Foto: Höhne (c)
Richard Wagner, Das Rheingold
NDR Elbphilharmonie Orchester
Dirigent Marek Janowski
Elbphilharmonie Hamburg, 26. Mai 2017
von Leon Battran
An diesem Abend schimmert das Rheingold mal an der Elbe. Und ja, der Auftakt zu Richard Wagners monumentaler Operntetralogie passt auch in den Konzertsaal. Unter dem fachmännischen Dirigat Marek Janowskis und mit einem zum Teil Bayreuth-erprobten Sängerensemble an der Seite navigierte das NDR Elbphilharmonie Orchester in XL-Besetzung durch eine überwältigende konzertante Aufführung von Wagners „Das Rheingold“ und bewies dabei einmal mehr große Meisterschaft.
„Hand weg von meiner Partitur! Das rath‘ ich Ihnen, Herr; sonst soll Sie der Teufel holen!“ Wagner wehrte sich energisch gegen die Uraufführung seines Rheingolds als einzelne Oper, losgelöst vom Gesamtzyklus. König Ludwig II. bestand jedoch auf der separaten Vorab-Premiere und so wurde „Das Rheingold“ allen Protesten und Drohungen des Komponisten zum Trotz 1869 erstmalig in München gespielt. Erst später im Jahr 1876 erklang der gesamte vierteilige Zyklus im Rahmen der ersten Bayreuther Festspiele.
Wagners Komposition fasziniert ungemein. Sie ist mehr als Musik, mehr als Drama. Schon das Vorspiel entfaltet eine ungeheure Kraft, eine Sogwirkung, derer man sich kaum entziehen kann. Die Kontrabässe beginnen im Unisono. Dazu gesellen sich Hörner, dann die Streicher. Es-Dur-Figurationen fließen ineinander, langsam aber stetig wächst das Klangbild an. Eine Welt entsteht, die atmet und pulsiert. Gehen Teile des Orchesters auch ab und zu unter – die Violinen wirbeln an der sprudelnden Oberfläche, scheinen jedoch nicht darüber hinaus zu kommen; das dynamisch wallende Anschwellen der Musik gelingt vorzüglich und setzt große Kraft frei.
Getragen vom friedlichen Wallen und Brausen, deutet sich aber auch schon im ersten Bild unbändige Dramatik an: Der süß verlockende Gesang der Rheintöchter, das neckische Spiel mit ihrer Anziehungskraft wird von dem lyrisch-melancholischen Entsagungsmotiv durchbrochen. Das musikalische Geschehen wird gebremst und dadurch Spannung aufgebaut. Die Szenerie gipfelt schließlich in Alberichs moralischer Gewalttat. Das Orchester spielt hautnah und eindrücklich, die Stimmungswechsel beherrscht der Klangkörper perfekt. Auch Marek Janowski ist jetzt auf Hochtouren. Die Impulse kommen zackiger, seine Gesten gewinnen an Zugkraft.
Der Dirigent weiß genau, wie er seinen Klang haben will. Er wedelt mit den Fingern als wolle er sagen: „Na komm, weiter!“ Erst letztes Jahr hat Marek Janowski den Grünen Hügel erstiegen und den gesamten Ring-Zyklus in Bayreuth zur Aufführung gebracht. Das Vorspiel dirigiert der Wagner-Kenner ganz gemächlich. Aber er folgt einem unabrückbaren Kurs, damit dieser Wagner genauso klingt wie er soll und die Musik auf diese charakteristische Weise schillert und schimmert.
Das Orchester fährt auf 100 Prozent, auch ohne wilde, ausufernde Gesten des Dirigenten. Das ist großes Kino! Zuweilen scheppert und grollt es im Orchester. Mit röhrendem Blech und derbem Wumms sorgt der Aufmarsch der Riesen lautstärketechnisch für einen Höhepunkt. Hingegen hoheitlich und goldstrahlend erklingt in Vollendung ein prachtvoller Bläsersatz und eröffnet die Welt der Götter. Als Sänger braucht man auf diese Welle nur aufzuspringen.
Schön ist, dass die Solisten auch, wenn sie Pause haben, ihre Figur nachempfinden. So ist auch bei dieser konzertanten Aufführung eine szenische Dynamik vorhanden. Johannes Martin Kränzle ist eins mit seiner Rolle als garstiger Alberich. Er glänzte mit einem elastischen und ausgesprochen charakterstarken Bariton, zeigte wenn nötig auch Mut zur Hässlichkeit und – worauf es wirklich ankommt – er beherrscht tadellos das höhnische Lachen eines echten Bösewichts.
Michael Volle als Göttervater Wotan intonierte zu Beginn bisweilen ein wenig zu tief. Davon abgesehen vermochte der Bariton mit seiner stimmlichen Varianz und Spielkraft sowie einer präzisen Aussprache durchweg zu überzeugen. Daniel Behles Loge hatte hingegen Mühe sich klar abzusetzen und verschwamm teilweise mit dem Orchesterklang. Der Bass Christof Fischesser gab den Fasolt akzentuiert, aber zu gleichförmig. So grobschlächtig ist dieser Riese gar nicht. Wenigstens, wenn er die holde Freia besingt, hätte man sich mehr Zartgefühl gewünscht. Deutlich rustikaler präsentierte sich Fafner: Der Bass Lars Woldt bewies Ecken und Kanten, indem er seine Figur im positiven Sinne knarzend und grollend wie ein Troll interpretierte.
Mit einem herben, dunklen Timbre machte der isländische Tenor Elmar Gilbertsson aufhorchen. Mit der Rolle des Mime interpretierte er nicht unbedingt die dankbarste und lyrischste Tenorpartie. Dennoch bleibt diese Stimme im Gedächtnis. Besonders eindrucksvoll war der Auftritt von Nadine Weissmann als Urmutter Erda. Im silbernen Funkelkleid sang sie vom Balkon herab und erfüllte den Saal mit ihrem ätherischen Mezzosopran.
Leon Battran, 28. Mai 2017 für
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