Gilbert, Zimmermann & Co. in der Elbphilharmonie: ein Volltreffer!

Alan Gilbert, NDR Elbphilharmonie Orchester, Frank Peter Zimmermann,  Elbphilharmonie, 27. Februar 2020

Ulrich Poser berichtet über das Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters mit Frank Peter Zimmermann vom 27. Februar 2020

Foto: Frank Peter Zimmermann © Irène Zandel
 

 

Was für eine Tragödie: Am 15. September 1945 wurde der 1883 geborene Komponist Anton Webern, ein Mitglied der Wiener Schule, von einem Soldaten der US-Army versehentlich im österreichischen Mittersill (Bundesland Salzburg) erschossen. Seine Frühwerke „Im Sommerwind“ und „Idylle für Orchester“, beide entstanden im Jahre 1904, bildeten den sphärischen Einstand dieses großartigen Konzertabends. Hier hört man den Rhein, da das Waldweben, beides fernab jeglicher Zwölftonkomposition. Der Komponist hat diese Brücken zu den Werken der alten Romantiker übrigens nie verschwiegen.

Maestro Gilbert und sein Orchester haben bewiesen, dass sie auch die leisen, sphärischen Kompositionen des jungen Webern, die stark an Wagner und Mahler erinnern, mustergültig umsetzen können. Die Stärke dieses Orchesters liegt gerade in der Interpretation der leisen und sehr leisen Passagen, in welchen sich teils ein wunderbar weicher, gar streichelnder und betörender Streicherklang offenbart. Könnte man diesen vielleicht als Hamburger Klang bezeichnen?

Nach diesem gelungenen Einstand gab es das Konzert für Violine und Orchester „Dem Andenken eines Engels“ von Alban Berg. Der Komponist widmete sein „Requiem“ aus dem Jahre 1936 dem frühen Tode der an Kinderlähmung gestorbenen Tochter von Alma Mahler und Walter Gropius, Manon Gropius. Kurz nach Vollendung seines letzten Werks starb der Komponist am Heiligen Abend 1935 an den Folgen einer Blutvergiftung durch einen Insektenstich (an einer „schauderhaften Furunkulose“), so dass man das Werk auch als sein eigenes Requiem bezeichnen kann.

Die Musik des Werkes ist geniale Zwölftonmusik, die über weite Strecken zu verzaubern vermag. Berg schuf für die Komposition eine Zwölftonreihe, die sowohl Zitate aus einem Bach-Choral, als auch einer Kärntner Volksweise („Ein Vogerl aufm Zwetschgenbaum“) zulässt. Die über weite Teile des Konzerts herrschende Dissonanz verbindet sich mit den konventionellen Bestandteilen zu einer meisterhaften Mixtur.

Der Künstler Frank Peter Zimmermann spielt eine Violine von Antonius Stradivari, die 1711 „Lady Inchiquin“, die ihm die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen aus Düsseldorf („Kunst im Landesbesitz“) zur Verfügung gestellt hat und mit welcher er eben diese Töne und Klänge erzeugte, die die ganz großen Geiger wie ihn, Perlman, Bell oder Kremer ausmachen. Zimmermann meisterte diese offensichtlich höllisch anspruchsvolle Partitur nicht nur, er interpretierte das Werk kunstvoll auf höchstem künstlerischen Niveau. Besonders beeindruckten seine virtuosen Läufe, die auf seinem Griffbrett öfters in höchster Höhe, im Grenzbereich zum Flageolett, mündeten. Am Ende einstimmige Begeisterung und frenetischen Applaus für diesen Ausnahmekünstler, der sich mit dem Presto aus der Solosonate von Bartók von den Begeisterten verabschiedete.

Die Hamburger waren Johannes Brahms nicht immer freundlich gesonnen. Ein Grund für die Entscheidung, Hamburg 1863 den Rücken zu kehren, war Brahms’ Verstimmung darüber, dass es seinem Förderer und väterlichen Freund Theodor Avé-Lallemant weder gelungen war, ihm den Direktorenposten der Philharmonischen Konzerte, noch den des Chormeisters der Singakademie zu verschaffen. Die Hamburger ließen Johannes Brahms nach Wien abwandern, wo er richtig durchstartete und seine Weltkarriere Fahrt aufnahm.

Heute lieben die Hamburger „ihren“ Brahms, nicht zuletzt dank der Nutzung der Musik seiner 1. Sinfonie als Titelmelodie des NDR Hamburg Journals.

Die Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90 ist heute ein Klassiker mit 4 Sätzen, dem Clara Schumann 1884 Poesie, harmonischste Stimmung und den geheimnisvollen Zauber des Waldlebens bescheinigte und das Werk als Juwel bezeichnete. Alan Gilbert und das NDR Elbphilharmonie  Orchester gelang es, dieses Werk an diesem Abend in einem Guss, soll heißen als Gesamtkunstwerk, darzubieten. Gilbert dirigierte das Werk auswendig und konnte sich so noch mehr auf den reinen Orchesterklang konzentrieren, wobei auch hier insbesondere die Pianopassagen begeisterten. Heraus kam eine vollendete Orchesterleistung, die vom Publikum schließlich frenetisch bejubelt wurde.

Note 1 für alle und vielen Dank für diesen wunderbaren Konzertabend.

Ulrich Poser, 29. Februar 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Anton Webern
Im Sommerwind / Idylle für großes Orchester nach einem Gedicht von Bruno Wille

Alban Berg
Konzert für Violine und Orchester »Dem Andenken eines Engels«

Zugabe des Solisten:

Béla Bartók
Presto aus Sonate für Violine solo Sz 117

Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90

 

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