Die in Bischkek geborene Katharina Konradi ist die erste aus Kirgistan stammende Sopranistin im Lied-, Konzert- und Opernfach weltweit. 2009 begann sie ihre Gesangsausbildung bei Julie Kaufmann in Berlin, der ein Masterstudium in Liedgestaltung bei Christiane Iven und Donald Sulzen an der Hochschule für Musik und Theater München folgte. Meisterklassen bei Helmut Deutsch und Klesie Kelly-Moog gaben der Sopranistin weitere musikalische und künstlerische Impulse. Nach ersten Engagements an der Kammeroper München und am Theater Hof wurde Katharina Konradi 2015 für drei Jahre Mitglied im Ensemble des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Infolge ihres bemerkenswerten Debüts in Hamburg (Ännchen in Webers Freischütz) wurde Katharina Konradi mit der Saison 2018/19 ins Ensemble der Staatsoper Hamburg engagiert. Begeistert waren Zuschauer wie Kritiker auch über ihre Auftritte als Zdenka (Arabella, Richard Strauss) in der Semperoper Dresden, als Adele in der „Fledermaus“ (Johann Strauß) in der Elbphilharmonie sowie als Oscar in „Un ballo in maschera“ von Giuseppe Verdi im Haus an der Dammtorstraße.
Foto: Katharina Konradi als Adele und Bo Skovhus als Gabriel von Eisenstein in „Die Fledermaus“ von Johann Strauß in der Elbphilharmonie am 31. Dezember 2018
Interview: Andreas Schmidt
Liebe Katharina Konradi – wie geht es Ihnen in diesen schwierigen Zeiten, wie sieht Ihr Alltag im Moment aus? Wissen Sie noch, was Sie vor einem Jahr getan haben? Welche Vorstellungen und Festivals, an denen Sie beteiligt wären, wurden annulliert?
Als Bühnenkünstlerin fühle ich mich gerade in dieser Zeit ohne einen Zugang zur Bühne etwas verloren, dennoch ist mein Alltag genauso voll wie in den normalen Zeiten. Auf dem Tagesplan stehen zur Zeit keine Reisen und Proben an, aber die Vorbereitung des Repertoires für die eventuell anstehenden Projekte will gepflegt werden. Somit beinhaltet jeder Tag eine bis zwei Übe-Einheiten.Nun gibt es auch genügend Zeit zum Lesen. Dass ist auch ein Bestandteil meines Tagesablaufes.
Was ich vor einem Jahr gemacht habe? Das muss ich noch mal im Kalender nachschauen:) das letzte Jahr war sehr voll. Aber im April 2019 war ich in Hamburg und habe an der Staatsoper in zwei meiner Lieblingsopern gesungen: Maskenball und Fidelio. Außerdem gab es einen Dreh zur Dokumentation über Clara Schumann in Leipzig. Beim Lockdown-Anfang war ich in London und sang mein letztes coronafreies Konzert mit russischer Kammermusik.
Danach kamen eine Absage nach der Nächsten: Mozarts C-Moll Messe in Porto, Proben und Vorstellungen an der Staatsoper in Hamburg für Parsifal und Carmen, mein Debüt in Lyon als Susanna in Le Nozze Di Figaro und die Bayreuther Festspiele. Ich hoffe sehr auf einen Wiederanfang im Juli zu meinem Debüt bei der Schubertiade in Hohenems, Österreich, denn Schubert ist für mich heilig!!
Wenn Sie den Begriff „Corona“ hören, welche drei Schlagworte fallen Ihnen da als Erstes ein?
Misstrauen, Gefahr, Auszeit.
Welches sind die einschneidendsten Veränderungen seit Ausbruch der Corona-Pandemie? Können Sie dieser ganzen Situation auch positive Dinge abgewinnen?
Kommen Sie zu Dingen, die Sie bisher aus Zeitmangel beiseite geschoben haben und kommunizieren mehr mit Freunden und Kollegen?
Ich kann ganz viel positive Kraft aus der Corona-Zeit schöpfen: Corona macht Menschen krank und gesund zur gleichen Zeit.
Die größte Veränderung heißt für mich persönlich Entschleunigung. Nun habe ich Zeit mich ohne Stress und Eile auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten. Ich bin sehr optimistisch: die kommende Spielzeit wird unbedingt eine sehr schöne sein und sie wird sehr schön klingen, denn die Musiker und Sänger werden so erholt wie noch nie an die musikalischen und sängerischen Aufgaben herangehen.
Ich komme gerade oft dazu die alten Übungshefte für Gesang aus meinem Studium wie die von Vaccai und Lüttgen in die Hand zu nehmen und daraus zu üben. Alte Möbel zu restaurieren ist schon immer mein Wunsch gewesen: nun habe ich endlich Zeit das zu tun.
Ein Spiel habe ich mir ausgedacht: Ich schreibe oder telefoniere jeden Tag mit einer Person aus meiner Kontaktliste. Somit habe ich, wenn ich Glück habe, jeden Tag einen anderen Gesprächspartner und erfahre Neues aus dem Leben meiner Freunde und Bekannten.
Wie steht es um Ihre Einkünfte in diesen aufführungsfreien Zeiten? Wie ist die Situation nach Aussetzen sämtlicher kultureller Veranstaltungen für Sie und Ihre Familie?Wie gelingt es einer Künstlerin, ohne Publikum bei Laune zu bleiben?
Ich musste ganz überrascht feststellen, dass selbst in dieser Zeit, wo kulturell nicht viel möglich ist, ich dennoch ein paar Auftritte bekommen habe: so in der Elbphilharmonie bei der Aktion Elphi@home (zu sehen auf der Homepage der Elbphilharmonie, auf meiner Homepage und YouTube).
Als ehemalige Teilnehmerin der Sendung von Rolando Villazon „Stars von Morgen“ habe ich ein kleines Hauskonzert für 3sat und Arte gegeben.
Außerdem stehen noch ein paar Aufnahmen von Zuhause aus für den Sender BBC Radio 3, wo ich Stipendiatin im New Generation Artists Programm bin. In der näheren Zukunft wird noch ein Open Air Auftritt in einem Autokino mit Werken aus Oper und Operette stattfinden. Es wird nicht langweilig.
Ich habe großes Glück festes Ensemblemitglied an der Hamburgischen Staatsoper zu sein, und somit monatlich ein festes Einkommen zu haben. Durch die Absagen sind natürlich viele Einnahmen weggefallen. Der Verlust ist aber nicht nur materieller, sondern auch künstlerischer Art, und beides tut weh.
Mit welchem musikalischen Werk stimulieren Sie Ihr Immunsystem? Gibt es Musik, die Sie gesund hält oder gesundmacht?
Gerade wird mein Immunsystem mit den Stücken stimuliert, die ich für die kommende Spielzeit vorbereite: ganz viel Mozart und Richard Strauss. Im Januar 2021 gebe ich einen Liederabend in der Elbphilharmonie mit Werken von Tschaikowski und auch diese Stücke stehen auf meinem täglichen Programm. Es tut mir richtig gut mich mit Liedern russischer Komponisten zu beschäftigen. In Tschaikowskis Liedern ist so viel russische Seele vorhanden, dass sie wiederum meiner Seele gut tun und mich gesund machen. Und insgesamt ist die Liedliteratur nicht nur für die Seele sondern auch für den Stimmapparat sehr heilend.
Ich habe Sie unter anderem als umwerfende Adele in der „Fledermaus“ von Johann Strauss in der Elbphilharmonie und als formidablen Oscar in „Un ballo in maschera“ von Giuseppe Verdi in der Staatsoper Hamburg erleben dürfen. An welchen Häusern haben Sie sonst noch gesungen und welche sind Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Wo ich mich am meisten Zuhause fühle ist Hamburg: sei es die Staatsoper oder die Elbphilharmonie. An diesen beiden Häusern habe ich am meisten zu tun. Die Semperoper Dresden ist mir ganz besonders in Erinnerung geblieben wegen der einmaligen Akustik. Und als Liedsängerin kam ich im Februar in den Genuss, an der Wigmore Hall in London zu singen. Das kundige und wohlwollende Publikum und die ehrwürdige Atmosphäre dort sind unvergesslich. Dorthin kehre ich hoffentlich im Oktober 2020 wieder zurück.
Welches sind Ihre Lieblingsrollen? Was wäre Ihre Traumrolle – und welches Opernhaus wäre für Sie der Olymp? Die Met? Bolschoi?
In dieser Spielzeit sang ich an der Hamburgischen Staatsoper meine zweite Produktion der Zauberflöte und musste feststellen, dass ich Pamina über alles liebe. Außerdem liebe ich den Oscar (Un ballo in maschera) und Zdenka (Arabella, R.Strauss) heiß und innig. Beide Rollen sind frisch, jugendlich und spritzig.
Eine der Traumpartien in einem der meiner Traumopernhäuser steht in der kommenden Spielzeit bevor: Sophie im „Rosenkavalier“ an der Bayrischen Staatsoper in München.
Ich träume von einigen Rollen, die ich in der Zukunft singen möchte. Meine Stimme ist mein Guide, und sie wird mir zeigen, welche Träume ich mir erfüllen darf und welche nicht.
Wie gehen Sie mit dem Regietheater – mit Regisseuren, die sich selbst statt das Stück inszenieren? Können Sie über allzu originelle und bisweilen verfehlte Regie-Konzepte hinwegsehen und sich auf Ihre Rolle konzentrieren oder lenken ausgefallene Ideen des Regisseurs bisweilen so sehr von Ihrer Rolle ab, dass Sie nicht die Top-Performance hinlegen können, auf die Sie eigentlich abzielen?
Im Prozess einer Inszenierung sind alle Beteiligten, vom Regisseur über Beleuchter bis zum Statisten, in der einen oder anderen Weise Künstler, und jeder sucht einen Weg seine Möglichkeiten und Vorstellungen am besten umzusetzen. Eine originelle Inszenierung, die nicht den klassischen Bühnenkonzepten entspricht gibt eine neue Möglichkeit einen frischen und originellen Blick auf die Rolle zu werfen; vorausgesetzt, diese Konzepte sind nicht gegen eine gesunde Stimmführung gerichtet und lassen eine gewisse Bewegungsfreiheit beim Singen zu.
Ich finde, dass es immer einen Weg gibt um die Musik und die Regie für sich so auszulegen, dass man sich beim Singen wohlfühlen kann. Im Probenprozess muss man ganz viel kommunizieren und vielleicht auch eigene Ideen entwickeln und kundtun.
Bis jetzt kann ich sagen, dass ich keine Schwierigkeiten in dieser Hinsicht gehabt habe. Manchmal sogar habe ich selber aus dem spielerischen Impuls heraus Aktionen, die gegen meine Stimme, aber für einen tollen Effekt gesorgt haben, vorgeschlagen. Als Morgana in Händels Alcina lief ich von Liebesgefühlen überwältigt eine große Treppe hinauf und hinunter und als ich direkt danach singen musste, habe ich vor Erschöpfung keine Luft mehr gehabt. Meine Idee kam gut an, musste aber dennoch auf das Minimum zurückgeführt werden.
Wie halten Sie es mit neueren und zeitgenössischen Komponisten?
Fantastisch! Solange die Stücke nicht gegen die stimmlichen Möglichkeiten komponiert sind, finde ich es sehr wertvoll sich mit der zeitgenössischen Musik zu befassen. Sie erweitert den Horizont und behandelt ab und an auch aktuelle Themen.
Momentan verbringen viele Musikliebhaber viel Zeit in ihren eigenen vier Wänden. Gibt es ein Buch, eine CD oder auch Streamingangebote, die Sie uns dringend empfehlen würden?
Die Biographie des großartigen Dirigenten Adam Fischer kann ich unbedingt ans Herz legen. Ich erlebte ihn in dieser Spielzeit in Hamburg bei der Neuproduktion von „Don Giovanni“ und war fasziniert von der positiven Kraft dieses Künstlers. Immer wieder höre ich mir Aufnahmen von Fritz Wunderlich an und werde nicht satt von seiner einmaligen Musikalität. Es gibt im Netz einige Interviews mit ihm. Die sind auch sehr hörenswert.
Kommen wir zur ersten Frage zurück: Wo sehen Sie sich in einem Jahr? Wann glauben Sie persönlich, dass die Rückkehr in ein relativ „normales“ Kulturleben möglich sein wird?
In einem Jahr sehe ich mich an der Bayrischen Staatsoper in der Produktion „Der Rosenkavalier“. Ich glaube fest daran, dass die neue Spielzeit, vielleicht mit wenig Publikum oder sogar mit neuen Konzepten für Oper und Konzert,aber doch losgeht.
Es gibt Zukunftsforscher, die nach überstandener Corona-Krise eine Verbesserung des Weltklimas – ökologisch wie sozial – prophezeien. Teilen Sie diese Einschätzung? Wie ist Ihre Vision?
Diese Vision ist ganz wichtig! Mein größter Wunsch wäre die Minderung des Konsums und die Rückkehr zu den wesentlichen Grundbedürfnissen wie Gelassenheit und Achtung vor Natur und dem Menschen. Leider wird es nicht eintreten, meiner Meinung nach. Der Mensch ist von Natur aus gierig und egoistisch, und je mehr Möglichkeiten ihm entzogen werden, desto mehr wird er später nachholen wollen.
Schauen wir in die Glaskugel: Die Heilige Corona, auch Schutzpatronin gegen Seuchen, hat ein Einsehen mit uns und beendet die Pandemie. Alle Musikclubs, Theater und Opernhäuser öffnen wieder. Für Ihren ersten Auftritt haben Sie drei Wünsche frei: In welchem Haus stehen Sie auf der Bühne, in welcher Produktion wirken Sie mit und wer ist mit Ihnen auf der Bühne?
Eine einfache Frage: Da möchte ich in einem der drei Hamburger Musikhäuser auf der Bühne stehen. Wenn die Welt wieder in Ordnung rückt, möchte man doch daheim sein. Wenn ich an der Hamburgischen Staatsoper wäre, dann mit Mozart und meinen Ensemblekollegen. Wenn es die Elbphilharmonie sein sollte, dann mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester und einem schönen Oratorium wie „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn.
Liebe Katharina Konradi, ganz herzlichen Dank für das Interview.
Interview: Andreas Schmidt, 27. Mai 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Liebe Frau Konradi, wir waren am 19. Juli in Ihrem Liederabend in Hohenems und restlos begeistert von Ihrer herrlichen Stimme und der fantastischen Gestaltung der Schubert-Lieder. Wir saßen in der 2. Reihe, konnten Sie also „hautnah“ erleben und waren sicher die ersten der – leider wenigen – Bravorufer. Das Publikum war, wie leider bei allen Liederabenden, fast ausnahmslos jenseits der 70er Jahre alt und deshalb – bei aller Begeisterung – nicht mehr kräftig genug, um laute Jubelkundgebungen zu verteilen. Wir sind alljährliche Besucher der Salzburger Festspiele und haben dort wunderbare Liederabende erlebt, der Ihrige zählt fraglos zu den schönsten Erlebnissen! Wir sind beide im Wiesbadener Umland als Chorleiter von Laienchören tätig und können uns sicher eine gewisse Urteilskraft zurechnen. Wir wünschen Ihnen weitere große Erfolge und herrliche Musikerfahrungen und beste Gesundheit und grüßen Sie in dankbarer Erinnerung
Hans Schlaud und Frau Brigitte
Wir waren gestern in dem Sommerkonzert auf dem Lerchenstieg in Dötlingen und konnten Ihrer herrlichen Stimme lauschen. Wir waren total begeistert und sind sicher, dass sie bald in den besten Häusern dieser Welt singen werden. Wir werden Ihren Weg weiter verfolgen und Sie haben in uns zwei neue Fans gefunden. Herzlichen Dank und Glückwunsch zu Ihrem gelungenen Auftritt
Imke Lange
Ich habe Katharina Konradi zwei Mal im Opernhaus in Wiesbaden gehört und war jedesmal begeistert. In der „Zauberflöte“ war sie 2016 (leider) fast die einzige Sängerin des ganzen Ensembles, die sowohl stimmlich als auch von der deutschen Aussprache her sehr gut rüberkam und mich überzeugte. Auch ein paar Monate später in der „Hochzeit des Figaro“ stach sie aus dem Ensemble heraus. Seitdem merke ich auf, wenn ich ihren Namen irgendwo lese oder sie im Radio höre.
Achim Hahnwald