10 Gebote für den Besuch der Elphyne: Üb immer Treu und Höflichkeit!

10 Gebote für den Besuch in der Elphi  klassik-begeistert.de 26. September 2022

Fotos: Andreas Schmidt ©

Wie Moses, vom Heiligen Berge hinab, in Stein gemeißelt, proklamiere ich, My Lords, Ladies and Gentlemen, folgende 10 Gebote für den Besuch in der Elbphilharmonie, die die Direktion zu instituieren nicht wagt, ja, aus kulturpolitischen, wie schlicht politischen, nicht kann und darf.

von Harald Nicolas Stazol

Niemand würde an Kleidung und Verhalten vor, während und nach einem Konzert und den weiteren No-Gos in der Elphi Anstoß nehmen.

Ich bin dieser Niemand.

Hier also die goldenen Regeln für eines der schönsten – und teuersten – Konzerthäuser der Welt, so wie ICH sie sehe, ja, geradezu proklamiere:

  1. Wie gut Dir auch irgendetwas gefällt, bitte klatsche nicht zwischen den Sätzen, der Komponist hat es nicht gewollt, das Orchester, völlig aus dem Flow gebracht, will es nicht, die Dirigenten versuchen, es durch sofortige Überleitung zu verbieten. Wenn JENER die Arme links und rechts herabsinken lässt, DANN darfst Du klatschen!
  2. ZIEH DICH BITTE ORDENTLICH AN! Es muss ja nicht gleich ein Konzertfrack mit weißer Fliege und gestärktem Hemd sein, aber bitte: Keine Shorts, keine Sandalen mit kurzen, weißen Socken, und keine kurzärmeligen Hemden. Das haben die Künstler nicht verdient – und ja, ICH habe es nicht verdient: Eleganz legt bei denen, die auf der Bühne sind, ungemein Ehre ein!
  3. Lass Kinder unter sechs Jahren bitte, bitte zuhause. Besser vielleicht sogar erst ab zehn Jahren? Hauptsache, sie benehmen sich. Neulich hat ein Kleinstkind während Messiaen, es spielt das beste Orchester der Welt, die Wiener Philharmoniker unter dem genialen Esa-Pekka Salonen, geweint…wenn es für ein, zwei Konzertkarten reicht, sollte auch ein Babysitter möglich sein?
  4. Eben, wenn es für die Karten reicht, sollten doch die 2 Euro für die Garderobe drin sein? Die nassen Fjäll Räven Jacken über die Brüstung zu hängen, beleidigt jegliche Ästhetik – solche Schlampereien haben die Erbauer Herzog & de Meuron wirklich nicht gewollt, zu schweigen vom Dirigenten, den Solisten und den Orchestern. Welchen Eindruck das wohl macht bei unseren internationalen Gästen?
  5. Auch das kleinste Rascheln, selbst das Aufdröseln eines Hustenbonbons, stört empfindlich. Wer hustet, sollte ohnehin besser daheim bleiben. Auf jeden Fall aber vom ganzen Team von klassik-begeistert.de: Gute Besserung!

6.a
Guck Dir, bevor die Reise gebucht ist – aber auch Ihr Hanseaten, von Bucerius Law School bis Zalando Prokurist – DAS PROGRAMM VORHER AN!!! Es hilft weder, die Pathétique nicht zu kennen (und zu erwarten), oder die 50 oft harten Minuten des Elgar Violinkonzertes, außer in der Aufnahme von 1934, Elgar am Pult, der 14-jährige Yehudi Menuhin an der Geige.

6.b
Es stört, und ist ungemein unhöflich, selbst wenn Messiaen gespielt wird, das Konzert während der Aufführung zu verlassen.

  1. Halte all die Gegenstände, von Handtasche bis Programmheft, sicher in Deinen Händen. Neulich brach Theodor Currentzis den Pianissimo-Anfang der 6. von Tschaikovsky ab, weil eines der Heftchen zu Boden fiel – durchaus verständlich, und er hatte Recht!
  2. Üb immer Treu und Höflichkeit! Das Personal, meist Studenten oder Rentner, haben das verdient!? „Kill them with kindness“ sagen die Engländer dazu – und auch ein Euro Trinkgeld für die hart Arbeitenden an der Bar sollte nicht schaden,
  3. Hüte Dich vorm Verlassen der Veranstaltung vor der Zugabe. Sonst geht Dir echt was durch die Lappen.
  4. Halte dich an diese Gebote, und Elphyne, die Muse der Elbphilharmonie,wird Dir auf EWIG gewogen sein – und ich werde lächeln.

Harald Nicolas Stazol, 26. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Wiener Philharmoniker, Esa-Pekka Salonen Elbphilharmonie, Hamburg, 5. September 2022

Elbphilharmonie Hamburg, Die Jacken der Spacken klassik-begeistert.de, 16. Januar 2022

4 Gedanken zu „10 Gebote für den Besuch in der Elphi
klassik-begeistert.de 26. September 2022“

  1. Entschuldigen Sie, aber da muss ich scharf widersprechen.
    Beiträge wie dieser sind der Grund dafür, warum Klassik im öffentlichen und sozialen Leben heutzutage kaum mehr ernst genommen wird, sondern als „piefig“, „altbacken“ oder sogar „tot“ bezeichnet wird. Solche Regelhandwerke fördern nur diese Assoziationen vom „Club der alten, weißen Männer“ und „gehobener“ (oft synonym mit „abgehoben“ verwendet) Selbstdarstellung. Da fühlt sich doch jeder Jugendliche (zurecht) verprellt.

    Respekt gegenüber Orchester und Gästen zu fordern ist das eine und das unterstütze ich auch. Aber Verhalten-, Dressscodes und übertriebene Etikette? Steht dann in Zukunft wieder der Türsteher vor’m Konzertsaal und schmeißt einen raus, wenn man kein Sakko anhat? Geht’s da noch um die Musik oder nur noch ums Hemd? Das war vor 70 Jahren schon lächerlich, als John Cage aus diesem Umstand sein 4’33” gemacht hat, um sich genau über solche Verhaltensregeln lustig zu machen. Haben wir daraus nichts gelernt? Brauchen wir immer noch solche Clowns, die der Klassik-Kultur den Spiegel vorhalten? Ich dachte, darüber wären wir langsam erhaben…

    Wenn das gang und gäbe wäre, dann würde ich konsequent auf den Philharmoniebesuch verzichten, habe ja meine Aufnahmen und einen Fernseher zuhause. Ich will genießen und nicht stressen, was andere womöglich über mich abziehen, weil die Fliege schräg hängt. Wir reden hier doch immer noch von einem kulturellen Unterhaltungsereignis. Von interaktiver und anregender Auseinandersetzung eines lebendigen Publikums mit Musik. Nicht vom Besuch beim Bundespräsidenten oder im Buckingham Palace!

    Und zum Thema Respekt: Das gilt auch umgekehrt. So, wie Sie (zurecht) Respekt vom Publikum gegenüber den Künstlern fordern, erwarte ich auch Respekt mir, meiner Zeit, meiner Leidenschaft und dem Geld gegenüber, das ich in dieses Ereignis investiere. Wenn ich aber bei Aufführungen oder (Neu)kompositionen erleben muss, wie diese an Unfug, Dilettantismus, kulturellen Vandalismus oder Unwillen, Respektlosigkeit, Ignoranz oder Selbstherrlichkeit grenzen – egal ob von Seiten eines Orchesters oder eines Komponisten -, dann fühle ich mich als Gast und Komponist um meine Zeit, mein Geld und meine Leidenschaft betrogen! Wieso um alles in der Welt sollte ich das dann auch noch bis zum Ende durchstehen müssen und nicht den Saal verlassen?

    Die klassische Kulturszene kann sich nicht mehr erlauben, ihr Publikum vor den Kopf zu stoßen oder zu erziehen, wenn sie das Konzert auch zuhause auf CD oder als Liveaufzeichnung erleben können oder die Alternativen in Form Popmusik und -kultur bereits jetzt so viele in ihren Bann ziehen. Es ist nicht mehr 1890. Was unsere Technik und die Pop-Formen von Musik (trotz eindeutiger Qualitätsmakel im Vergleich zum klassischen Konzertbesuch) an Freiheit, Selbstbestimmung und Ausdrucksmöglichkeiten darstellen – davon könnten wir in unseren Philharmoniekonzerten und Opern noch einiges lernen.
    Darum habe ich für solche „Verhaltensregeln“ kein Verständnis.

    Daniel Janz

  2. Vielen Dank für diesen Leitfaden, den die Elbphilharmonie eingerahmt an die Saaltüren hängen sollte. Ergänzend zu 5: auch das leiseste Flüstern stört den Musikgenuss erheblich (leider bleibt es häufig nicht beim Flüstern). Schweigen und Genießen sollte das Motto sein.

  3. Lieber Herr Janz,
    meiner Erfahrung nach sind es in der Regel nicht die Jüngeren, die unangemessen gekleidet in die Oper kommen, sondern recht häufig die >60 Jährigen, die offenbar zwischen Campingplatz und Opernhaus keinen Unterschied mehr sehen. Außerdem grenzt es an Unhöflichkeit den Nachbarn gegenüber, wenn Mäntel, Jacken, zumal noch vom Regen feuchte, mit in die Reihen genommen und ggf. über eine leere Lehne gehängt werden. Ich würde die 10er Liste noch um einen Punkt ergänzen, „bitte unterlasse beim Beifall das Pfeifen, Kreischen oder lautes Johlen, es schädigt ggf. das Trommelfell des Nachbarn“.
    Ihr Ralf Wegner

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