Foto: © Michael Pöhn
Wiener Staatsoper, 17. September 2022
Don Giovanni, Wolfgang Amadeus Mozart
von Jürgen Pathy
Völlig durchgeknallt. Bei Barrie Koskys Inszenierung von „Don Giovanni“, die bereits letzte Saison Premiere feierte, treiben es die beiden Hauptprotagonisten ziemlich wild. Don Giovanni, ein moderner Gigolo, punktet nicht nur mit sportlichem Sixpack, sondern auch mit allerlei akrobatischen Einlagen. Leporello, ein Punk mit blaugefärbten Haaren, treibt das Ganze überhaupt bis an die Spitze: Tanzen, springen und jonglieren. Alles mit dabei, um an der Wiener Staatsoper Aufsehen zu erregen. Selbst ein kurzer Tauchgang bleibt Don Giovannis treuem Diener nicht erspart. Kurzum: Eine zirkusreife Produktion, die Regisseur Barrie Kosky da auf die Beine gestellt hat.
Pluspunkt in Wien: Hätte der Australier nicht zwei derart sportliche Sänger-Darsteller zur Hand gehabt, würde der Spaß wohl in die Hose gehen. Mit Kyle Ketelsen als Don Giovanni und Philippe Sly als Leporello fährt diese jugendlich-spritzige Regiearbeit so aber einen großen Erfolg ein. Dabei hatte die Produktion nicht nur letztes Jahr einiges an Kritik einstecken müssen.
Eine Regie im Dienste des Hausherren
„Ich mag die beiden nicht“, lässt ein Stammgast vorsichtig durchblicken. Meint damit in erster Linie natürlich Ketelsen und Sly, die aber sensationell agieren und immer tiefer in ihre Rollen hineinwachsen – bereits letzte Saison waren sie mit an Board. Latent geht der Schuss natürlich auch vor Koskys Bug. „Bei dieser Regie sind sie halt notwendig.“
Der Clou an dieser allerdings: Erstens stehen bei Barrie Kosky die Akteure im Mittelpunkt. Stichwort: Personenführung. Die kann sich sehen lassen. Da kann das Bühnenbild noch so karg gestaltet sein. Zweitens ist man die alte Martinoty-Inszenierung los, bei der selbst eingefleischte Don-Giovanni-Fans nicht immer den Durchblick wahren konnten. Und drittens, vielleicht einer der wichtigsten Punkte überhaupt:
Mit dieser furiosen Regiearbeit leistet Kosky auch ordentlich Schützenhilfe für Bogdan Roščić, dessen Auftrag, den Altersdurchschnitt des Publikums deutlich zu senken, bislang noch etwas lahm angelaufen war. Selten hat man an der Wiener Staatsoper derart reichlich junges Publikum gesehen, wie bei dieser ersten Aufführung der aktuellen Don-Giovanni-Serie – zumindest auf der Galerie und Teilen des Stehplatzes.
Großartiges Mozart-Ensemble
Dass die dann zum Schluss recht wenig Applaus spendieren, kann sicherlich nicht an der Qualität der Aufführung gelegen haben. Hanna-Elisabeth Müller, letzte Saison auch schon mit dabei, kassiert zwar das einzige Buh, lieferte als Donna Anna über weite Strecken aber mehr als nur eine solide Darbietung. Tara Erraught als Donna Elvira glich einer Furie vor dem Herren – hochdramatisch wenn notwendig, ausdrucksstark, und überwiegend enorm klar in den Höhen. Dazu noch Patricia Nolz, die als Zerlina das dramatisch-angehauchte Frauentrio komplettierte und alles andere als ein Unschuldslamm verkörpert.
Und obendrauf noch Musikdirektor Philippe Jordan, der, ganz in Mozarts Diensten, das prominent besetzte Staatsopernorchester zu rasanten Höhenflügen animieren und den Abend dann in meisterlicher Manier vollenden konnte.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 19. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeister.at
Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni, Wiener Staatsoper, 13. Dezember 2021
W.A.Mozart, Don Giovanni, Wiederaufnahme, Hamburgische Staatsoper, 26. Februar 2022
Wer sang denn den Don Ottavio oder hat Kosky den gestrichen? Masetto kommt auch nicht vor.
Meine September-Beobachtung: „junge Leute“ auf der Galerie sind vor allem mit ihren Handy-Photos beschäftigt, keine Zeit für den Schlussbeifall.
Fred Keller
Lieber Herr Keller,
den Don Ottavio hat Pavol Breslik gesungen. Den Masetto Martin Häßler.
Häßler ist ziemlich blass geblieben, hatte ich nicht mal wirklich am Schirm! Zu Breslik wollte ich nix schreiben, weil ich noch im Unklaren bin.
Hoffe, Sie haben Verständnis dafür.
Liebe Grüße
Jürgen Pathy
Naja, wenn man die Karten an die Studenten verschenken muss, weil die normalen teueren Karten nicht gut verkauft werden, kein Wunder, dass mehr Jugendliche drinnen sind. (Es bekommen ja auch nur die jungen unter 29 die Karten billiger.)
Sie werden mit Sicherheit aber nicht diejenigen sein, die später die teueren Karten 80-240 Euro bezahlen werden und somit zum notwendigen regelmäßigen Stammpublikum werden. Und wenn es auch alle Bejubler der Regisseure wie Kosky, Bieito, Fritsch, Stone oder wie sie alle heissen uns glauben lassen, dass diese Regiearbeiten für die Jugend sind und die nur so reinkommen in die Oper, ist das leider ein ganz großer Irrtum.
Das wirklich zahlende Stammpublikum wird ja vertrieben, sehr mäßige Besetzung kommt dann noch dazu… und auch wenn man es nicht glauben möchte, Oper muss auch verkauft werden… aber ja… die Wr. Staatsoper hat ja kein Risiko – die Österreichischen Steuerzahler müssen halt immer mehr für das Haus bezahlen… (ich habe 50 Jahre zum kräftig zahlenden Publikum gehört – jetzt gebe ich keinen Cent mehr für das Haus aus)
SR