Die Camerata Louis Spohr: Wie aus einem Ensemble eine kulturelle Instanz wurde

Ein Porträt über die Camerata Louis Spohr  klassik-begeistert.de

Foto: Gründer Bernd Peter Fugelsang © www.camerata-duesseldorf.de

von Daniel Janz

Will ein Orchester bestehen, muss es begeistern und mitreißen. Denn mit Mozart, Haydn und Beethoven lässt sich (besonders in Coronazeiten) nur schwer noch neues Publikum generieren. Es braucht die ganz Großen, die Bombasten unter den Komponisten: Mahler, Strauss, Strawinsky, Schostakowitsch… die Popstars und Publikumsmagneten der Klassik! Und gleichzeitig diejenigen, die so herausfordernd komponiert haben, dass sie selbst für gestandene Berufsorchester stets eine Herausforderung darstellen. Nicht nur setzt ihre Musik höchstes Können voraus. Auch die Wahl und Anzahl der Instrumente stellt bisweilen seltene bis einzigartige Ausmaße dar. Wohl auch deshalb wird man diese kaum im Programm von nicht-Berufsorchestern finden. Mit wenigen Ausnahmen, von denen heute eine betrachtet werden soll: Die Camerata Louis Spohr, deren Gründer und Chefdirigent Bernd Peter Fugelsang klassik-begeistert Rede und Antwort stand.

Camerata – das bedeutet nach seinen Worten vor allem Kameradschaft. Offiziell neugegründet vor 11 Jahren gehen die Wurzeln dieses Orchesters bereits über 30 Jahre zurück. Damals noch als Studienverbund von Fugelsang und seinen Kommilitonen gestartet und zum Oratorienorchester weiterentwickelt, erreicht dieses Projekt in der Zwischenzeit Ausmaße, die manche mittelgroße Berufsorchester neidisch machen dürften. Bezogen auf die Kompositionen der Spätromantik bedeutet dies: Tenortuba/Euphonium, Heckelphon, Bassoboe, Flügelhorn, Alt- und Bassflöte, Celesta, Orgel… Alles kein Problem, wenn man Fugelsang glauben darf. Selbst diese in Monumentalkompositionen der übergroßen Meister auftauchenden Instrumente – woanders meistens mit Anstellung von Gastmusikern verbunden – stemmt die Camerata.

Möglich macht dies eine hervorragende Vernetzung dieses freien Sinfonieorchesters mit anderen Orchestern in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus. Fugelsang – der seine Karriere selbst als Solo-Oboist startete und erst mit der Zeit seine professionellen Dirigierstudien umsetzte, kann in dieser Hinsicht als treibender Motor bezeichnet werden. In der Vielschichtigkeit, die sein Orchester erreicht, zeigt sich die große Stärke der schon seit Jahrzehnten bestehenden Kontakte. Die Folge: Die Camerata muss sich eben nicht nur auf die klassischen Meister beschränkten und bei Haydn, Mozart und Bach verweilen. Mahler? Strauss? Bruckner? Strawinsky? Alles schon gehabt. In nur wenigen Tagen – am 15.10.2022 – gibt es das nächste Monumentalprojekt: Es geht „zu den Sternen“ mit Musik von John Williams und „Die Planeten“ von Gustav Holst, eine ohnehin in Deutschland viel zu selten gespielte Großkomposition.

Foto: www.camerata-duesseldorf.de

Das alles bedeutet natürlich auch einen finanziellen Aufwand, den nur die größten Orchester stemmen können. In der Tat gesteht Fugelsang ein: Ohne eine gezielte Förderung und Spenden in Ergänzung zu den Konzerterlösen stünde das Projekt vor dem Aus. Das ist wohl auch der größte Nachteil an einem nicht-subventionierten Orchester. Es muss gespielt werden, was sich verkauft – Experimente sind nur im Rahmen dessen möglich, was gefällt. Neukompositionen? Uraufführungen? Das wird es mit der Camerata wohl erst in einigen Jahren geben können. Alleine für die Proben bleibt oft nicht mehr als eine Woche Zeit.

Vor diesem Hintergrund spricht es für eine große Qualität dieses Orchesters, dass die Aufführungen nicht nur stets gelingen. Sie gelingen auch auf einem Niveau, das – wenn man den bisherigen Rezensionen glauben darf – herausragt. Nicht umsonst ist das „Viel-harmonische Orchester“ inzwischen Träger der Norbert-Burgmüller-Plakette. Damit steht die Camerata Louis Spohr nicht nur in der Tradition des gleichnamigen (und damals international berühmten) Violinisten, sondern auch im Andenken eines jungen Komponisten, der selber nur 26 Jahre alt wurde. Hier vereinen sich Klasse und Tradition, Können und Talent.

Dass diese besondere Verbindung sich auch auf Orchesterebene widerspiegelt, ist vor allem ein Verdienst von Fugelsang selbst. So kann man ihn ebenfalls als ein solch verbindendes Element bezeichnen, begann er doch seine Musiker-Karriere zunächst an der Oboe und in kleineren Ensembles. Schnell wurde sein Können dabei offenbar. Eine Festanstellung im Musikkorps der Bundeswehr – seinen Worten nach das qualitativ höchstwertigste Bundeswehr-Orchester – folgte. Und dies parallel zu seinem Dirigentenstudium, das er in Maastricht absolvierte. Festanstellung, Solo-Auftritte, die Leitung eines eigenen Orchesters und ein erfolgreiches Studium – alles gleichzeitig. Einen solchen Lebenslauf muss man ihm erst einmal nachmachen.

Es verwundert deshalb nicht, dass sich diese Qualitäten auf sein Orchester übertragen. Ursprünglich – so berichtet Fugelsang – wurde es in der Absicht zusammengeführt, ein Oratorienorchester zu gründen. Aber schon bald entwickelte es sich darüber hinaus zu viel mehr. Zu den Oratorien, Messen und Sakralwerken von Mozart, Bruckner und Bach stießen bald Solokonzerte von Beethoven, Bruch und Grieg. Bald darauf auch Sinfonien von Mendelssohn-Bartholdy, Schubert, Bruckner sowie Tschaikowsky. Und inzwischen gehören sogar Mahler (1. und 3. Sinfonie), Richard Strauss (Vier letzte Lieder), Strawinsky (Feuervogel) und ein breites Programm an Filmmusiken mit zum Repertoire.

Aber nicht nur fachlich kann dieses Ensemble inzwischen beeindrucken. Die andere Ebene ist das Menschliche. Und hier ist es Fugelsang in seinem Großprojekt gelungen, eine einzigartige Gemeinschaft von Berufsmusikern quer durch die Region zu schaffen, die ihren Hauptsitz in Düsseldorf gefunden haben. Dass diese stets mit Motivation und Engagement mit dabei sind – das glaubt man ihm schnell, wenn man seinen Worten lauscht. Klassik-begeistert gegenüber berichtet er sogar, sich dadurch einen Lebenstraum erfüllt zu haben. Eine hohe Messlatte, die er aber eben nicht nur mit Worten, sondern auch einem gekonnten Dirigat zu füllen weiß.

In diesem Sinne ist seine Camerata als eine Alternative zu teuren Gastorchestern oder den subventionierten Rundfunkorchestern vor Ort wärmstens zu empfehlen. Wer dem Orchester also nach dieser Kurzvorstellung einmal eine Chance geben und es live hören möchte, der kann dies am Samstag den 15. Oktober in der Tonhalle Düsseldorf tun. Gespielt werden unter dem Programm „Zu den Sternen“ eine große Star Wars-Suite von John Williams zu Ehren seines 90. Geburtstags und Gustav Holst „Die Planeten“. Vielleicht sieht man sich ja dort.

Daniel Janz, 11. Oktober 2022
für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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