Jubel brandet auf bei heroischen und poetischen Abenteuern der Bremer Philharmoniker

3. Philharmonisches Konzert, Von Freibeutern und Freiheitskämpfern  Musiktheater, Die Glocke, Das Bremer Konzerthaus, 24. November 2025

Heldenreisen der Kraniche am Himmel über Bremen (10/2025)

3. PHILHARMONISCHES KONZERT
Von Freibeutern und Freiheitskämpfern

(Erster von zwei Abenden im Rahmen der Reihe „Philharmonische Konzerte“)

Aaron Copland (1900–1990): Fanfare for the Common Man (1942)

Erich Wolfgang Korngold (1897–1957): The Sea Hawk Suite (1940)

Aaron Copland (1900–1990): Billy the Kid (1938)

Jean Sibelius (1865–1957): Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 43 (1902)

Bremer Philharmoniker
Jonathan Stockhammer (Gastdirigent)

MUSIKTHEATER, Die Glocke, Das Bremer Konzerthaus, 24. November 2025

von Caspar Isenberg

Das Licht des nasskalten Tages hatte sich jahreszeitlich früh verabschiedet. Gegebenenfalls ließ sich hoffnungsvoll auf den Abend blicken. Der verhieß, Lebenszauber vampirisch im Konzerterleben zu schmecken.

Das sollte gelungen sein. Jubel des Publikums brandete auf zum Abschluss eines zweistündigen Konzertabends, den die musikalischen Nager im kaukasischen Nussbaumholz der Glocke verbracht haben.

Es war ein sehr schöner Abend.

Beleuchtet und durchdrungen wurde er von kalifornischer Sonne. Die Nordlichter standen unter der Leitung des aus Los Angeles gebürtigen Gastdirigenten Jonathan Stockhammer.

Stockhammer ist nicht auf die Bühne gekommen, sondern gesprungen. Dort hat er seine Musiker begrüßt, denn er war vor Ihnen am Podest. Smiley! Energie und Freude sprühten bei ihm Funken. Ein Clash of mentalities, zumindest eine andere Blutgruppe. Die Spiegelneuronen der hanseatisch ernst wirkenden Philharmoniker sind davon nicht unberührt geblieben.

Das Programm vereinte Musik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der ein heroischer Gestus gemeinsam ist.

Der Titel des Abends suggerierte, dass es noch mehr Verbindendes gibt: „Von Freibeutern und Freiheitskämpfern“.

Die Programmmusik von Copland und Korngold im ersten Teil beleuchtete die Schattierungen dieses Titel-Themas überaus vielgestaltig. Ihre Protagonisten waren:

  • Der einfache Mann in Coplands „Fanfare for the common man“.

Dieser einfache Mann hatte in der Entstehungszeit während des zweiten Weltkrieges nicht zuletzt „die Drecksarbeit im Krieg“ zu verrichten (Copland).

Gewünscht hatte sich das Cincinnati Symphony Orchestra eine patriotische Fanfare. Coplands Auftragsarbeit ist zu einem ikonischen Werk der amerikanischen Musik geworden.

Die Sektion der Blechbläser und Percussionisten erbrachte ihren ersten patriotischen Tribut zum Eingang des Abend stehend, angefeuert von einem jedem geleisteten Schlag und Ton wie es scheinen mochte entgegenfiebernden Stockhammer.

  • Der „gute Pirat“ im Auftrag britischer Krone in Korngolds Musik zum 40er-Jahre-Movie „The Sea-Hawk“.

Der kann (als „gute“ Version) nur in einer amerikanischen Filmwelt existieren. Ähnlichkeiten mit realer wertebasierter Politik wären rein zufällig und würden nur Verstehern der Schattenwelten einfallen…

Der Kampf Gut-gegen-Böse wird in der Filmmusik Korngolds meisterhaft umgesetzt und setzt Maßstäbe für die Filmmusik bis heute. Solange es den Kämpfen der anderen unterlegt ist, stellt sich echte Behaglichkeit ein.

Man muss keine konkrete Erinnerung daran haben, ob man Errol Flynn in der Rolle des Captain Geoffrey Thorpe gesehen hat. Wem das Swashbuckler-Genre nicht ganz unbekannt ist, der hört in der musikalischen Umsetzung den Freibeuter ihrer Majestät fechten, entern, um die Hand spanischer Nichten anhalten, solide englische Seemänner aus spanischen Händen befreien, Rache üben… mit anderen Worten das Gute tun. Ein wahres Vergnügen.

Nach der lebendigen Einführung vor Beginn des Konzertes von Dr. Gerd Klingeberg… hatte man die Bilder aber auch vor Augen. Auch waren die wichtigen Stationen des frühen Wunderkindes und späteren Emigranten Erich Korngolds genannt worden. Dieser hatte nicht nur 19 Filmmusiken geschrieben, sondern teilweise auch die Dramaturgie der Drehbücher seinen musikalischen Ideen anzupassen gesucht.

  • Billy the kid…

Dass sein Lebenslauf die Einstufung als Freibeuter bzw. Freiheitskämpfer erlaubt, wird von der Künstlichen Intelligenz bestritten…

Sei’s drum. Zumindest für seine eigene Freiheit wird die historische Figur hinter dem Namen schon gemordet haben.

Coplands Orchestersuite, die er aus der Musik zum gleichnamigen Ballett zusammengestellt hat, ist überaus imaginativ und mitreißend. Die Legende des Outlaws ist der Musik nur ein Faden, an dem sich das Abenteuer des Wilden Westens abspult, das es aus Sicht der Landnehmenden gewesen sein wird.

Sibelius war nochmal ein Hauptgang. Nach Meinung mancher steht er eigentlich für Musik als Sprache, die ihrer selbst genügt und nicht Vertonung von Ideen, Geschichten oder gar von Politik sein will.

In der Konzert-Einführung war Zoltán Kodály mit seiner Empfehlung zitiert worden, Konzerte ohne vorheriges Studium von musiktheoretischen Erklärungen auf sich wirken zu lassen.

Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen (u.a. in dem sehr instruktiven Programmheft), dass ein Werk wie die zweite Symphonie – wenngleich ursprünglich unbeabsichtigt –  von dritter Seite zum Gegenstand politischer Betrachtung und nationaler Vereinnahmung gemacht werden kann.

Wer das aufsteigende dreitönige Motiv, das dunkle Pizzicato der Bässe oder die triumphalen Höhepunkte der Bläser als Vertonung finnischen Freiheitskampfes oder zumindest finnischen Nationalbewusstseins verstehen will, den wird Sibelius davon nicht mehr abhalten können.

Wer Eroberungsfreuden auf hoher See und Herrschsucht in amerikanischer Steppe nach der Pause gut verarbeitet hatte, der konnte die skandinavische Farbenwelt aber auch als abstraktes poetisches Gemälde stehen lassen. Drängen, Ziehen, Streben, Rauschen und Hüpfen, Unerbittlichkeit, Nachdrücklichkeit: all das mag ein Horchen in und ein Verbinden mit sich ermöglichen und ein Spiegel der eigenen Erfahrungen und Natur sein.

Caspar Isenberg, 25. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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