Marc Minkowski und Laurent Pelly reisen mit Jacques Offenbach nach Peru

LA PÉRICHOLE, Opéra bouffe von Jacques Offenbach  Paris, Théâtre des Champs-Elysées, 26. November 2022

Foto: (Vlnr: Laurent Naouri, Marc Minkowski, Antoinette Dennefeld, Stanislas de Barbeyrac). Im Orchestergraben: Les Musiciens du Louvre (Foto Jean-Nico Schambourg)

Vor über zwanzig Jahren etablierte sich das Tandem Marc Minkowski / Laurent Pelly als Offenbach-Spezialisten mit den Aufführungen am TMP Châtelet in Paris von “La belle Hélène” (2000) und von “La Grande-Duchesse de Gérolstein” (2004), beide Male mit Dame Felicity Lott in der Titelrolle. Jetzt wiederholen die beiden ihren großen Erfolg von damals mit der Aufführung von “La Périchole” am Pariser Théâtre des Champs-Elysées.

LA PÉRICHOLE
Opéra bouffe von Jacques Offenbach

Marc Minkowski                     Musikalische Leitung

Laurent Pelly                             Inszenierung und Kostüme

Antoinette Dennefeld            La Périchole
Stanislas de Barbeyrac          Piquillo
Laurent Naouri                         Don Andrès de Ribeira
Rodolphe Briand                      Le Comte Miguel de Panatellas
Lionel Lhote                              Don Pedro de Hinoyosa

Les Musiciens du Louvre
Chor der Opéra National de Bordeaux”

Paris, Théâtre des Champs-Elysées, 26. November 2022

von Jean-Nico Schambourg

Marc Minkowski ist zu Recht mit seinem Orchester “Les Musiciens du Louvre” als großer Barockspezialist berühmt. Auch in Sachen Mozart spielt er in der Champions League der Operndirigenten. Weniger bekannt sind vielleicht außerhalb von Frankreich seine Verdienste um das französische Opernrepertoire des 19. Jahrhunderts. Die Dramen von Bizet, Gounod, Meyerbeer und Massenet stehen dabei in erster Reihe mit den lustigeren Werken von Jacques Offenbach.

Die jetzt vorgestellte Version von “La Périchole” von Jacques Offenbach hat Marc Minkowski vor einigen Jahren für die Edition französischer Opern des Palazzetto Bru Zane aus Venedig aufgenommen mit Orchester und Chor der jetztigen Pariser Aufführungsserie. Auch live zeigt sich Minkowski als fulminanter Unterhalter. Seine Offenbach-Interpretation ist gezeichnet von Verve, von Spritzigkeit. Beim Zwischenspiel im letzten Akt läßt er nicht nur das Orchester mitsingen, sondern regt selbst das Publikum kurz dazu an. Doch auch die poetischen Momente, wie zum Beispiel die Abschiedsbrief-Arie der Périchole, gelingen ihm perfekt.

Bei diesem Unterfangen wird er vollkommen unterstützt von seinem Orchester “Les Musiciens du Louvre”. Da die Musiker auf alten Instrumenten spielen, bekommt die Musik von Offenbach hier eine ungewohnte weiche Klangfarbe, weit weg von dem sonst oft üblichem klamaukartigem orchestralen Getöse.

 

https://www.theatrechampselysees.fr/saison-2022-2023/opera-mis-en-scene/la-perichole#!section4
Im Gegensatz zu seinen anderen Kompositionen, die teils burlesk, teils dramatisch, teils satirisch sind, hat diese Oper von Offenbach einen harten sozialen Hintergrund: eine Frau verkauft sich, um ihrer Not zu entfliehen und zu überleben. Die Oper erzählt die Geschichte der Straßensängerin “Périchole”, die ihren Geliebten Piquillo aus Hunger verlässt, um dem Vizekönig von Peru, der sie zu seiner neuen Favoritin machen will, an den Hof zu folgen. Den Magen gefüllt und dazu ziemlich beschwipst, wird sie mit dem ebenfalls total besoffenen Piquillo, der sie nicht erkennt, verheiratet, da der Vizekönig nur eine verheiratete Dame als Maitresse haben darf. Sie bleibt aber ihrem Straßensänger treu, führt den Vizekönig an der Nase herum und entflieht schließlich mit Piquillo, der zwischenzeitlich im Gefängnis gelandet war, weil er, wieder nüchtern, seine Geliebte nicht dem Vizekönig als Maitresse überlassen wollte. Wieder eingefangen erwirken sich die beiden aber schlussendlich die Gnade des Vizekönigs und alles endet im Happy-End.

Laurent Pellys Inszenierung spielt in unserer Zeit in einer Diktatur wie sie sich nicht nur in Peru befinden könnte. Seit Jahren zeigt Pelly ein gutes Gespür für die Inszenierung von komischen Musikstücken. Man spürt dabei seinen Respekt vor den Partituren, die er nicht gegen den Strich durchbürstet. Auch so bei dieser Komposition von Jacques Offenbach, wo er Bilder und Figuren erschafft, die die Komik der Partitur szenisch unterstreichen, ohne in plumpen Klamauk zu verfallen.

Szenisch wie musikalisch ist die Aufführung eine Meisterleistung eines total homogenen Ensembles, in dem jeder seine Rolle perfekt mimt und singt. Es bewährt sich dabei, dass die Sänger dabei fast ausschließlich aus dem französischen Sprachraum entstammen.

Die Titelrolle der Périchole wird von Antoinette Dennefeld als starke, moderne, intelligente Frau dargestellt. Mit ihrer punk-artigen Frisur spielt sie im ersten Akt eine junge, hungerleidende Straßensängerin, die eigentlich nur der Liebe zu ihrem Piquillo wegen das harte Leben der Straße überlebt. Die Abschiedsbrief-Arie (“O mon cher amant”) wird von ihr sehr gefühlvoll interpretiert und für die Schwips-Arie der Périchole (“Ah! Quel dîner je viens de faire”) bringt sie neben Spielwitz auch die nötige Sensibilität ein. Auch im zweiten und dritten Akt singt sie mal humorvoll (“Ah! Que les hommes sont bêtes!”), mal romantisch (“Je t’adore, brigand”), aber immer mit wunderbarer Mezzo-Stimme.

Piquillo, ihr Geliebter, wird von Stanislas de Barbeyrac gesungen, der sich immer mehr, auch an führenden Opernhäusern, bemerkbar macht. In Paris singt er mit kraftvollen Tenor einen teilweise übermütigen Straßensänger, der gegen die Diktatur des Vizekönigs aufbegehrt. Spielerisch und musikalisch ist er dabei ein kongenialer Partner von Antoinette Dennefeld. Man darf auf die weitere Entwicklung dieser beiden Sänger gespannt sein.

Der Diktator Don Andrès de Ribeira gibt bei seiner Suche nach einer neuen Maitresse zwar einen burlesken Eindruck von sich ab, strahlt aber wegen seiner sexuellen Drängerei immer Gefahr aus. Mit seiner langjährigen Bühnenerfahrung weiß Laurent Naouri diese burleske Figur szenisch und stimmlich perfekt auszuführen. Er bewegt sich mit seiner schlaksigen Figur wie eine Raubkatze über die Bühne. Sein schlank geführter Bariton ergibt dabei einen Herrscher, der trotz seines karikaturistischen Auftretens in seinen jeweiligen Verkleidungen immer gefährlich bleibt.

Rodolphe Briand und Lionel Lhote sind perfekt in ihren Rollen als Oberster Kammerherr Comte Miguel de Panatellas und Bürgermeister von Lima Don Pedro de Hinoyosa. Das gleiche gilt für die drei Kusinen (Chloé Briot, Eléonore Pancrazi, Alix Le Saux), wie auch für alle anderen Sänger und Interpreten (Eddy Letexier in den beiden Sprechrollen des alten Häftlings und des Marquis de Tarapote). Der Chor der Oper aus Bordeaux passt sich dem hohen Niveau an.

 

Die Straßensänger Piquillo (Stanislas de Barbeyrac) mit den beiden Alternativbesetzungen der Périchole (Antoinette Dennefeld und Marina Viotti) vor dem Théâtre des Champs-Elysées

Das Publikum amüsierte sich prächtig und zollte allen Beteiligten großen Applaus.

Jean-Nico Schambourg, 28. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Jules Massenet “Hérodiade” Paris, Théâtre des Champs-Elysées, 25. November 2022

Jacques Offenbach, Orpheus in der Unterwelt, Komische Oper Berlin, 7. Dezember 2021 (PREMIERE)

Jacques Offenbach, La Périchole, Salzburger Pfingstfestspiele

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert