Foto: Albena Petrovic © Kaupo Kikkas
Interview am Donnerstag 8: Die Komponistin und Pianistin Albena Petrovic
„Eine kleine Änderung kann keine ‚Perfektion‘ gewährleisten, und große Änderungen zerstören die Arbeit. Da ist es besser, sie gleich wegzuwerfen.“
Albena Petrovic hat sich inzwischen weit über die Grenzen des Herzogtums Luxemburg hinaus einen Namen gemacht – mit mehr als 600 Kompositionen in verschiedensten Genres und Besetzungen. Darunter Opern, Konzerte, Kammermusik, Vokal- und Soloklavierwerke, die für Tonträger eingespielt und weltweit aufgeführt werden. Am 27. März erscheint ihr neues Album „Bridges of Love“. Mit klassik-begeistert.de sprach die luxemburgische Komponistin, die in Sofia geboren wurde, über ihr Leben und wovon sie noch träumt.
von Jürgen Pathy
klassik-begeistert.de: Frau Petrovic, Grüß Gott, wie es bei uns in Wien heißt.
Albena Petrovic: Hallo Jürgen – Grüß Gott.
In einem Interview erzählen Sie, dass Sie bereits im zarten Alter von elf Jahren begonnen haben zu komponieren. Wie kam es dazu? Woher kam dieser Entschluss oder diese Eingebung?
Ich begann sofort zu komponieren, nachdem ich angefangen hatte, Klavier zu spielen. Das resultierte daraus, dass ich vom Charakter her grundsätzlich neugierig bin und nach neuen Dingen suche. Wo andere Kinder gewisse Sachen als fix, als existent gesehen haben, habe ich die Dinge schon immer hinterfragt und innovativer gedacht. Ich habe Bücher gelesen und mein kreativer Geist führte mich dazu, selbst Geschichten und Gedichte zu schreiben. Ähnlich hat es sich verhalten bei Kreuzworträtseln. Anstatt die bereits existierenden zu lösen, erschuf ich meine eigenen, in der Hoffnung, dass sie einmal in Zeitungen veröffentlicht werden. Auf eine ähnliche Weise hat auch das Komponieren begonnen. Anstelle meiner Tonleitern und Studien, verbrachte ich die Zeit damit, Stücke zu erfinden – und sie auf Papier zu schreiben. Es war eine Symbiose zwischen meiner Ausbildung als Pianistin und der Komposition. Da mein Vater Musiker ist, musste ich auch keine Zeit verschwenden.
Wissen Sie noch, wie es sich angefühlt hat, als Sie Ihre erste Komposition fertiggestellt haben?
Alle meine Stücke waren sozusagen fertig, weil für mich die Form, das Ganze, das Wesentliche ist. Von der ersten Note an, sehe ich das ganze Werk, die ganzen Stücke – wie ein Architekt, der sein Gebäude bereits in seiner Illusion erbaut, bevor er den ersten Strich aufs Papier bringt. Anfangs war es sehr kindisch. Aber ich hatte das Glück, von meinem Vater und seinen Mitmusikern ermutigt worden zu sein. Die haben mich in meinem Tun immer bekräftigt. So kam es, dass einer meiner Songs bereits veröffentlicht wurde als ich 14 Jahre alt gewesen bin. Es war das Stück „The Bells of Freedom“. Ich durfte es nicht nur in Sofia, sondern 1979 auch in den polnischen Städten Krakau und Warschau öffentlich spielen. Daraufhin folgte mein Trio für Waldhorn, Vibraphone und Klavier, dass ich beim Festival de l’Ecole präsentierte.
In einem Interview sagen Sie außerdem, Witold Lutoslawski, der polnische Komponist und Dirigent, hätte Ihren Kompositionsstil recht stark beeinflusst – den hätten Sie jedoch erst entdeckt, als Sie 35 Jahre alt waren. Wie sah es zuvor aus? Gibt es einen oder mehre Komponisten, von denen Ihre Kompositionen zuvor beeinflusst wurden?
Ich habe klassische Komposition studiert – und zwar gründlich. Harmonie, Kontrapunkt, Orchestrierung, alles an der National Academy of Music in Sofia. Im Unterricht haben wir alles gelernt. Von Sonaten bis Fugen. Die verschiedenen Stile: Von Klassik, Romantik bis hin zu zeitgenössischer Musik, die bis zu Schostakowitsch reichte. Und auch Neoklassizismus wurde unterrichtet. Der war aus offizieller Sicht, so modern wie möglich. Alles, was von westlichen Ländern beeinflusst wurde, wurde jedoch nicht gelehrt oder toleriert. Das ist der Grund, warum ich erst als Erwachsener alles angetroffen habe, was nach Debussy komponiert wurde.
Woher nehmen Sie generell Ihre Inspiration zum Komponieren?
Komposition ist für mich eine Berufung und ein tiefes Bedürfnis, um meine Gedanken auszudrücken – und zwar für alles. Es kann ein tolles Buch, ein Film, ein Kunstwerk aber ebenso Gefühle oder Ereignisse sein, die mich zum Komponieren inspirieren.
Haben Sie einen speziellen Ort oder einen Platz, an den Sie sich zurückziehen, wenn Sie komponieren?
Nicht wirklich. Ich kann überall komponieren – im Flugzeug, im Auto oder beim Spaziergang am Strand. Es passiert alles in meinem Kopf. Dann schreibe ich es sehr schnell auf Papier. Vollkommen egal, an welchem Ort ich mich gerade befinde. Ich lebe generell ziemlich zurückgezogen und reduziere soziale Kontakte aufs Minimum. Man könnte sogar so weit gehen und sagen, dass ich permanent „zurückgezogen“ bin – sogar umgeben von 1000 Menschen.
Setzen Sie sich ein Zeitlimit, wann Sie mit einem Werk fertig sein wollen?
Ich setze mir Grenzen, um dies so schnell wie möglich zu tun. Denn ohne das Zeitlimit wird sich das Stück „auflösen“ und die kreative Energie verloren gehen. Die Erstellung ist (für mich) ein sehr kompakter und intensiver Prozess, und ich lasse nie zu viel Zeit zwischen der ersten und der letzten Note verstreichen. Die Inkubationszeit, in der die Idee und der Inhalt entstehen, kann jedoch sehr lange dauern – wie bei meiner ersten Oper „The Dark“. Die Idee hatte ich im Jahr 2011, zu komponieren begann ich aber erst im Jahr 2015, als die Präsentation gesichert war und ich während dieser Zeit nur nachdachte.
Wie sieht das bei Ihnen aus, wenn sie ein Werk fertig komponiert haben? Sind Sie mit Ihren Kompositionen dann im Reinen, können Sie damit abschließen, oder könnten Sie ewig daran herumfeilen?
Normalerweise bin ich mit einer Arbeit zufrieden oder nicht zufrieden. Dazwischen gibt es wenig Spielraum. Ich habe nie versucht, sie zu ändern, nachdem sie fertig gewesen ist. Eine kleine Änderung kann keine „Perfektion“ gewährleisten und große Änderungen zerstören die Arbeit. Da ist es besser, sie gleich wegzuwerfen.
Ihre aktuelle CD heißt „Bridges of Love“ – sie erscheint am 27. März 2020 . Wie würden Sie diese Musik beschreiben, wenn Sie von einer Person, die taub ist, danach gefragt werden würden?
Der Titel des Albums, der wie ein Bekenntnis zu Liebe und Hoffnung klingt, ist dem ersten Stück auf der CD entlehnt: Surviving Bridges of Love. Dieses Stück habe ich 2017 für das ppIANISSIMO Festival in Sofia komponiert. Inspiriert wurde ich dabei von einem Gemälde des bulgarischen Malers Orlin Atanasov. Ein wirklich bezauberndes Gemälde, das mir den Inhalt meines Stücks beinahe visuell aufgezeigt hat. Ich würde die Musik folgenderweise beschreiben: Das Gefühl von großem Leiden und Erschöpfung ist eng verbunden mit Hoffnung und innerem Licht. Die Musik ist sehr berauschend und wie eine Hymne an Macht und Freiheit. Auf der energetischen Ebene, denke ich, ist es sehr gelungen, weil der Klang des Klaviers in Symbiose steht mit den kleinen Schlaginstrumenten, die ich in der Partitur eingeführt habe. Sie haben auf eine ganze natürliche Weise ihren Platz gefunden.
Weshalb haben Sie die CD nicht selbst eingespielt, sondern die bulgarische Pianistin Plamena Mangova damit vertraut? Immerhin sind Sie selbst Pianistin.
Plamena Mangova ist einer der größten Namen auf internationaler Ebene. Der zweite Preis beim renommierten Concours Reine Elisabeth in Brüssel 2007 bestätigt nur, welch einzigartiges Talent diese Frau ihr eigen nennt. In puncto Klangpegel und magischer Phrasierung ist sie überhaupt unvergleichbar. Es ist nicht möglich, mich mit ihr zu vergleichen. Ich war immer eine „bescheidene“ Pianistin und widmete mich nie einer großartigen Solokarriere – außerdem hatte ich nie die Fähigkeiten, um es zu versuchen.
Eine Frage, die etwas banal wirken könnte. Aber wie können sich die Leser einen „normalen“ Tag im Leben einer Komponistin vorstellen? Frau Petrovic, beschreiben Sie bitte Ihren Tagesablauf, wenn Sie an einem Werk arbeiten.
Meine Arbeitsweise hängt nicht mit Routinen zusammen. Wenn ich einen Auftrag habe, suche ich nach der Idee, die mich zur Schöpfung führt. Wenn mir eine Idee selbst einfällt, suche ich nach einer Möglichkeit, diese umzusetzen. Meine Tage sind den Dingen des Lebens, des Lehrens, der E-Mails und des Alltags gewidmet. Also komponiere ich normalerweise nachts. Ich arbeite überall viel in meinem Kopf, also habe ich viel Material, um nachts zu sitzen und es auf Papier zu bringen.
Zum Schluss noch eine Frage, die sich auf die Zukunft bezieht: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie noch gerne machen oder erleben? – egal ob als Komponistin, Pianistin oder als Privatperson.
Wenn ich den Goldenen Fisch treffe? Da sich meine ganze Persönlichkeit mit meiner Berufung als Komponistin identifiziert, kann mein Wunsch nur damit verbunden sein. Ich hätte wahrscheinlich gerne wie Richard Wagner ein eigenes Opernhaus, nur um die Bedürfnisse meiner komponierenden Freunde und meiner selbst erfüllen zu können – und eine große Familie, die sehr glücklich ist mit mir. All die finanziellen Sorgen der Musiker in meiner Umgebung sollen wie weggefegt sein, damit wir unsere Kunst in Freundschaft und Wohlstand zusammen machen können – Utopia?
Frau Petrovic, vielen Dank für das interessante Interview!
Vielen Dank für die interessanten Fragen.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 25. März 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at