Komische Oper Berlin, 11. Oktober 2020
Samuel Beckett: Nicht ich
Rockaby
Foto: Monika Rittershaus (c)
Arnold Schönberg Pierrot Lunaire
Mitglieder des Orchesters der Komischen Oper
Solistin: Dagmar Manzel
von Peter Sommeregger
Es ist der Abend der Dagmar Manzel. Wer sonst könnte das Wagnis eingehen, zwei halsbrecherische Monologe Samuel Becketts, und anschließend Arnold Schönbergs Melodram „Pierrot Lunaire“, dieses zwischen Sprache und Gesang changschierende Werk in 70 extrem dichten Minuten auf die Bühne zu wuchten? Intendant Barrie Kosky weiß, was er an dieser Künstlerin hat, die Produktion ist eine Liebesgabe an die Sing-Schauspielerin.
Am Anfang steht der beklemmende Monolog „Nicht ich“, auf der dunklen Bühne sind nur die rot schimmernden Lippen Manzels ausgeleuchtet, die diesem sprachlichen Aberwitz beklemmende Dichte verleiht. Die Vielzahl der Farben und die schier unbegrenzte Modulationsfähigkeit dieser Stimme verleihen diesem sperrigen Text eine tiefere Bedeutung.
„Rockaby“ dagegen kommt in Teilen vom Tonband, hier ist der Sprachduktus ein fast monotoner, aber über die Zeit gewinnen die scheinbar sinnlosen Wiederholungen an Bedeutung, auch hier ist die Sprache Manzels schon Ereignis genug.
Hauptwerk des Abends ist „Pierrot Lunaire“, hier ist neben Manzel ein Kammermusik-Ensemble zu hören, gebildet aus Musikern des Haus-Orchesters. Die insgesamt 21 Lieder auf Texte des Belgiers Albert Giraud sind hochartifizielle Gebilde, die sowohl von Sängerinnen, als auch Schauspielerinnen vorgetragen werden können. Illustriert wird der eigentlich handlungslose Zyklus vom Regisseur Kosky als Monolog eines Kindes im Matrosenanzug, das mit Teddybär ausgerüstet zu Bett geht, dann aber unruhig innerhalb und außerhalb des Bettes agiert. Diese Interpretation mit dem Zug ins Infantile ist nur ein möglicher Weg, so etwas wie eine optische Rahmenhandlung für die abstrakte Lyrik zu schaffen.
Dagmar Manzel kann auch als kindliches Wesen überzeugen, was kann diese Frau eigentlich nicht? Vielleicht vermisst man in manchen Passagen ein wenig das gesangliche Element, Manzel brilliert dafür mit ihrer Sprechtechnik. Die kammermusikalischen Begleiter unterstützen die Stimme und setzen gleichzeitig eigene Akzente.
Dieser Abend dauert nur knappe 70 Minuten, ist aber in der Fülle, vor allem aber der Qualität des Gebotenen ein großer Wurf.
Peter Sommeregger, 11.Oktober 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at