Foto: Götterdämmerung © GTG / Carole Parodi
Oper Genf / GRAND THÉÂTRE DE GENÈVE, 15. und 17. März 2018
Richard Wagner, Siegfried und Götterdämmerung
von Jacqueline Schwarz
Der erste starke Eindruck festigt sich nach der Halbzeit: Richard Wagners „Ring“, mit dem das Genfer Opernhaus nach seiner Sanierung wiedereröffnete, kommt in der Inszenierung von Dieter Dorn so werknah und fantasievoll daher wie wenige andere Produktionen aus jüngerer Zeit. Einen großen Teil daran hat ein imposantes Ensemble an schwarz kostümierten, gesichtslosen Bewegungskünstlern (Einstudierung körperlicher Ausdruck: Heinz Wanitschek) und Puppenspielern (Marionetten-Konzeption: Susanne Forster und Stefan Fichert). Einige von ihnen machen mit flatterndem Tuch den Rhein, andere galoppieren mit Pferdekopf-Attrappen und wilder Mähne als Waltrautes Ross quer über die Bühne oder mimen im Fellkostüm den Bären, den Siegfried in der Schmiede mit sich führt. Mit dem Waldvögelchen, das Puppenspieler zusammen mit weiteren Vögeln wie Schmetterlinge an langen schwarzen Stäben bewegen, wird es auf der kargen schwarzdunklen Bühne bunt und poetisch.
Und dann kommt mit einer feingliedrigen Pferdemarionette Brünnhildes Ross Grane zu Ehren. Wiewohl nur im Kleinformat wirkt es durch seine Bewegungen von Kopf und Hufen wie eine lebende Gestalt. Es ist ein besonders schöner Einfall von Dorn, es zu Brünnhildes Ankunft bei den Gibichungen szenisch einzubinden. Als einziges Relikt ihres früheren Lebens bietet es der von Siegfried in Gunthers Gestalt gefreiten Unglücklichen Trost, freudig umarmt Brünnhilde das Tier mit großer Zärtlichkeit.
Und da wären wir wieder bei der fabelhaften Petra Lang, die diese anspruchsvolle, kräftezehrende Partie sensationell meistert. Sie verfügt über das hochdramatische Potenzial, lässt ihren Sopran bis in höchste Regionen des „Ewig war ich, ewig bin ich“ mit großer Strahlkraft erblühen.
Freilich hielten der Regisseur und sein Ausstatter Jürgen Rose auch bei dem Geschehen vor der Neidhöhle mit ihrer Fantasie nicht hinter dem Berg. Ihr Fafner (sonore Tiefe: Taras Shtonda) ist ein gewaltiges, vielgliedriges Ungeheuer wie aus einem Science-Fiction-Film, mit einem ballonartigen, harmlosen Papierkopf aber auch eine unfreiwillig komische Gestalt.
Neben Petra Lang und Tomás Tómasson als Wanderer, der mit seiner mächtigen Stimme schon als Wotan für sich einnahm, glänzten in der zweiten „Ring“-Hälfte Dan Karlström als Mime, Agneta Eichenholz als Gutrune und Wiebke Lehmkuhl in der kleinen Rolle der ersten Norn mit sängerischen Leistungen.
Der Siegfried von Michael Weinius wirkte musikalisch durchwachsen. Über weite Strecken gefiel er mit der gebotenen tenoralen Durchschlagskraft, in leisen Momenten wie dem Waldweben gelangen ihm bisweilen gar Töne von bestechender Schönheit, angelegentlich mühte er sich aber auch angestrengt durch seine Partie.
Lediglich eine wichtige Figur konnte die Genfer Oper nicht adäquat besetzen: Der Amerikaner Jeremy Milner gibt einen zu harmlosen Hagen, in der Tiefe fehlt es an Volumen und Schwärze, in den höheren Registern tönt sein Bass zu eng.
Gleichwohl verließ man zutiefst bewegt das Theater, dies vor allem auch dank des Orchestre de la Suisse Romande, das unter der Leitung von Georg Fritzsch wieder so farbenreich, motiviert und emotional packend musizierte. Was für ein Musiktheatererlebnis! Das hat man wahrlich nicht alle Tage. Die Reise nach Genf jedenfalls war es wert.
Jacqueline Schwarz, 18. März 2018, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at