Don Quichotte, Margaine, Deutsche Oper Berlin © Thomas Aurin
Massenet hat seinem “Don Quichotte” den Untertitel ”comédie héroïque” (heroische Komödie) verliehen. Die Inszenierung von Jakop Ahlbom an der Deutschen Oper Berlin zeigt die Träume eines Mannes, der sich nicht wiederfindet in unserer heutigen grauen Alltagswelt, die sich oberflächig lustig gibt. Don Quichotte stirbt hier nicht an gebrochenem Herzen wegen seiner unerwiderten Liebe zu Dulcinée, sondern an seinen gebrochenen Träumen.
Jules Massenet Don Quichotte
Comédie lyrique en 5 actes
Daniel Carter, Dirigent
Jakop Ahlbom, Inszenierung
Orchester und Chor der Deutschen Oper Berlin
Don Quichotte: Patrick Guetti
Sancho Pansa: Misha Kiria
Dulcinée: Maire Therese Carmack
Deutsche Oper Berlin, 7. Dezember 2022
von Jean-Nico Schambourg
Dieser Abend an der Deutschen Oper Berlin zeigt, dass auch drei Jahre nach ihrer Premiere eine Opernaufführung immer noch szenisch stimmig und interessant sein kann. Die Massenszenen, die sich im ersten und vierten Akt in einer Bar abspielen, zeugen von eingespielter Personenführung. Der Regisseur Jakop Ahlbom bevölkert diese Szenen, neben Chor und Statisten, mit Tänzern und Akrobaten. Hier scheint es, dass sich eine Gesellschaft voller junger, erfolgsgewohnter Business-Junkies amüsiert, in deren falsche, langweilige Welt der Träumer Don Quichotte mit seinem Freund Sancho Pansa hereinbricht.
Er ist verliebt in Dulcinée, hier eine Serviererin der Bar, die ihn an der Nase herumführt. Durch einen szenischen Zaubertrick verwandelt sie sich auf offener Bühne in die von Don Quichotte angehimmelte Königin. Am Ende der Oper realisiert Dulcinée, dass Don Quichotte mehr ist als nur ein Verrückter, der in sie verliebt ist, wie so viele in der Bar. Er ist, wie sie sagt, ein “fou sublime”, ein erhabener, himmlischer Verrückter (den Ausdruck kann man schwerlich ins Deutsche übersetzen). In diesen melancholischen Szenen zwängt der Regisseur die Sänger nicht in sein spektakuläres Regiekorsett, sondern lässt ihnen Raum, die Sentimentalität der unglücklichen Liebesgeschichte auszudrücken.
Musikalisch besetzt ist der Abend nicht mit internationalen Stars, sondern mit jungen Sängern, die zum großen Teil dem Ensemble der Deutschen Oper Berlin angehören. Sie präsentieren einen in sich, auch musikalisch, schlüssigen Opernabend.
Patrick Guetti lässt in der Titelrolle als Don Quichotte einen mächtigen Bass aufhorchen, mit dem er mühelos den ganzen Hörsaal füllt. Seiner Gestaltung geht allerdings stimmlich noch die Verletzlichkeit des Don Quichotte ein wenig ab. Wenn er seine Stimme bändigen muss, läuft diese Gefahr, aus ihrem Fokus zu rutschen, sowie gehört beim Gebet im dritten Akt. Dass ihm das aber gelingen kann, zeigt er in der Schlussszene der Oper, wo er mit gut gestützter Stimme den Tod des Don Quichotte gefühlvoll singt. Seine französische Aussprache ist verbesserungswürdig, was aber von allen Sängern dieses Abends verlangt werden kann und muss. Mit seiner langen und schlanken Figur, sowie seinem tölpelhaftem, naivem Auftreten, trifft er szenisch den Charakter des Ritters von der traurigen Gestalt ausgezeichnet.
Misha Kiria ist nicht der kleine, dickliche Bauer, als den Sancho Pansa oft dargestellt wird. Körperlich fülliger, ist er in Größe seinem Don Quichotte fast ebenbürtig. So erscheint es nicht unnatürlich, wenn er am Ende des vierten Aktes seinen Freund gegen alle anderen verteidigt und ihn dann zum Sterben nach Hause trägt. Stimmlich tölpelt er nicht bloß herum, sondern singt einen gutmütigen, am Schluss ergreifenden Sancho, der seinem Freund mit kraftvollem Bass-Bariton zur Seite steht.
Die Dulcinée von Maire Therese Carmack bringt von Anfang an spanisch-stimmliches Flair auf die Bühne. Ihre klangvoller Mezzosopran zeigt schon in der Eröffnungsszene, dass sie auch die Carmen von Bizet in ihrem Repertoire hat. Genau wie für die Rolle der berühmten Zigeunerin, muss die Interpretin der Dulcinée eine verführerische Seite in ihrer Stimme haben. Dies ist der Fall bei Maire Terese Carmack, die auch die melancholische Seite der Dulcinée in dem vierten Akt stimmlich umsetzen kann.
Alle anderen Sänger (Hye-Young Moon, Arianna Manganello, Andrew Dickinson, Dean Murphy) fügen sich sowohl szenisch wie auch stimmlich einwandfrei in das gute Niveau der Aufführung ein, ebenso der Chor der DOB. Das Orchester unter der Leitung von Daniel Carter ließ keine Wünsche offen.
Der Saal war zwar nur knapp über die Hälfte gefüllt, aber das anwesende, zum großen Teil junge Publikum, dankte den Interpreten mit viel Applaus und lauten Zurufen für einen homogenen Abend.
Jean-Nico Schambourg, 8. Dezember 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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