Foto: Der Freischütz © William Minke
Tuomas Katajala (Max), Alex Esposito (Kaspar), Kamera
Letztlich bleibt als Fazit, dass man sich durch diese Art von Regie berechtigten Ärger zugezogen hatte, der vor allem durch die großartigen gesanglichen Leistungen kalmiert wurde. Und orchestermäßig wäre halt auch noch viel Luft nach oben gewesen. Insgesamt verließ man das Theater mit mehr als gemischten Gefühlen – schade darum!
Musiktheater an der Wien
Museumsquartier am 24. März 2023
Carl Maria von Weber
Der Freischütz
Romantische Oper in drei Akten
Mit: Jacquelyn Wagner, Tuomas Katajala, Sofia Fomina, Alex Esposito, Levente Páll u.a.
Arnold Schoenberg Chor
Wiener Symphoniker
Patrick Lange, Dirigent
David Marton, Regie
von Herbert Hiess
Nach jahrzehntelanger Konzert-, Theater- und Opernpraxis konnte bei dieser Aufführung eine Novität festgestellt werden. Bis jetzt wurde es noch nicht erlebt, dass bei einer Reprise heftigste Buh-Rufe sowohl nach dem ersten Teil als auch nach dem Schluss erschallten.
Leider waren diese mehr als gerechtfertigt; in der gegenwärtigen Produktion von Webers Opernklassiker hatte man das Gefühl, einem Regisseur bei einer Art Selbstbefriedigung beiwohnen zu müssen. Webers „Freischütz“ steht eigentlich auf jedem Spielplan eines Opernhauses, das etwas auf sich hält und wird sogar als Einstiegsstück für junge Leute gerne gewählt. Nur, nach dieser Produktion kann man sich nicht wirklich sicher sein, dass hier viele Fans daraus entstehen werden.
Diese Oper steht eigentlich für die deutsche Romantik und ist der Inbegriff für seelenvolle Musik, die auch im Jägermilieu spielt und viele märchenhafte Elemente in sich trägt. Liebe, Segen, Erlösung und vieles mehr.
Der Regisseur David Marton hat das kunstvoll zerstört; er macht aus der Oper mehr eine kinohafte Performance, wo live gesungen wird. Das Agieren wird via Kamera auf die große Leinwand gebracht. Die ganze Handlung soll einen Traum Agathes versinnbildlichen, der eben dann auf großflächigen Bildern dargestellt wird. Man sieht dann sehr detailliert Gesichter, Handbewegungen usw. usw.; aber fast nie ein Ensemble. Personenführung wäre hier nur mehr ein Schlagwort; diese reduziert sich dann nur mehr auf Physiognomien einzelner Personen.
Und alles, was die Handlung sonst ausmacht, stellt der Regisseur voll auf den Kopf; so spielt beispielsweise die Wolfsschluchtszene in einem Wildzerlegeraum mit blutroten Bildern. Oder die berührende Finalszene mit dem Eremiten spielt per Video auf der Ringstraße, in der Opernpassage, vor einem Würstelstand… Und hinter der Bildleinwand stehen die Sänger wie bei einem Oratorium herum. Mag sein, dass sich der Regisseur was dabei gedacht hat – die Kunst wäre es gewesen, seine Gedanken schlüssig zum Publikum zu transportieren. So war das alles regiemäßig ein gewaltiger Flop, der nicht mehr als der Egotrip eines Regisseurs war.
Besser ging es da schon auf der musikalischen Seite zu. Die Sänger waren absolute Spitzenklasse; allen voran Jacquelyn Wagner als seelenvolle Agathe mit ihrem silbrig schimmernden Sopran. Sie begeisterte schon 2022 als Elsa im Salzburger „Lohengrin“ zu Ostern unter Thielemann. Eine interessante Neuentdeckung ist der heldische Tenor von Tuomas Katajala. Mit seiner durchschlagenden metallischen Stimme konnte er richtig begeistern. Und wenn er mehr auf Nuancen und dynamische Schattierungen achten würde, wäre das Glück vollkommen. Aber er ist ja noch jung genug.
Ebenso großartig die anderen Partien; hier hat das Theater an der Wien ein großartiges Ensemble auf die Bühne gebracht.
Auch gut, wenn halt nicht mehr als durchschnittlich, waren die Leistungen des Schoenberg Chores, die der Wiener Symphoniker und die vom Dirigenten. Viele Orchesterleistungen waren exzellent; vor allem das Bratschensolo bei Ännchens Arie im dritten Akt oder das Cellosolo bei Agathes Gebet im gleichen Akt. Nur hätte man sich vielleicht da und dort mehr Dynamik gewünscht. Schon am Beginn der Ouvertüre zeichnete es sich ab, dass es orchestermäßig nicht mehr als eine durchschnittliche Aufführung wird. Da hätte man da und dort an mehr Differenzierung etc. arbeiten müssen. Schade irgendwie!
Letztlich bleibt als Fazit, dass man sich durch diese Art von Regie berechtigten Ärger zugezogen hatte, der vor allem durch die großartigen gesanglichen Leistungen kalmiert wurde. Und orchestermäßig wäre halt auch noch viel Luft nach oben gewesen. Insgesamt verließ man das Theater mit mehr als gemischten Gefühlen – schade darum!
Herbert Hiess, 25. März 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Der Freischütz, Carl Maria von Weber Brixen, Hofburg, 17. Juni 2022
Carl Maria von Weber, Der Freischütz Bayerische Staatsoper Nationaltheater, 5. Juli 2021