Tugan Sokhiev setzt bei den Richard Strauss-Tagen in der Semperoper Dresden einen furiosen Schlusspunkt

9. Symphoniekonzert im Rahmen der »Richard Strauss-Tage in der Semperoper«  Semperoper Dresden, 16. April 2023

Foto: Tugan Sokhiev © by Matthias Creutziger 

9. Symphoniekonzert im Rahmen der »Richard Strauss-Tage in der Semperoper«

 

Semperoper Dresden, 16. April 2023

Tugan Sokhiev, Dirigent
Haochen Zhang, Klavier
Sächsische Staatskapelle Dresden

Richard Strauss, »Till Eulenspiegels lustige Streiche« op. 28

Franz Liszt, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Es-Dur

Richard Strauss, »Tod und Verklärung« op. 24

Richard Strauss, »Salomes Tanz« aus der Oper »Salome« op. 54

von Pauline Lehmann

Zu meinem Erstaunen war die Semperoper beim 9. Symphoniekonzert, welches die diesjährigen Richard Strauss-Tage beschloss, weniger gut besucht. Gerade im Parkett blieben viele Plätze leer. Nach meiner Nachfrage an den Pressereferenten Oliver Bernau bilanziert die Semperoper Dresden für die Richard Strauss-Tage insgesamt eine Auslastung von etwa 65,2 Prozent. Obgleich das sächsische Opernhaus 601 000 Euro über den Kartenverkauf einnehmen konnte, bleibt die Bilanz hinter den Erwartungen zurück. Die Semperoper Dresden führt die ernüchternde Zahl einerseits darauf zurück, dass durch das krankheitsbedingte Fehlen von Christian Thielemann teure Tickets nicht verkauft wurden. Andererseits müssten sich die Richard Strauss-Tage, die in diesem Jahr nach einer längeren Pause wieder aufgelegt wurden, erst in der internationalen Konkurrenz mit anderen, zeitgleichen Veranstaltungen wie den Osterfestspielen in Salzburg und Baden-Baden oder dem Osterfestival d’Aix-en-Provence einen neuen Namen machen. Sehr gut besucht waren allerdings die Begleitveranstaltungen.
Aber auch bei den Richard Strauss-Tagen im kommenden Jahr wird Christian Thielemann aller Voraussicht nach nur bei der Neuproduktion der märchenhaft-symbolistischen Oper »Die Frau ohne Schatten« in der Regie von David Bösch am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden stehen. Die Partie der Kaiserin ist an Camilla Nylund vergeben, für die Partie der Amme ist Evelyn Herlitzius vorgesehen.

Neben der »Elektra«, die in der Inszenierung von Barbara Frey und unter der musikalischen Leitung von Marc Albrecht wiederaufgenommen wird, spielt die Sächsische Staatskapelle Dresden unter dem Dirigenten Frank Strobel die Livemusik zum Stummfilm »Der Rosenkavalier« von Robert Wiene aus dem Jahre 1926. Dass die Semperoper »Die Zauberflöte« in die Richard Strauss-Tage integriert, mag einerseits dramaturgisch motiviert sein, andererseits bietet Mozarts Singspiel, dass im Rahmen der Richard Strauss-Tage, die vom 27. März bis zum 7. April 2024 stattfinden werden, immerhin drei Mal auf dem Spielplan steht, auch die Möglichkeit, weitere Besucherklientel anzusprechen.

(c) by Matthias Creutziger

An der Stelle von Christian Thielemann dirigiert die Sächsische Staatskapelle der aus Nordossetien stammende Tugan Sokhiev, der gemeinsam mit den Münchner Philharmonikern und der Sopranistin Christiane Karg das diesjährige Eröffnungskonzert der Dresdner Musikfestspiele im Kulturpalast gestalten wird.

Aus dem ursprünglich erdachten reinen Strauss-Programm übernimmt Tugan Sokhiev nur die Tondichtung »Tod und Verklärung« von 1889. Nach »Till Eulenspiegels lustigen Streichen« von 1895, in denen Richard Strauss mit dem mittelalterlichen Antihelden die erhabene musikalische Sprache Franz Liszts und Richard Wagners ironisch kommentiert, erklingt vor der Pause Franz Liszts Erstes Klavierkonzert in Es-Dur. An das Ende des Konzerts setzt Tugan Sokhiev Salomes »Tanz der sieben Schleier«. Richard Strauss hatte diesen nachträglich im August 1905 in die Partitur eingefügt.

Die Sächsische Staatskapelle Dresden und ihr Gastdirigent warten mit einem anspruchsvollen Programm auf – voll solistisch pianistischer Virtuosität, wunderbarer solistischer Passagen und einer fülligen und gerade im zweiten Teil sich immens steigernden furiosen Instrumentalität, sodass Tugan Sokhiev immer wieder die Mühe hat, vor allem die Bläser zu dimmen.

Mit dem keck-übermütig lachenden Till, dem fiebernden Künstler und der ekstatischen Salome schafft die Sächsische Staatskapelle Dresden einen musikalischen Strudel aus Übermut, Überschwang und Sehnsucht, während der Tod schon unausweichlich und gegenwärtig ist. Allenfalls für den zweiten Teil des Konzerts – »Tod und Verklärung« und »Salomes Tanz« – wählt Tugan Sokhiev einen Gestus, der ein Müh zu kühl wirkt.

Wunderbar vielgestaltig dirigiert er hingegen zu Beginn »Till Eulenspiegels lustige Streiche«; mit einem schimmernden, sublimen Klang eröffnen die Streicher die sagenhafte Tondichtung, bevor Horn (brillant gespielt durch Robert Langbein) und Klarinette einen kessen und unbefangenen Till vorstellen. Die Sächsische Staatskapelle lässt Tills Abenteuer, bevor das Gericht mit dröhnenden Blechbläsern sein tödliches Urteil verkündet, lebendig und mit Komik aufflimmern.

Zhang-Probe (c) by Matthias Creutziger

In Paris hatte Franz Liszt im März 1831 Niccolò Paganini und im Herbst des gleichen Jahres Frédéric Chopin gehört. In seinen beiden Klavierkonzerten verbindet er das Virtuosentum mit seiner Idee der symphonischen Dichtung. Die Uraufführung spielte Franz Liszt selbst im Weimarer Schloss unter der Leitung von Hector Berlioz.

Perfekt sind die Oktavengänge, mit denen der 32-jährige Pianist Haochen Zhang nach der pathetischen Eröffnung durch das Orchester in das Konzert einsteigt, unbeschwert wirken auch die Sechzehntelketten und die Trillerpassagen. Der Pianist begeistert vor allem in den lyrisch-kantablen Passagen, die er samtig weich interpretiert. Herrlich gerät im ersten Satz, einem »Allegro maestoso – Tempo giusto«, das zweite Thema, ein Dialog von Soloklavier, Klarinette und Solovioline. Ebenso wattig und voller Wärme erklingt auch die Zugabe, Johannes Brahms’ »Intermezzo«.

Zhang-Probe (c) Semperoper Dresden

Die Tondichtung »Tod und Verklärung« beschreibt in musikalischen Bildern, wie in einem dunklen Raum ein Künstler im Sterben liegt, im Fieber erinnert er sich an seine Kindheit und Jugend zurück. Nachdem versucht hat, sich gegen seine Krankheit aufzulehnen, stirbt er schließlich und nach Beethovens Fünfter geht auch Richard Strauss hier »per aspera ad astra«, von c-Moll in ein strahlendes C-Dur, in welchem zum Schluss die Seele des Künstlers in den Himmel aufsteigt. Tugan Sokhiev kostet gerade den Schlussakkord in all seinen Schattierungen aus; nur allzu schade ist es, dass zu zeitig geklatscht wird.

In Salomes rauschhaften Tanz im Mondlicht fehlt mir der lasziv-süßlich-sinnliche Walzerklang, der bei aller wahnhaften Ekstase doch auch etwas Feines an sich hat. Salome ist eine nach Macht gierende Femme fatale, aber sie hat auch etwas Keusches an sich.

Das Konzert senden MDR Klassik und MDR Kultur am Freitag, dem 28. April 2023, ab 20:05 Uhr.

Pauline Lehmann, 24. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Der Rosenkavalier Musik von Richard Strauss Semperoper Dresden, 10. April 2023

Richard Strauss, Ariadne auf Naxos Semperoper Dresden, 26. März 2023

Salome, Musik von Richard Strauss Nationaltheater München, Bayerische Staatsoper, 8. März 2023

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