„Der richtige Platz, wenn Du einen Überblick über den aktuellen Jazz haben willst.“

JazzAhead, Bremen, 25. bis 28. April 2019

Titelfoto:  Uli Beckerhoff © Gerhard Richter
JazzAhead, Bremen, 25. bis 28. April 2019

Interview von Barbara Hauter

Die Bremer JazzAhead, Messe und Musikfestival in einem, hat sich in den 14 Jahren ihres Bestehens als der weltweite „place to be“  für alle Jazzer entwickelt. Über 100 Konzerte, etwa 30 000 Zuhörer, rund 1000 Aussteller und 3000 Fachbesucher zeigen, dass Jazz keine Nischen-Musik mehr ist. Der Jazz-Trompeter Uli Beckerhoff ist seit der Stunde Null ihr künstlerischer Leiter. Barbara Hauter sprach für Klassik-begeistert mit ihm.

Klassik-begeistert: Warum sollten Klassik begeisterte Leser zur JazzAhead kommen?

Uli Beckerhoff: Hier wird eine Bandbreite an Stilistiken präsentiert. Das gibt es sonst auf der Welt nirgendwo. Man bekommt an drei Tagen so viel geboten, das würde ansonsten Monate dauern, wenn man sich einen solchen Überblick verschaffen wollte. Gerade für Jazz-Einsteiger ist es das Richtige. Jazz hat ja in manchen Bevölkerungsschichten ein nicht ganz so gutes Image. Das ist mir zu intellektuell, das ist mir zu kompliziert, heißt es oft. Ich habe aber schon Leute hierher eingeladen, die sonst nicht auf Jazz-Konzerte gehen und die waren hinterher ganz begeistert, weil sie eine ganz andere Vorstellung davon hatten, was Jazz eigentlich ist.

Klassik-begeistert: Was ist es denn?

Uli Beckerhoff: Jazz ist in erster Linie Live-Musik. Man muss die Musiker sehen, die Hingabe, die Emotionalität drückt sich nicht nur in den Tönen sondern in der Körpersprache aus. Das zu sehen ist ein besonderes Erlebnis. Bei Jazz ist jedes Konzert einzigartig, selbst wenn immer das gleiche Programm gespielt wird. Das liegt daran, dass bis zu 90 Prozent improvisiert wird. Die Musiker können sich daher nicht am nächsten Abend wiederholen. Das ist besonders spannend. Man weiß nie was kommt, es können absolute Highlights entstehen, die man nie wieder hören kann, aber auch komplette Zusammenbrüche. Man muss als Hörer nur offen und neugierig sein. Es können Überraschungen kommen.

Erstmals gab es bei der jazzahead! 2019 Showcase-Konzerte, um Grundschüler und KiTa-Kinder an Jazz und improvisierte Musik heranzuführen. Dafür kamen rund 650 Kinder in das Kulturzentrum Schlachthof. © Jörg Sarbach

Klassik-begeistert: Das Konzertprogramm ist umfassend und vielseitig. Große Namen fehlen aber. Warum?

Uli Beckerhoff: Wir haben, als wir anfingen vor 14 Jahren, große Namen geholt, um die JazzAhead bekannt zu machen. Nach und nach haben wir das gar nicht mehr gebraucht. Durch die Vielfalt ist unser Programm so spannend geworden, dass wir die großen Abendkonzerte zugunsten der Showcases gestrichen haben. Diese viel kürzeren Band-Präsentationen sind schon am Nachmittag gut besucht mit je 500 bis 700 Zuhörern. Das zeigt offensichtlich, dass ein ganz großes Publikum das Konzept gut finden, dass es viele ganz unterschiedliche Gruppen gibt aus der ganzen Welt mit ganz unterschiedlichen Stilistiken. Wenn man da mal eine Gruppe nicht so mag, macht das nichts, in einer halben Stunde kommt eine andere.

Klassik-begeistert: Nach welchem Konzept wurde das Programm denn zusammengestellt?

Uli Beckerhoff:  Für jede der Programmschienen – Deutschland, Europa, Partnerland Norwegen, Overseas – gab es unterschiedlich besetzte Jurys, die die Bands ausgesucht haben. In diesem Jahr hatten wir knapp 800 Bewerbungen für 40 Showcase Konzerte. Das alleroberste Kriterium ist immer die Qualität der Musik. Das nächste ist, wie wird es spannend für das Publikum. Klaviertrio ist eine klassische Besetzung im Jazz, die es oft gibt. Aber acht Klaviertrios hintereinander wären langweilig. Die Instrumentierung muss genauso unterschiedlich sein wie die Stilistik. Und dann sollten die Gruppen aus möglichst unterschiedlichen Ländern kommen.

Klassik-begeistert: Woher kommen die vielen Bewerbungen?

Uli Beckerhoff:  Es hat sich gezeigt, dass die JazzAhead ein absolutes Sprungbrett geworden ist für internationale Stars, Musiker, die vorher nur in ihren Heimatländern bekannt waren und die hier ihre große Karriere begonnen haben. Der norwegische Trompeter Mathias Eick zum Beispiel, der morgen Abend im Galakonzert spielt.  Oder der britische Pianist Gwylyn Simcock, der spielt mittlerweile in der Band eines der berühmtesten Gitarristen weltweit, nämlich bei Pat Metheny. Und die kanadische Sängerin Chloe Charles. Die ist direkt nach ihrem Auftritt hier für elf Festivals auf vier Kontinenten gebucht worden. Die haben auf der JazzAhead ihren internationalen Durchbruch gehabt. Man darf nicht vergessen, wir haben hierüber 500 Veranstalter aus der ganzen Welt, die Clubs und die großen Veranstalter wie die Elbphilharmonie, die sind immer da. Das ist der Place to be für Musiker, die mehr wollen als eine nationale Karriere. Und für alle, die professionell mit Musik zu tun haben, die Schallplattenfirmen, die Produzenten und über 200 akkreditierten Journalisten. Jazz ist schließlich auch ein Wirtschaftsfaktor.

Klassik-begeistert: Was ist das große Thema dieses Jahr?

Uli Beckerhoff:  Auch im Jazz gibt es Modetrends. Die swingenden Rhythmen sind in den Hintergrund gedrängt worden. Dafür ist die Melange mit Musik aus anderen Kulturen dieser Welt sehr im Vordergrund, das hört man im Programm der JazzAhead gut. Bei asiatischen Gruppen hört man oft deutlich woher sie kommen, italienische haben oft einen größeren Trend zu schönen Melodien und Harmonien, Canzone Italiano eben.

Klassik-begeistert: Wie ist das bei dem diesjährigen Partnerland Norwegen?

© Jörg Sarbach

Uli Beckerhoff:  Bei den Norwegern kannst du das orten, weil sie eine ganz eigene Form von Jazz-Musik entwickelt haben und das wieder mit ihrer Volksmusik gemischt haben. Norwegen, das ist ein 5-Millionen-Volk, das in einem riesigen Land wohnt und reiche Erdölvorkommen hat, das hat ohne Ende in die Kultur investiert. Und das hörst Du. Die Bands haben keinen finanziellen Druck, die müssen nicht populär spielen. Sie sind frei. Da kommen Mischungen bei heraus, die hast Du sonst nirgendwo auf der Welt, Mischungen aus Klassik, Volksmusik, elektronischer Avantgarde. Hochexperimentell, aber mit einem großen Hang zur Natur. Ein einzelner Ton hat eine unheimliche Bedeutung, er hallt in der leeren Landschaft wieder. Es  kann aber auch sehr populäre Musik sein. Beady Belle zum Beispiel. Das geht in Richtung Pop und die machen am Samstag ein Open Air Konzert mitten in der Stadt.

Klassik-begeistert: Wie soll man das Programm denn schaffen?

Uli Beckerhoff:  Jeder hat die Chance alles zu hören, denn die Showcases überschneiden sich nicht. Zudem werden alle Konzerte professionell mitgeschnitten und kommen am Tag nach dem Auftritt auf die Website.  Nur bei der Clubnacht am Samstag ist das anders. Da machen 34 Clubs mit und die Konzerte sind alle gleichzeitig.

Programm der JazzAhead unter jazzahead.de

Barbara Hauter, 25. April 2019,
für klassik-begeistert.de

 

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