klassik-beigeistert.de-Autor Dr. Charles E. Ritterband besuchte soeben die Oper in Venedig, den Karneval in der Lagunenstadt sowie die Scala in Mailand. Lesen Sie bitte auch seinen zweiten Bericht aus einer Region, die mit einem teuflischen Virus kämpft.
von Dr. Charles E. Ritterband, in Venedig (Text und Fotos)
Bei diesem prachtvollem, frühlingshaftem Wetter funkelten und glitzerten die aufwendigen Kostüme des venezianischen Karnevals im Sonnenlicht. Manche scheuten keinen Aufwand, um für ein paar wenige Tage mit großem Gepäck in die Lagune zu reisen – stolz und bereitwillig posieren die Kostümierten für die Kameras Hunderter von Besuchern, meist vor dem Dogenpalast, dessen weiße Marmorsäulen den idealen Hintergrund für die farbenprächtigen abgeben.
Doch die heiter – unbeschwerte Atmosphäre täuscht – genauso wie sich hinter den Karnevalsmasken sich ganz andere Gesichter verbergen, lauert unter der Oberfläche das Unfassbar-Bedrohliche, das immer näher kommt: Der Coronavirus, der jetzt die Lombardei und Venetien erfasst hat.
Gaetano Donizetti, L’Elisir d’Amore, Teatro La Fenice, Venezia, 19. Februar 2020
Bereits hat die weltberühmte Mailänder Scala ihre Pforten bis auf weiteres geschlossen – ich hatte noch das Glück, am letzten Samstag die letzte Vorstellung, die Première von Rossinis Turco in Italia mitzuerleben. Jetzt, zwei Tage vor dessen offiziellem Abschluss, wurde auch der Carnevale in Venedig wegen der Virus-Gefahr abgebrochen.
Gioachino Rossini, Il Turco in Italia, Teatro alla Scala, 22. Februar 2020
Ich erinnere mich da unwillkürlich an Benjamin Brittens beeindruckende Oper „Death in Venice“ (nach dem Roman von Thomas Mann) – auch hier lauert hinter den prunkvollen Fassaden der Lagunenstadt eine unsichtbare Gefahr, aus Angst um den lebenswichtigen Tourismus wird diese heruntergespielt, ja negiert. Anders jetzt: Venedig setzte eine klare Maßnahme, ungeachtet der touristischen Aspekte. Sämtliche Karnevals- und Sportveranstaltungen würden jetzt mit sofortiger Wirkung abgesagt, erklärte der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia.
Der berühmte Carnevale, der alljährlich Besucher aus aller Welt in die „Serenissima“ reisen lässt, hat einer jahrhundertealte Tradition. Erstmals wurde er im Jahr 1162 begangen.
Dr. Charles E. Ritterband, 24. Februar 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Der Publizist und Journalist Dr. Charles E. Ritterband, 67, geboren in Zürich / Schweiz, ist Verfasser mehrerer Bestseller („Dem Österreichischen auf der Spur“, „Österreich – Stillstand im Dreivierteltakt“ sowie „Grant und Grandezza“) und hat als Auslandskorrespondent 37 Jahre aus London, Washington, Buenos Aires, Jerusalem und Wien für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtet. Er studierte Germanistik, Geschichte, Philosophie und Staatswissenschaften an den Universitäten Zürich und Harvard sowie am Institut d’études politiques de Paris und an der Hochschule St. Gallen. Seit Kindesbeinen schlägt Charles’ Herz für die Oper, für klassische Konzerte und für das Theater. Schon als Siebenjähriger nahm ihn seine Wiener Oma mit in die Johann-Strauß-Operette „Eine Nacht in Venedig“. Die Melodien hat er monatelang nachgesungen und das Stück in einem kleinen improvisierten Theater in Omas Esszimmer nachgespielt. Charles lebt im 4. Bezirk in Wien, auf der Isle of Wight und in Bellinzona, Tessin. Er schreibt seit 2017 für klassik-begeistert.de.