Wolfgang Amadeus Mozart – Così fan tutte
Bayerische Staatsoper, 12. April 2017
Musikalische Leitung – Ivor Bolton
Inszenierung – Dieter Dorn
Bühne und Kostüme – Jürgen Rose
Fiordiligi – Golda Schultz
Dorabella – Rachael Wilson
Guglielmo – Michael Nagy
Ferrando – Mauro Peter
Despina – Tara Erraught
Don Alfonso – Christopher Maltman
Bayerisches Staatsorchester
Chor der Bayerischen Staatsoper
Von Maria Steinhilber
Nach dem zweiten und dritten Gong findet langsam jeder seinen rosaroten samtigen Sitzplatz in der Bayerischen Staatsoper. Auffällig viele junge Menschen sind im Publikum. Viele machen ein paar letzte Selfies in diesem schönen Opernhaus, dann beginnt auch schon das Orchester, sich zu stimmen. Das Licht geht aus, und jeder freut sich auf „Così fan tutte“, Wolfgang Amadeus Mozarts Drama giocoso in zwei Akten.
Noch ist der Vorhang geschlossen und die volle Konzentration liegt auf der Ouvertüre. Die näselnde Oboe leitet einen wundervoll heiteren Abend ein; der Dirigent Ivor Bolton gibt schon zu Beginn alles: Er tanzt förmlich am Dirigentenpult. Seine Bewegungen sind ausgefallen und erinnern an eine Art von Ausdruckstanz. Mozarts Musik, die vordergründig so einfach klingt, dass jeder sofort mitsingen oder mitspielen möchte, ist jedoch schwierig umzusetzen. Doch das Bayerische Staatsorchester beherrscht Mozarts Tempi. Die Phrasierungen stimmen und das Orchester hat den nötigen Elan und Spritz, den es braucht. Auch wenn das Horn an manchen Stellen etwas schief klingt und eine Klarinette ausversehen dazwischen piepst, ist Mozarts Musik gut interpretiert.
Der Vorhang öffnet sich. Eine weiße, sehr schlichte Bühne ist zu sehen. Doch die Sänger, in wundervollen, schillernden und schrillen Kostümen von Jürgen Rose, sind der Hingucker. Der Bariton Michael Nagy stellt Guglielmo, und Ferrando verkörpert der Tenor Mauro Peter. Sie besingen ihre geliebten Frauen. Ach, sind sie doch herrlich und so treu zudem! „ Sind sie Göttinnen oder Frauen?“, erschallt die Frage. Die Stimmen der beiden Männer sind schon zu Beginn sehr offen und klingen im Duett frei und locker. Der Bariton Christopher Maltman, der diesen Abend den zynisch veranlagten Philosophentyp gibt, überzeugt mit einer kräftigen und runden Stimme, die der Rolle entsprechend die nötige Weisheit und Besserwissertum verleiht.
Nun sind die Damen zu hören, um deren Persönlichkeit es sich den ganzen Abend dreht. Sie schwelgen in Liebesbezeugungen. Eine mehr als die andere. „Ich bin glücklich“, singt die südafrikanische Sopranistin Golda Schultz, die Fiordiligi, und ich bin es wirklich auch! Bei dieser so durchaus zärtlichen und sehr klaren Stimme, die sich anhört wie flüssiger Honig, wird es einem ganz warm ums Herz. Schultz’ hohe Töne will man immer wieder hören, denn sie beherrscht die obere Lage weltmeisterlich. Ebenso die Pianissimi, die sie hervorragend singt. Nicht umsonst heißt es: Laut singen kann jeder, leise schön zu singen jedoch ist eine Kunst.
Die Mezzosopranistin Rachael Wilson verkörpert Fiordiligis Schwester Dorabella und überzeugt nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch. In ihrer Arie „Smanie implacabili“, die alle Spuren einer Verzweiflungsarie der opera seria trägt, lässt sie ihrer unstillbaren Wut freien Lauf. Durch das numinose Es- Dur fühlt man mit Dorabella mit!
Alfonso ist skeptisch was die weibliche Treue angeht und so schlägt er den beiden Freunden eine Wette vor: Hundert Zechinen sollen sie erhalten, wenn sie ihre Geliebten, den beiden Schwestern, die Treue halten können. Ein ausgetüftelter Plan wird nun in die Tat umgesetzt: Die Freunde gaukeln den Frauen vor, in den Krieg ziehen zu müssen. Als verkleidete reiche Albaner tauchen sie aber wieder auf und versuchen die Treue ihrer Geliebten auf die Probe zu stellen.
Der Abschied naht: Der als Soldatenmannschaft verkleidete Chor der Bayerischen Staatsoper lobt nun das Soldatenleben, das nun auch die beiden Freunde angeblich führen werden. Der Chor ist nicht ganz so oft zu hören, aber wenn er auf der Bühne ist, entsteht ein harmonisches Agieren mit den Sängern.
Die Irin Tara Erraught singt die Despina, die Kammerzofe, und ist wieder einmal Publikumsliebling! Die Mezzosopranistin überzeugt in mehreren Bereichen: Schauspielerisch überragt sie alle an diesem Abend, und ihre Stimme ist wie immer in Bestform. Sie hat für das Mezzofach ein sehr helles Timbre, und Mozarts Musik meistert sie prima! Diese Tara ist wirklich sehr facettenreich. So kann sie auch ganz ungeniert ihre Stimme zu einer piepsigen Mäusestimme verstellen, nur um ihrer Rolle gerecht zu werden. Ein wahrer Sonnenschein ist diese Sängerin – das Publikum ist begeistert und kann sich das Lachen nicht verkneifen.
Sobald die Despina an einer Personenkonstellation beteiligt ist, erhält das Stück automatisch mehr Würze und Pepp! Das freut sicherlich auch den Intendanten Dieter Dorn, der in einem Interview sagte, einen guten Schauspieler mache es aus, nicht klüger sein zu wollen als seine Figur. Danke Despina, Du warst wundervoll und bekommst so auch neben der herrlichen Golda Schultz den meisten Applaus.
Der erste Akt ist noch etwas jugendlich. Er steckt noch voller Freiheit. Wohingegen der zweite Akt langsam erwachsen wird. Hier tritt der Guglielmo aus seiner Komfortzone heraus, verlässt die Bühne und wandert singend durch das Publikum. Er ist frustriert. Seine Geliebte konnte die Treue nicht halten! Erwachsener klingt nun auch die Stimme, voller Ausdruckskraft und Aggression kommt sie einem so unmittelbar vorbeiziehend noch viel größer und stärker vor. Diese Einlage ist durchaus ein Highlight und erinnert an unkonventionelle Theaterinszenierungen.
Doch wie können nun die schwach gewordenen Schwestern wegen ihrer Untreue bestraft werden? „Ob alt oder jung“ singt Don Alfonso: „Così fan tutte!“ – so machen sie es doch alle, versucht er die Freunde zu trösten und schlägt eine Doppelhochzeit vor, denn im tiefsten Inneren lieben sie ihre Mädchen ja doch. Die Paare akzeptieren die Versöhnung als die immer noch beste aller denkbaren Lösungen. Und so geht wieder einmal ein wertvoller Abend an der Bayerischen Staatsoper zu Ende. Und gewiss frag ich mich : Così wirklich fan tutte?
Maria Steinhilber, 13. April 2017 für
Klassik-begeistert.de