Foto: RSB © Molina Visuals
Haus des Rundfunks, Sendesaal
Konzertante Aufführung am 13. April 2022
Giacomo Puccini Tosca
Tosca Melody Moore
Cavaradossi Stefan Pop
Scarpia Lester Lynch
Rundfunkchor und Kinderchor Berlin
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Carlo Montanaro Dirigent
von Peter Sommeregger
Konzertante Opernaufführungen haben durchaus ihren Reiz, besonders in Zeiten, in denen die ursprüngliche Form des Werkes oft durch eine haarsträubend verfremdende Interpretation kaum mehr erkennbar ist.
Einen besonderen Reiz haben auch solche Aufführungen, bei denen ein großes Symphonieorchester sich ausnahmsweise der Oper annimmt. Oft eröffnet das neue orchestrale Perspektiven. So geschehen auch bei der konzertanten Aufführung von Puccinis „Tosca“ im Sendesaal des Hauses des Rundfunks in Charlottenburg. Der kurz zuvor eingesprungene Dirigent Carlo Montanaro animierte das großartig aufspielende Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zu geradezu leidenschaftlicher Italianità.
Ihm standen neben dem Klangkörper aber auch noch Solisten zur Verfügung, die im gut besetzten Sendesaal geradezu ein Feuer entfachten. Auffällig, dass unter den Sängern der Hauptrollen keine Italiener waren, aber das bildet durchaus realistisch die aktuelle Gesangsszene ab. Osteuropa und Länder in Übersee bringen heute die Stimmen hervor, mit denen Staat zu machen ist.
Allen voran muss Melody Moore genannt werden, mit der Besetzung der Titelrolle steht und fällt eine Aufführung der „Tosca“. Beim vollen, aber trotzdem höchst differenzierten Einsatz ihrer reichen stimmlichen Mittel eroberte sie das Publikum im Sturm. Dass ihr Italienisch auch noch idiomatisch perfekt klang, war nur das i-Tüpfelchen auf einer fulminanten Leistung. Sie lieferte genau das Quantum an Drama bis in die facettenreichen Schattierungen der Phrasierung, wie man sie von einer Tosca erwartet- und nicht immer bekommt.
Ihr ebenbürtig der rumänische Tenor Stefan Pop als Maler Cavaradossi, dem man in jedem Augenblick den Italiener abkaufen würde, wenn er in den Kantilenen Puccinis schwelgt. Der Hinweis des Dirigenten auf den Mitschnitt des Konzertes für Tonträger kostete ihn den verdienten Szenenapplaus nach seinen beiden Arien, den bekam er am Ende von einem begeisterten Publikum aber mit Zins und Zinseszins. Auch er überzeugte mit höchst differenzierter Phrasierung und krönte seine Arien mit Spitzentönen, die wie Edelstahl im Raum standen, ebenso wie seine geschmetterten „Vittoria“-Rufe.
Neben solchen Größen zu bestehen, war für den Scarpia des Lester Lynch eine schwierige Aufgabe. Der Afro-Amerikaner bringt einen vollen, dunkel timbrierten Bariton mit, dem es nur leider an stimmlichen Farben mangelt. Er war der Partie durchaus gewachsen, traf auch den Ton des Bösewichtes gut, aber die Stimme klingt ein wenig trocken und eindimensional.
Die Sänger der kleinen und sehr kleinen Rollen schlugen sich achtbar. Ein Highlight waren die Szenen, in denen der Rundfunkchor und der Kinderchor der Deutschen Oper Berlin zum Einsatz kamen. Die Stimmung im Saal steigerte sich zu ehrlicher Begeisterung, man wollte die Künstler am Ende kaum vom Podium lassen. Das emotionale Feuer dieser Musik scheint auch die Sänger Moore und Pop erfasst zu haben. Rührend am Ende eine sehr lange, enge Umarmung des Paares. Ist da der Funke Puccinis etwa übergesprungen? Wer weiß…
Peter Sommeregger, 14. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giacomo Puccini, Tosca, Nationaltheater Bayerische Staatsoper München, Donnerstag, 24. Februar 2022
Giacomo Puccini „Tosca“, Angela Gheorghiu, Royal Opera House Covent Garden, 8. Februar 2022
Giacomo Puccini, Tosca, Hui He, Andrzej Dobber Staatsoper Hamburg, 8. Oktober 2021