Sommereggers Klassikwelt 66: Rita Streich, die "Wiener Nachtigall" – Hommage zum 100. Geburtstag

Sommereggers Klassikwelt 66: Rita Streich – Hommage zum 100. Geburtstag

von Peter Sommeregger

Die am 18. Dezember 1920 in Sibirien als Tochter eines Deutschen und einer Russin geborene Rita Streich gehörte und gehört zu jenen Künstlern, deren Ruhm auch viele Jahre nach ihrem Tod im Jahre 1987 noch nachwirkt. Dafür bedarf es allerdings außergewöhnlicher Leistungen und eines persönlichen Charismas. Beides konnte die blendend aussehende, dunkelhaarige Sängerin für sich in Anspruch nehmen.

Nachdem die Familie Russland verlassen hatte, und zuerst in Essen lebte, begann Rita eine Gesangsausbildung, die von ihrer Lehrerin Erna Berger stark gefördert wurde. Bereits 1943 konnte Rita Streich am Stadttheater von Aussig debütieren. Drei Jahre später war sie bereits Ensemblemitglied der Deutschen Staatsoper in Berlin, wo sie sich ein breites Repertoire von Rollen des lyrischen Sopran- und Koloratursopranfaches aneignete. Im Jahr 1950 wechselte sie innerhalb Berlins an die Städtische Oper, was wohl auch politische Gründe hatte (die Städtische Oper war in West-Berlin, die Deutsche Staatsoper in Ost-Berlin).
1953 erhielt sie einen Ruf an die Wiener Staatsoper. In der Folge wurde Wien zu ihrem Lebensmittelpunkt, was ihr den schmeichelhaften Beinamen „Wiener Nachtigall“ eintrug.

Ab 1956 trat Rita Streich in verschiedenen Partien bei den Salzburger Festspielen auf, insgesamt gestaltete sich ihre Karriere zunehmend international. Die Mailänder Scala, das Royal Opera House in London, die Festspiele von Aix en Provence und Glyndebourne waren weitere Stationen ihrer Karriere. Ihre Vielseitigkeit schloss auch Rollen in Operetten und den Liedgesang ein. Als Adele in der „Fledermaus“ von Johann Strauss feierte sie unter Herbert von Karajan wahre Triumphe, später war sie mit dem Tenor Nicolai Gedda ein bewährtes Team für die Platteneinspielungen klassischer Operetten. Ihre ausgezeichnet für die Schallplatte geeignete Stimme ist uns in zahlreichen Aufnahmen erhalten, unter denen die Aufnahmen einer Reihe von Mozart-Liedern vielleicht die kostbarste ist. Besonders spektakulär ist ihre großartige Zerbinetta in Karajans Einspielung von Richard Strauss‘ „Ariadne auf Naxos“. Glanzrollen waren auch das Ännchen in Webers „Freischütz“, Susanna in Mozarts „Figaros Hochzeit“ und Zerlina im „Don Giovanni“.

Das silbrig-samtene Timbre ihrer höhensicheren Stimme ist unverwechselbar, wenige Töne genügen, und man weiß. „das ist die Streich“. Ihr Stil ist zeitlos elegant, ihre Technik brillant. Man möchte jeder jungen Sängerin dieses Stimmfaches ihre Aufnahmen zum Studium empfehlen. Ich hatte das Glück, Rita Streich in jungen Jahren noch verschiedentlich an der Wiener Oper zu hören.

In späteren Jahren verlegte Streich ihre Tätigkeit mehr auf das Konzertpodium, auch als Pädagogin machte sie sich einen Namen. Seit 1949 war Rita Streich mit dem Regisseur Dieter Berger verheiratet, mit dem sie einen Sohn, Franklin hatte. Ein hohes Alter war der Künstlerin leider nicht vergönnt, im Jahr 1987 starb sie in Wien an den Folgen eines Gehirntumors und fand ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof von Perchtoldsdorf bei Wien.

Wer sagt eigentlich, dass die Nachwelt den Mimen keine Kränze flicht?

Peter Sommeregger, 15. Dezember 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Peter Sommeregger

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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