Die Bregenzer Festspiele warten Jahr für Jahr nicht nur mit spektakulären Opernproduktionen auf der Seebühne – heuer mit der großartigen „Butterfly“-Inszenierung – und Opern-Trouvaillen im Festspielhaus auf, sondern auch mit kleinen aber feinen Darbietungen im Theater am Kornmarkt in der Bregenzer Innenstadt. Diese Saison war es Haydns einzige Opera seria „Armida“, hervorragend dargeboten vom Opernstudio der Bregenzer Festspiele, einem engagierten, internationalen Team hoch begabter junger Sängerinnen und Sänger. Über die Inszenierung mochte man geteilter Meinung sein.
Bregenzer Festspiele, Theater am Kornmarkt, Bregenz, 19. August 2022
Joseph Haydn, Armida
von Dr. Charles E. Ritterband
Joseph Haydn hatte, was man bisweilen vergisst, offenbar am meisten Spaß an Opern – ebenso sein reicher Brotherr und Protektor, Fürst Nikolaus I. Esterházy: Haydn hatte – neben 83 Streichquartetten, 46 Klaviertrios, 108 Sinfonien, sechs Oratorien und vieles mehr – insgesamt 24 Opern komponiert, von denen einige wenige Berühmtheit erlangt haben und heute noch aufgeführt werden; von manchen hingegen sind lediglich Titel oder Libretti erhalten. Es scheint, dass sämtliche Opern komische Werke waren – mit einer Ausnahme: das „Dramma eroico“, das „heroische Drama“ „Armida“, beruhend auf Torquato Tassos Epos „Das befreite Jerusalem“. Die prachtvolle, überaus erfolgreiche Uraufführung dieser einzigen „Opera seria“ Haydns fand am 26. Februar 1784 nicht in Eisenstadt sondern im Opernhaus des nahegelegenen ungarischen Schlosses Esterház in Fertöd, dem „ungarischen Versailles“, statt.
Im Bregenzer Theater am Kornmarkt, das während und als Teil der sommerlichen Bregenzer Festspiele für Gastspiel-Produktionen wie Shakespeares „Sturm“ oder Rossinis „Italiana in Algeri“ zur Verfügung steht, wurde Haydns einzige „Opera seria“ aufgeführt – von einem internationaler Team junger engagierter und durchwegs erstklassiger Sängerinnen und Sänger.
Der Regisseur Jörg Lichtenstein erlaubte sich einige Freiheiten mit diesem Stück, welche dieses radikal entstaubten, Humor einflößten und mit frischem Wind umwehen ließen. Die christlichen Motive und die Kreuzfahrer-Handlung des „befreiten Jerusalem“ Tassos (wir wissen inzwischen ja allzu gut, wie die Kreuzfahrer im und auf dem Weg zum Heiligen Land gewütet hatten…) wurden in dieser Inszenierung radikal umgangen, was das Stück im Handumdrehen zu einem zeitgemäßen Vergnügen mit herrlicher Barockmusik machten.
Ob man tatsächlich eine (und noch dazu Haydns einzige) „Opera seria“ zu einem munteren Lustspiel mit Cannabis rauchenden Transvestiten-Nymphen umfunktionieren darf und soll, bleibe dahingestellt. So munter diese doch gelegentlich auch etwas überspannt wirkende Inszenierung war – das bisweilen mehr an das Interieur eines Brockenhauses als an die Szene eines Zaubermärchens erinnernde, hoffnungslos überfrachtete Bühnenbild lenkte mehr ab, als es dem Genuss von Haydns Musik förderlich war.
Wie dem auch sei – die sängerischen Leistungen waren beachtlich, die Spielfreude des Ensembles erfreulich. Ebenso das präzis und enthusiastisch agierende Symphonieorchester Vorarlberg unter der temperamentvollen Stabführung des Italieners Jonathan Brandani. Vor allem der deutsch-britische Tenor Kieran Carrel glänzte mit warmer, raumfüllender Stimme und bot der Armida der Zürcher Sopranistin Nicole Wacker mit ihren kunstvollen Koloraturen und ihrem ausdrucksstarken Timbre in dieser anspruchsvollen Partie einen kongenialen Partner. Der Koreaner Hyunduk Kim verlieh dem Ubaldo Präsenz und tenoralen Schmelz.
Dr. Charles E. Ritterband, 21. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Opernstudio der Bregenzer Festspiele
Musikalische Leitung: Jonathan Brandani
Inszenierung: Jörg Lichtenstein
Bühne/Kostüme/Licht: Nikolaus Webern
Armida: Nicole Wacker
Rinaldo: Kieran Carrel
Ubaldo: Hyunduk Kim
Idreno: Gabriel Rollinson
Zelmira: Kathrin Hottinger
Clotarco: Dafydd Jones
Mädchen: Amelie Brunn
Symphonieorchester Vorarlberg
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