Foto: Leah Biebert ©
Theater Freiburg, 2. Juni 2019
8. Kammerkonzert,
Philharmonisches Orchester Freiburg
Werke von Stanley Leonard, Cyril James Squire, Chick Corea, Alexej Gerassimez, Evelyn Glennie, Joe Duddel und John Psathas
Rudolf Mahni Trompete
Thomas-Anton Varga Schlagzeug
Daniel Carter Klavier
von Leah Biebert
Ein aufsteigendes Fanfarensignal eröffnet das Konzert, dann kommt die Pauke dazu – wer hier Richard Strauss‘ Zarathustra vermutet, liegt falsch. Um Schlag elf Uhr beginnt im Theater Freiburg das achte Kammerkonzert mit Fanfare and Allegro, einer Komposition des US-Amerikaners Stanley Leonard.
Allerlei Gerät steht auf der ebenerdigen Bühne des Winterer-Foyers, dahinter Thomas-Anton Varga, er schwingt die Marimbaschlägel. Mit seiner Reihe „Schlagzeug trifft…“ kombiniert der Perkussionist verschiedene Instrumente mit dem Schlagwerk, um zu zeigen, wie vielseitig sein Instrument ist. An diesem Sonntag unterstützen ihn Pianist Daniel Carter und Rudolf Mahni an der Trompete. Die Musiker des Philharmonischen Orchesters Freiburg reißen das Publikum mit ihrem ersten Stück aus dem Mittagsschlaf.
Alle Bedenken, Schlagzeugmusik könne nicht mehr sein als nachbarunfreundliches Gelärm, schlägt Varga kurzerhand in den Wind. Die Aubade von Cyril James Squire, ein Morgenständchen für Trompete und Marimba, bezaubert mit spielerisch-verträumten Klängen, Mahni legt eine nostalgische Melodie über die dahinplätschernden Linien des Marimbaphons. Auch mit A Little Prayer, einer Komposition der renommierten Perkussionistin Evelyn Glennie, schlägt Varga an der Marimba zarte Klänge an. Sehr verhalten ist das Stück, es lebt von Vargas Gespür für die unterschiedlichen Dynamiken. Durch die behutsamen Crescendi können sich die weichen Klänge ausbreiten, sie scheinen im Raum zu schweben.
Thomas Varga stellt sich vor das Publikum und erzählt: Das nächste Stück sei von Alexej Gerassimez, mit ihm habe er in München studiert. Der junge Komponist hatte eigentlich vorgehabt, Astor Piazollas Libertango für Vibraphon und Klavier zu arrangieren – daraus sei dann ein eigenes Werk entstanden. Am Beginn von Piazonore rumst es ordentlich. Getrieben von einem jazzigen Rhythmus wirbeln die Melodien der beiden Instrumente umeinander, steigern sich vom verhaltenen piano zum energischen forte. Doch das Schlagzeug kann auch romantisch: Das Tempo wird gedrosselt, das Klavier übernimmt solistisch mit einer lyrischen Melodie, in die das Vibraphon einsteigt und dann gefühlvoll allein weiterführt. „Die Noten sind nur ein Vorschlag“, soll Gerassimez zu Varga gesagt haben. „Du darfst gern spielen, was du willst.“ Und was Varga und Carter spielen, zeugt von einer mitreißenden Spielfreude. Schnelle Staccati auf dem Vibraphon gehen über in fließende Glissandi. Auf und ab wirbelt die Melodie, aus der Piazzollas Libertango-Thema immer wieder hervorblitzt.
Zwischen den etwas längeren Stücken bieten verschiedene Nummern aus den Children’s Songs von Chick Corea kurze und kurzweilige Appetithäppchen, einen Vorgeschmack quasi auf den Auftritt des berühmten Jazzpianisten in Freiburg: Im Juli wird er mit seiner Spanish Heart Band auf dem Zelt-Musik-Festival zu Gast sein, im Gepäck lateinamerikanische Flamenco-Rhythmen. Zwischen Populärkultur und klassischen Konzertsaal oszilliert auch die Komposition Catchdes britischen Komponisten Joe Duddell. Flink legt die Marimba los, gibt die Führung vor, die Trompete folgt. Das Stück ist ein auf patterns aufgebautes Fangspiel, ein lebhaftes Duett, an dessen Ende Rudolf Mahni es doch schafft, Varga am Marimbaphon einzuholen.
Das typische Drumset, elektronisch verstärkt, kommt erst am Ende des Konzerts zum Einsatz. John Psathas Drum Dancesist nicht nur schwierig zu spielen, es ist auch anspruchsvoll zu hören und normalerweise hätte Daniel Carter am Klavier keine Chance gegen das akustische Klangvolumen des Schlagzeugs. Die Elektronik soll den Unterschied ausgleichen, und doch scheinen die beiden Instrumente im ersten Satz der Komposition um die Vorrangstellung im Konzertsaal zu kämpfen. Nach einer Hommage an die wuchtigen Rock-Klassiker der achtziger und neunziger Jahre klimpert Carter am Klavier in den höchsten Lagen, Varga begleitet mit gelegentlichen Akzenten auf Bassdrum und Becken. Ein crescendo mit anschließendem Schlagzeugwirbel löst die Spannung des zweiten Satzes auf. Die beiden Musiker schlagen sich wacker, spielen rhythmisch extrem präzise, verschachtelte Synkopen geben dem Stück einen jazzigen Touch. Am Ende wird es noch mal extrem laut – als Vargas und Carter zum letzten Schlag ansetzen.
Leah Biebert, 2. Juni 2019, für
klassik-begeistert.de
Es war gigantisch zu hören und einmalig, diese Idee: Schlagzeug mit Klavier und Trompete! Wir waren „voll“ dabei und freuen uns schon auf die nächsten Konzerte.
Burkart Clarisse