Foto: www.camerata-duesseldorf.de
Camerata Louis Spohr
Städtischer Musikverein zu Düsseldorf E.V.
Junger Kammerchor Düsseldorf E.V.
Bernd Peter Fugelsang, Dirigent
John Williams – Große Suite aus den Filmen der Star Wars-Episoden IV – VI, I und VII
Gustav Holst – die Planeten op. 32, Orchestersuite nach astrologisch-kosmologischer Natur
Tonhalle Düsseldorf, 15. Oktober 2022
von Daniel Janz
Nun also war es endlich so weit: Mit John Williams und Gustav Holst im Gepäck lud die Camerata Louis Spohr diesen Samstag ein. Dabei präsentierte das „Viel-Harmonische Orchester“ nicht weniger als 2 stellare Epen – erst Musik zu einigen der Weltraumklassiker von George Lucas und anschließend das grandioseste Werk, das Gustav Holst je komponierte. Passendes Programm für die Tonhalle Düsseldorf, die selbst ursprünglich als Sternwarte in die Ferne hinausblickte. Alles Zutaten, um ein Konzert von galaktischen Ausmaßen aufzubauen. Eigentlich! Aber neben Blicken in die unendlichen Weiten offenbarte dieser Abend dann doch noch Luft nach oben.
Dabei legte die Camerata einen regelrecht furiosen Einstieg hin. Denn dessen Chefdirigenten – Bernd Peter Fugelsang – drängt das Orchester mit den Klängen aus „The Imperial March“ auf die Bühne. Wuchtig donnernde Töne mit dem Motiv, das ab „Das Imperium schlägt zurück“ als musikalische Personifizierung von Darth Vader bekannt ist. Dass Fugelsang mit jenem Bösewicht nicht viel gemeinsam hat, stellt er aber schnell klar, als er erklärt, dass sein Orchester auch gut ohne Dirigent klarkäme. Und dennoch: Mit ihm ist es umso schöner, wie er im Anschluss demonstriert, als er das eigentliche Hauptthema von Star Wars dirigiert und es mit Inbrunst prägt.
Auf diesen Einstieg voller Elan folgt dann royale Zurückhaltung mit dem Leitmotiv von „Prinzessin Leia“. John Williams untermalte diese Figur mit einem in sich ruhenden Thema aus Flöte und Horn, das dennoch zu Größe fähig ist, da es sich im Orchester bis zum Vollen entfaltet. Die Sieges-Parade der Ewoks aus „Die Rückkehr der Jediritter“ mag im Anschluss eine ungewöhnliche Wahl sein, kann aber durch ihr rhythmisches Moment überzeugen. Beide Parts hätten durchaus Charme – wären da nicht Unsauberkeiten, die immer wieder aus der Reihe der Hörner hervortreten. Besonders Leias Thema leidet darunter und offenbart Verbesserungspotenzial.
Beim „Duel of the Fates“ aus „Episode 1“ lenkt Fugelsang dann ein und erklärt, dass er hierfür eigentlich einen Chor bräuchte, der aber erst im zweiten Teil des Konzerts kommt. Zwar nutzt er diesen Hinweis, um das Publikum einmal aktiv in die Musik miteinzubinden. Dem Rezensenten erscheint dies aber als eine gleich doppelt vertane Chance. Denn: Wenn man doch sowieso einen Chor vor Ort hat, wieso nutzt man ihn dann nicht mehrfach? Dieser Musik geht ohne den Gesang jedenfalls ein immenser Teil Dramatik verloren. Eine echte Enttäuschung, immerhin zeigt die Camerata, dass sie den Orchesterparts durchaus gewachsen ist. Das hätte so gut sein können!
Schlimmer aber ist, dass Fugelsangs Hinweis leider die Überraschung zunichte macht, die der Chor bei Gustav Holsts völlig unterrepräsentierten Planeten hätte erzeugen können. Und die Schwächen enden nicht bei dieser Unachtsamkeit. Denn die nachfolgenden Musiktitel – alle aus „Episode 7 – das Erwachen der Macht“ – reichen kompositorisch nicht an die Musikepen der ersten 6 Star Wars-Filme heran. Zwar handelt es sich immer noch um denselben Komponisten. Und zugegeben: Episode 7 ist noch der mit Abstand beste Film einer desaströsen Trilogie, die selbst im Giftschrank noch zu gut aufbewahrt ist.
Aber selbst filmisches Mittelmaß schlägt sich in der Qualität von Musik nieder, auch wenn man das nicht alles den Musikern vorwerfen kann. Das Problem liegt in den Kompositionen selbst: Das Thema der Resistance ist beispielsweise als Marsch konzipiert, bietet aber kaum Momente, die in Erinnerung bleiben. Reys Thema dümpelt vor sich hin und verliert durch erneute Horn-Kiekser viel Charme. Das „X-Wing-Rondo“ bietet viel Furioses, präsentiert aber kaum neue Ideen außer dem Star Wars-Thema. Selbst der Schlusstrack des Films bietet zwar ständig Bewegung. Aber die Motive verlieren sich in Bedeutungslosigkeit – ganz so, wie es auch die Charaktere in diesen vermurksten letzten 3 Filmen taten.
Man kann mutmaßen, dass diese Abfolge im Konzert konzeptionell gewollt ist. Denn die Aneinanderreihung der Titel scheint an die zweite Hälfte angelehnt zu sein; bei Gustav Holst findet sich eine ähnliche Reihenfolge der Stimmungswechsel. Doch das hilft alles nichts, wenn die Musik selbst nicht überzeugt. Insgesamt sind das hier jedenfalls 4 Parts, die man sich besser gespart oder durch die weitaus beeindruckenderen Tracks der ersten 6 Star Wars-Filme ersetzt hätte.
Unterstützt wird dieser Eindruck auch davon, dass das Orchester stellenweise zu leise klingt. Das mag ebenfalls an den Titeln selbst liegen. Da dieser Umstand dem Rezensenten aber schon bei vergangenen Aufführungen in der Tonhalle aufgefallen ist, stellt dieser Raum akustisch vielleicht generell besondere Anforderungen an ein Orchester? Das würde jedenfalls erklären, warum „Star Wars“ diesmal nicht so zündet, wie erwartet und stattdessen noch Entwicklungspotenzial offenbart.
Dazu zeigt sich Fugelsang heute von seiner erklärenden Seite. Nach nahezu jedem Star Wars-Part drängt es ihn zur Anmoderation des folgenden Teils ans Mikrofon. Das bringt zwar nützlichen Kontext, erweist sich auf lange Sicht aber als Problem. Denn die dadurch entstehenden Pausen reißen einen als Zuhörer aus dem Musikfluss – ein Gefühl, in die musikalische Welt hineingesogen zu werden, entsteht nicht.
Besonders bei der nachfolgenden Orchestersuite von Gustav Holst erweist sich das als Nachteil. Denn hier ist das Publikum inzwischen gewohnt, nach jedem noch so kleinen Exzerpt zu applaudieren. Folge: Selbst dort, wo Fugelsangs Körpersprache eindeutig klarmacht, dass er nun keinen Applaus wünscht, wird munter drauf losgeklatscht. Erst nach Uranus – dem vorletzten Satz – hat das Publikum endlich verstanden, dass man bei sinfonischen Werken bis zum Ende wartet. Ein Umstand, der selbst Fugelsang zu wundern scheint, als er sich irritiert umdreht, weil das inzwischen als unschöner Running Gag erwartete Klatschen diesmal ausbleibt.
Immerhin aber überzeugt der zweite Teil nicht nur musikalisch, sondern begeistert sogar. Der brachiale Einstieg mit „Mars – Bringer des Kriegs“ klingt beispielsweise wieder so durchschlagend, wie der „Imperial March“ zu Beginn. Bemerkenswert sind die Soli des Euphoniums, die klar und strahlend hervortreten. Auch das Schlagwerk donnert richtig drauf los und vom Blech kommt diesmal saubere Klanggewalt. Einzig die Orgel wirkt etwas schwach registriert und hätte noch kräftiger durchschlagen können. Ansonsten bietet die Camerata diesen Satz aber beeindruckend dar.
Venus und Merkur erscheinen verglichen dazu etwas seicht, was aber in der Musik begründet liegt. Die sanften Klänge der Venus bringt die Camerata unter Fugelsang jedenfalls sehr reflektiert dar. Zum verträumten Spiel von Harfen und Flöten stößt die Celesta dazu, die mit ihrem kristallenen Klang zum Träumen einlädt. Schade nur, dass auch hier das Hornsolo der Venus wieder etwas unsauber erklingt. Im Gegensatz zur ersten Hälfte halten sich die Kiekser diesmal aber in Grenzen.
Jupiter gerät dann zu einem wahren Höhepunkt. Im Gegensatz zum Mars fühlt man sich hier nicht erschlagen, sondern in einen Rausch mitgerissen. Hier zeigte nicht nur Holst, was er kompositorisch alles zu bieten hatte. Auch die Camerata geht in die Vollen. Es tanzt und saust durch alle Instrumente, die Holzbläser flimmern, die Streicher glänzen, das Schlagzeug prescht drauf los und das Blech geht in die Vollen, wie man es zu einem echten Fest erwartet. Dies ist auch einer der wenigen Momente, in denen man dem Publikum das Klatschen zwischen den Sätzen verzeihen kann. Denn spätestens hier ist hat Orchester zur Höchstleistung gefunden.
Davon angestachelt gelingen auch Saturn und Uranus. Mit Klang bis in ungeahnt tiefe Register beeindrucken hier vor allem die Sonderinstrumente – Altflöte und Bassoboe können mit ihrem mal warmen, mal trostvollen Klang besänftigen, bevor beim Saturn dann das ganze Orchester in mächtiger Gegenwärtigkeit von Glockenschlägen und schweren Blechbläserakkorden angetrieben losdröhnt. Im Uranus herrschen stattdessen dann beschwingte Rhythmik und archaische Klänge vor. Man spürt als Zuhörer richtig, wie alle Beteiligten Spaß an der Sache haben.
Mit Neptun enden sowohl Suite als auch Konzert. Hier kommen neben magischen Klängen von emporsteigenden Streichern, Harfen und Celesta auch endlich die (im ersten Teil schmerzlich vermissten) Sängerinnen der Frauenchöre zum Einsatz. Mit ihrem kurzen aber sirenengleichen Gesang führen sie das Publikum zum Abschluss noch einmal in andere Sphären und tragen somit zu einem Ende voller Einklang bei. Hierfür gibt es dann auch verdienten Applaus, zu dem sich viele aus dem Publikum sogar erheben und den Künstlern verdient Dank spendieren. Besonders im zweiten Teil konnten sie demonstrieren, dass dies hier eben mehr ist, als nur ein reines Stiftungsorchester. Und auch, wenn der erste Teil des Abends etwas zu wünschen übrig ließ, hat dies insgesamt doch Lust auf mehr gemacht. In dem Sinne kann man sich bereits auf das nächste Sinfoniekonzert, dann im Jahr 2023, freuen.
Daniel Janz, 17. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Ein Porträt über die Camerata Louis Spohr klassik-begeistert.de
Hallo zusammen,
dieser Rezension kann ich leider gar nicht zustimmen! Warum? Nun, hier gibt es offensichtlich fachliche Lücken beim Autor, beispielsweise ist das Duel of the Fates vom Komponisten selbst instrumental gesetzt in der Partitur als absolute Alternative zu einem gemischten Chor… und der Chor für die Planeten ist „nur“ ein Frauenchor – also Äpfel mit Birnen verglichen. „Kieksen“ tut übrigens fast JEDES Horn – aber das dem Orchester und der Instrumentalisten so dargestellt anzukreiden ist unkollegial und unfair. Ich glaube, der Autor hat einen schlechten Tag und Abend gehabt, denn was kaum erwähnt wurde, ist die Tatsache, dass das Publikum total Freude am Konzert hatte: an der Gestaltung, am Ablauf, an der souveränen Moderation und vor allem an der brillant gespielten und lebendig aufgeführten Musik. Es gab viel Klang, Spielfreude, tolle musikalische Erlebnisse, ein echtes Weltraumabenteuer – nicht mehr und nicht weniger. Wenn dem Autor Star Wars 7 nicht gefällt, dann ist das seine Sache – aber dem Publikum hat es sehr gefallen! Auf zu den nächsten Abenteuern mit der Camerata!!!
Bernd Fugelsang
Dirigent & Intendant der CLS
Der Darstellung von Herrn Fugelsang könnte man folgen und ich hätte es ursprünglich auch getan… wäre bei dem Konzert nicht der Städtische Musikverein zu Düsseldorf E.V. als Mitwirkender (nicht als Förderer) angeführt gewesen. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, als ich bei der Recherche zu dieser Rezension in Erfahrung gebracht habe, dass es sich dabei um einen gemischten Chor und keinen reinen Frauenchor handelt. Was also ist hier passiert? Wurde nur der halbe Chor angefragt? Stimmen das Programmheft und die Website nicht? Liefen da im Hintergrund Dinge, die nicht mitgeteilt wurden?
Wenn das eine bewusste Entscheidung für die chorlose Version war, dann gut – verstehen muss man das nicht. Das Argument jedenfalls, dass kein gemischter Chor zur Verfügung gestanden haben soll, leuchtet mir bei der Informationslage nicht mehr ein.
Was die Einzelleistungen und entsprechende Unsauberkeiten angeht: Natürlich macht das kein Musiker absichtlich. Und doch beeinflussen die das Klangerlebnis und den Genuss. Aus der sachlichen Feststellung, dass das passiert ist, jetzt einen Vorwurf stricken zu wollen, entspricht genauso wenig der Realität, wie Unsauberkeiten verheimlichen zu wollen. Mir scheint nach diesem Schriftwechsel eher, dass den schlechten Tag jemand anderes gehabt haben muss.
Zu guter Letzt: Es ist kein Geheimnis, dass ich die letzten 3 Star Wars-Filme als missraten betrachte. Hier geht es aber um die Musik. Vielleicht hilft ja ein illustrativer Vergleich:
Die Musiken zu den Themen von Prinzessin Leia und Rey sind von der Stimmung her vergleichbar. Wenn man sich deren Verlauf betrachtet, muss man aber feststellen, dass das Thema von Prinzessin Leia sinfonischer und abwechslungsreicher gestaltet ist. Ihr zunächst solistisch beginnende und klar umrissene Thema erlebt durch seine Fortführung in anderen Orchestergruppen einige Wandel bis hin zu einem dramaturgischen Ausbruch mit Becken und starkem Blech.
Im Vergleich dazu beschränkt sich Reys Thema auf eine durchgängige Stimmung. Es sticht auch nicht so klar aus der Komposition hervor, wie bei Leia. Es wirkt zwar leicht und gelassen, aber es fehlen sowohl der harmonische Reichtum als auch der Wandel wie bei Prinzessin Leia. Wir erleben hier also nicht nur eine abgespecktere Instrumentation, sondern auch keine Dramaturgie. Dadurch wirkt Reys Thema fad im Vergleich und rechtfertigt in meinen Augen das Urteil, weniger beeindruckend zu sein.
Zu guter Letzt ist es noch ein Unterschied, ob ein Publikum aus Höflichkeit oder aus Begeisterung klatscht. Manche Titel haben an diesem Abend mehr gezündet, manche weniger. Und manche (Duel of the Fates) haben zwar gezündet, hätten aber sogar noch imposanter sein können.
Eine Rezension ist dazu da, um all dies aufzuzeigen und um Gründe zu finde , warum es so gewesen sein könnte. Dabei helfen auch Vergleiche zu anderen Aufführungen. Warum all das fürchten? Das heißt doch nicht, dass das Konzert schlecht war oder ähnliches. Im Gegenteil, die Camerata hat in Gesamtheit ja eine gute Leistung demonstriert und das dürfte in der Kritik auch mehr als deutlich werden. Die Vorstellung hat lediglich erkennen lassen, dass da noch mehr Potenzial ist.
Wenn man wohl was von diesem Konzert mitnehmen und darauf aufbauen möchte, dann, dass die Camerata sich zu Großem berufen fühlt – das wurde ja schon durch die politische Aufmerksamkeit an dem Abend (nicht bei jedem Konzert spricht die Bürgermeisterin von Düsseldorf vor), das aufwändige Marketing und auch unseren Kontakt im Vorfeld klar. Und wer Großes vollbringen möchte, muss sich auch mit den Großen messen lassen. Dieser Abend hat ja gezeigt – unter entsprechenden Umständen kann die Camerata solche Erwartungen durchaus erfüllen. Wovor also Angst haben? Es scheint mir alles nur eine Frage von Details zu sein, die sich ja verändern lassen.
Daniel Janz