Foto: Nicola Perscheid Portrait of Arthur Nikisch /wikipedia.de
Der Dirigent war eine elegante Erscheinung, was ihm auch unter dem weiblichen Publikum Sympathien eintrug. Man erzählte sich folgende Anekdote: zwei Damen besuchen ein Konzert von Nikisch. Vor Beginn sagt die Eine zu ihrer Begleitung „Geben Sie mir ein Zeichen, wenn er zu faszinieren beginnt ?“
von Peter Sommeregger
Der vor genau hundert Jahren, am 23. Januar 1922 verstorbene Dirigent Arthur Nikisch war in mancher Hinsicht der erste Dirigent, der am Pult zum großen Star wurde, größte Popularität erreichte und diesem Beruf sein heutiges Image verlieh.
Geboren am 12. Oktober 1855 in Ungarn als Sohn eines Schlesiers und einer ungarisch-stämmigen Mutter studierte er am Wiener Konservatorium zunächst Geige und Klavier. Seine erste Verpflichtung erfolgte in das Wiener Hofopernorchester. Anschließend wirkte er von 1878 bis 1889 am Leipziger Stadttheater als erster Kapellmeister. In den Jahren 1886 bis 1888 war Gustav Mahler dort der zweite Kapellmeister.
Am 30. Dezember 1884 leitete Nikisch die Uraufführung von Anton Bruckners 7. Symphonie am Leipziger Neuen Theater, die für den Komponisten den späten Durchbruch bedeutete. Dem Werk Bruckners blieb Nikisch lebenslang verpflichtet.
Im Jahr 1889 trat Arthur Nikisch die Stellung als Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra an, die er bis 1893 ausübte und in diesen Jahren seine internationale Berühmtheit begründete. Kurzzeitig fungierte er auch als Direktor des Königlichen Opernhauses in Budapest.
Nach Deutschland zurückgekehrt, berief man ihn 1895 als Gewandhaus- Kapellmeister nach Leipzig. Dieses traditionsreiche Amt behielt Arthur Nikisch bis zu seinem Tod.
Im gleichen Jahr bestellten ihn auch die Berliner Philharmoniker zu ihrem Chefdirigenten, was Nikisch zum führenden Dirigenten des Kaiserreiches machte. Am Pult des Berliner Orchesters führte er einen neuen Stil der intellektuellen Durchdringung der Musik ein, erweiterte das Repertoire und führte das Orchester auch zu erfolgreichen Gastspielen ins Ausland, was den internationalen Ruf des Klangkörpers weiter verbreitete. Lediglich den Zeitgenossen Schönberg, Alban Berg und ihrer Musikrichtung verweigerte sich Nikisch.
Eine historische Marke war die erste komplette Aufnahme einer Symphonie auf das neue Medium Schallplatte. Im November 1913 spielten die Berliner Philharmoniker Beethovens 5. Symphonie ein, die Aufnahme ist bis heute erhältlich.
Der Dirigent war eine elegante Erscheinung, was ihm auch unter dem weiblichen Publikum Sympathien eintrug. Man erzählte sich folgende Anekdote: zwei Damen besuchen ein Konzert von Nikisch. Vor Beginn sagt die Eine zu ihrer Begleitung „Geben Sie mir ein Zeichen, wenn er zu faszinieren beginnt ?“.
Das sagt viel über die beginnende Glorifizierung des Dirigentenberufs aus. Nikischs Nachfolger in Berlin, Wilhelm Furtwängler und später Herbert von Karajan haben dieses Image des „Pultlöwen“ noch verstärkt. Es blieb einer neuen Generation von Dirigenten, wie dem gegenwärtigen Chef Kirill Petrenko vorbehalten, vom Diktator am Pult zum partnerschaftlichen Musizieren zurück zu finden.
Arthur Nikisch starb am 23. Januar 1922 völlig unerwartet in Leipzig an einer Grippe. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Leipziger Südfriedhof. Sein Sohn Mitja, der sowohl als Pianist als auch Komponist große Erfolge feiern konnte, und sich später der Jazzmusik zuwandte, starb bereits mit 37 Jahren an Krebs.
Weit über seine Wirkungszeit hinaus behielt der Name Arthur Nikisch noch seinen Nimbus, der bis heute von seinen ehemaligen Orchestern gepflegt wird.
Peter Sommeregger, 25. Januar 2022, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.