Caesar und Kleopatra hätten sicher nicht gedacht, viele Jahrhunderte nach ihrem Tod so erfrischend lebendig auf der Opernbühne zu erscheinen.
Blu-ray Rezension:
George Frederic Handel
Giulio Cesare in Egitto
Concentus Musicus Wien
Ivor Bolton Dirigent
Keith Warner Regie
Unitel 807804
von Peter Sommeregger
Selbst in Zeiten, in denen kaum Opern aus der Barockzeit aufgeführt wurden, gab es eine große Ausnahme: Werke des aus Halle gebürtigen Komponisten, der einen großen Teil seines Lebens in England verbracht hatte, tauchten immer wieder im Repertoire vieler Opernhäuser auf. „Julius Caesar in Ägypten“ konnte man immer wieder erleben, geht die Handlung doch auf biographische Motive von Caesar und Kleopatra zurück, wobei in diesem Fall das wirkliche Leben noch erheblich verworrener ablief, als die Handlung dieser Oper.
Für die hier als Aufzeichnung zu erlebende Produktion im Theater an der Wien von 2021 versetzt der Regisseur Keith Warner die Handlung in einen etwas antiquierten Kinosaal, die Hauptpersonen erscheinen auf dessen Leinwand als Film-Stills in großem Kostüm der Zeit, parallel sind sie aber auch in wechselnden Kostümen in Echtzeit zu sehen. Das kriegerische Element der Handlung wird durch Military-Look der Kostüme verdeutlicht. Das ist alles nicht unbedingt konsequent durchgehalten, ermöglicht aber immer wieder optische Überraschungen und Wendungen. Die gute Personenführung versöhnt mit szenischen Ungereimtheiten und es sind vor allem die starken Persönlichkeiten der Sänger, die Glaubwürdigkeit und Spannung erzeugen.
In der Titelrolle des römischen Feldherrn zieht Bejun Mehta alle Register seines Countertenors, der neben sicherer Höhe auch die mittlere Lage der Partie gut abdeckt. Mehta gelingt eine souveräne Gestaltung dieser anspruchsvollen Rolle. Sein Gegenspieler Sesto findet in Jake Arditti einen jugendlich frischen Interpreten. Seine Mutter Cornelia gibt Patricia Bardon den warmen, mütterlichen Ton, den diese Rolle verlangt. Christophe Dumaux als Tolomeo und Simon Bailey als Achilla ergänzen das Ensemble vortrefflich.
Der Joker der Aufführung ist aber ganz eindeutig die quirlige Louise Alder als Cleopatra, die in Spiel und Gesang gleichermaßen überzeugend die kapriziöse ägyptische Königin verkörpert. Da wird geflirtet, intrigiert und alle erdenklichen Register gezogen. Alder und Mehta bilden so etwas wie ein Traumpaar, man kann von ihren Arien und Duetten gar nicht genug bekommen.
Als Orchester ist der seit Nikolaus Harnoncourts Tod verwaiste Concentus Musicus Wien zu hören, der nunmehr seit Jahrzehnten die Aufführungspraxis barocker Werke auf Instrumenten der Zeit perfektioniert hat. Der britische Dirigent Ivor Bolton, selbst ein Star der Barockszene, gestaltet die dreistündige Aufführung abwechslungsreich und lässt den Spannungsbogen nicht abreißen. Caesar und Kleopatra hätten sicher nicht gedacht, viele Jahrhunderte nach ihrem Tod so erfrischend lebendig auf der Opernbühne zu erscheinen.
Peter Sommeregger, 21. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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