Mozart und Nagano, das passt so wie der HSV und der FC St. Pauli zusammen auf einer Weihnachtsfeier. Nagano sollte sich besser auf seine Granden Wagner und Strauss konzentrieren. Es gibt in Deutschland mindestens 100 Dirigenten, die Mozart besser verstehen als Nagano.
Alan Gilbert, Foto: Peter Hundert ©
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, 31. Oktober 2022
Jewgenij Kissin Klavier
Dirigent Kent Nagano
Suite aus »Pelléas et Mélisande« op. 80
Claude Debussy
La mer / Drei sinfonische Skizzen
– Pause –
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Klavier und Orchester A-Dur KV 488
+++
NDR Elbphilharmonie Orchester, 3. November 2022
Nikolaj Szeps-Znaider Violine
Dirigent Alan Gilbert
Johannes Brahms
Tragische Ouvertüre d-Moll op. 81 – GESTRICHEN
Jean Sibelius
Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47
– Pause –
Piotr I. Tschaikowsky
Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 »Pathétique«
von Andreas Schmidt
+ Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu den Elphi-Konzerten des Philharmonischen Staatsorchesters und des NDR Elbphilharmonie Orchesters in dieser Woche machen . Dass das NDR EO eine dreiviertel Stunde später anfängt, hatte einen tragischen Hintergrund: Ein Zuschauer musste in Ebene 13 notfallmedizinisch behandelt werden. Nach einer halben Stunde mussten alle Zuschauer den Saal verlassen. Es war schon davon die Rede, dass das Konzert nicht stattfinden könne. 10 Minuten später hieß es dann, es gehe weiter. Dass das Orchester dann die 14 Minuten !!!! der Tragischen Ouvertüre d-Moll op. 81 strich, quittierten zahlreiche Zuschauer mit Buh-Rufen – zu Recht. Der schmale Johannes Brahms hätte den Kohl (eh ohne Pause dann) auch nicht fettgemacht.
+ klassik-begeistert bekam eine Mail von Lara Louwien,
NDR Norddeutscher Rundfunk
Intendanz / Unternehmenskommunikation
Presse und Kommunikation
Wir zitieren: „Der Notfall, war ein fordernder Moment, organisatorisch wie emotional. Am wichtigsten ist die gute Nachricht, dass der betroffene Patient gestern Abend dank der eingeleiteten Maßnahmen erfolgreich stabilisiert und anschließend in die Klinik gebracht werden konnte. Unser Dank gilt den Rettungskräften und allen, die ihre Arbeit unterstützt haben.
Die Entscheidung, das anschließende Konzert programmlich um die 14-minütige „Ouvertüre“ von Brahms zu kürzen, wurde vom Orchestermanagement, Orchestervorstand und dem Chefdirigenten gemeinsam getroffen. Es war zuvorderst eine Entscheidung aus Pietät und Respekt gegenüber der Situation: Das Stück hätte nach einhelliger Ansicht nicht länger in diesen Abend gepasst.“
+ Jean Sibelius, Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47 – gespielt vom Ausnahmegeiger Nikolaj Szeps-Znaider (* 5. Juli 1975 in Kopenhagen). Er ist ein dänischer Geigenvirtuose und Dirigent. Er verwendete früher den Künstlernamen Nikolaj Znaider. Seine Eltern stammen aus Polen. Für seine Entwicklung maßgebend war ein Studium bei Boris Kuschnir in Wien.
Was der Däne aus seinem Instrument an Zartheit, an Leidenschaft, an Hingabe herauszauberte, war von einem anderen Stern. Die von Znaider gespielte Violine ist die „Kreisler“-Guarneri (Baujahr 1741), die Fritz Kreisler in London spielte.
Bravo, lieber Nikolaj, Sie waren der Star des Abends und sollten auch als neuer Music Director des Orchestre National de Lyon das Geigenspiel in den Mittelpunkt Ihrer Schaffenskraft stellen. Im Geigenspiel liegt Ihre wahre Begabung.
+ Das NDR Elbphilharmonie Orchester ist dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg in allen Punkten haushoch überlegen, ja, zwischen den beiden Hamburger Klangkörpern klaffen Welten: In Präzision, in Spielfreude und -kultur, in Passion und Devotion. Das liegt natürlich primär an den ganz unterschiedlichen Dirigenten. Kent Nagano wird immer minimalistischer in seinen Bewegungen, man könnte manchmal meinen, er schlafe ein auf der Bühne. Zum Konzert für Klavier und Orchester A-Dur KV 488 Wolfgang Amadeus Mozart hatte er gar keinen Bezug, schlug teilweise etwas hinterher. Der zärtlich und sehr flüssig spielende russische Pianist Jewgenij Kissin brauchte ihn eh nicht bei seinen Läufen am Steinway-Flügel. Passend zum ganzen Erscheinungsbild, dass ein PSOH-Musiker gut 2 Minuten zu spät auf der Bühne erschien.
Mozart und Nagano, das passt so wie der HSV und der FC St. Pauli zusammen auf einer Weihnachtsfeier. Nagano sollte sich besser auf seine Granden Wagner und Strauss konzentrieren. Es gibt in Deutschland mindestens 100 Dirigenten, die Mozart besser verstehen als Nagano.
Viel mehr Verve, Dirigierfreude und Präzision strahlt der New Yorker Alan Gilbert aus. Wie souverän und facettenreich er die Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 »Pathétique« von Piotr I. Tschaikowsky mit seinem Klangkörper darbot, war eine Show für sich. Natürlich dirigierte Gilbert ohne Partitur.
Feinheit wie Feuerwerk, das vermochte Gilbert kredenzen.
Andreas Schmidt, 4. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Wagner, Der fliegende Holländer Staatsoper Hamburg, 23. Oktober 2022 PREMIERE