Foto: © Luigi Caputo
Richard Wagner, Parsifal, Staatsoper Hamburg, 19. April 2019
Ulrich Poser berichtet über die Parsifal-Aufführung vom 19. April 2019 in der Hamburgischen Staatsoper
Tanja Ariane Baumgartner als Höllenrose war der Star dieser trotz schönstem Sonnenwetter am Nachmittag gut besuchten Vorstellung in der Hamburgischen Staatsoper. Von Achim Freyer und der Maske zu einer Art ungepflegter Nina Hagen umgestaltet, die sich seit 30 Jahren die Haare nicht mehr schneiden ließ, bot sie eine in jeder Hinsicht herausragende und überwältigende Kundry dar. Ihr hochdramatischer Mezzosopran schoss die der Rolle eigenen Spitzentöne im zweiten Aufzug akkurat in den letzten Winkel des Hauses an der Dammtorstraße. Die hohe Textverständlichkeit, ihre hohe Phrasierungskunst und in erster Linie natürlich die große Stimme als solche brachten der Sängerin am Ende den verdienten Jubel ein. Katharina Wagner sollte schnell zum Hörer greifen; Frau Baumgartner gehört schnellstens wieder auf den Grünen Hügel, nachdem sie dort bereits 2017 im „Rheingold“ und in der „Walküre“ als Fricka überzeugte.
Hauptverantwortlich für diesen gelungenen „Karfreitagszauber“ war in erster Linie schließlich Kent Nagano mit seinem erstklassigen Philharmonischen Staatsorchester Hamburg. Es mutet immer wieder unglaublich an, was dieser große Künstler und Magier seit seinem Amtsantritt an diesem Hause im Jahre 2015 geleistet hat. Wagner at it’s best; vom Anfang bis zum Ende. Die Verwandlungsmusik im ersten Aufzug und der Karfreitagszauber im dritten Aufzug ließen orchestrale Magie verströmen. Vorbei ist die böse Zeit ständiger Patzer, so dass endlich auf die Fehlerfreiheit aufbauend auch gezaubert werden kann. Streicher, Holz und Blech agierten nicht, wie oft vor 2015, nebeneinander, sondern kongenial miteinander. Wer Nagano während seines Dirigats beobachtet, sieht, wie er den Sängern die Einsätze punktgenau vorgibt; sie werden ihn dafür lieben. Andere Dirigenten scheren sich nicht um die Sänger, sondern fuchteln selbstverliebt und sinnlos herum. Auch ist Nagano stets auf sängerfreundliche Dynamik bedacht, so dass fortissimo nur an den einschlägigen rein orchestralen Stellen der Partitur musiziert wird. Alles in allem ein orchestrales Gesamtkunstwerk. Kent Nagano ist ein Segen für Hamburg.Mit einer Spieldauer von 1:37 Stunden hat Maestro Nagano den 1. Aufzug übrigens sehr schnell dirigiert; von Hast aber keine Spur. Arturo Toscanini benötigte 1931 dafür immerhin 2:06 Stunden.
Vladimir Baykov als Klingsor und Egils Silins als Amfortas boten sängerisch gute und solide Hausmannskost, während Attila Jun als Gurnemanz anfangs etwas zu lispelig sang (im 3. Aufzug wurde er stellenweise noch richtig gut) und Robert Dean Smith als Parsifal seine besten Tage leider hinter sich zu haben scheint. Zwei Mal kippte ihm die Stimme weg; an den wesentlichen Stellen (z. B. „den heil’gen Speer – ich bring ihn euch zurück“) war er zu leise. Schade.
Diese Aufführung sollte man sich auf jeden Fall im April oder Mai noch in Hamburg ansehen: Nicht nur wegen der bombastischen Höllenrose und Maestro Nagano, sondern auch wegen der „irren“ Inszenierung und den völlig „abgefahrenen“ Kostümen von Achim Freyer. Beides entführt den Besucher in eine rätselhafte phantastische Traumwelt, die man nicht verstehen kann und auch nicht verstehen will. Und dazu diese Musik des Meisters: Ein Opiumrausch ohne Opium!
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