas ruhiger gewünscht hätte. Wie so oft setzt Järvi auf ausgeprägte, spannungsfördernde Kontraste.
Musikalisches „Panta rhei“
Gewöhnungsbedürftig ist diesmal der unentwegte Fluss, eine Art Panta Rhei des musikalischen Geschehens, ganz besonders im abschließenden Allegro-Satz: Fermaten und Generalpausen wirken nicht selten nur wie angedeutet; unwillkürlich stellt sich das Bild einer vorbeirauschenden Landschaft ein, wie man es in einem fahrenden Zug erlebt. Eine Erklärung dafür findet sich im Programmheft: Die Musik Schuberts sei ein „unaufhörlich fließender Strom“, alles sei „gleitend“ miteinander verbunden.
Diesem Ansatz folgt Järvi auch bei Schuberts Sechster. Er setzt dabei indes auf noch markantere Kontrastierung und eine scharfe Konturierung. Als überraschend flott, dabei luftig gefedert und freundlich erweist sich seine Interpretation des 2.Satzes Andante. Im Scherzo-Satz lässt der starke Gegensatz des deutlich langsamer ausgeführten Trios aufhorchen. Die „moderato“-Anweisung im Finalsatz-Allegro fällt bei Järvi weitgehend unter den Tisch; vielmehr generiert das Orchester ein mitreißendes, fast schon presto-mäßiges Pulsieren, angefeuert von donnernden Einwürfen, jedoch ohne die geringsten Abstriche in puncto präziser Spielweise.

Die derart lebhafte Darbietung lässt erahnen, dass Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie beim derzeitigen Schubert-Projekt wohl noch einige Überraschungen in petto haben dürften.
Da verwundert es auch nicht, dass nach frenetischem Jubel des Auditoriums eine so ganz anders geartete Zugabe spendiert wird. Nämlich Schuberts „Ave Maria“ (für Streichorchester op.52 in Bearbeitung von J. Wellington Sousa), das vom großen Orchester höchst einfühlsam in einem stimmungsvollen, nahezu bis an die Grenze des noch Hörbaren zurückgenommenen Pianissimo feierlich vorgetragen wird.
Dr. Gerd Klingeberg, 9. Dezember 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Alena Baeva, Nicholas Collon und das Aurora Orchestra Bremer Konzerthaus Die Glocke, 30. August 2025