Sommereggers Klassikwelt 182: Eduard Hanslick war der Kritikerpapst Europas

Sommereggers Klassikwelt 182: Eduard Hanslick  klassik-begeistert.de, 26. April 2023

Eduard Hanslick starb am 6. September 1904 in Baden bei Wien, sein Ehrengrab befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof. Durch seine fachliche Kompetenz ist Hanslick bis heute als einer der bedeutendsten Musikkritiker anerkannt.

von Peter Sommeregger

Der in Prag am 25. September 1825 geborene Eduard Hanslick entstammte dem gehobenen Bürgertum, seine Mutter gehörte einer wohlhabenden und prominenten jüdischen Familie an, was Hanslick später antisemitische Angriffe eintrug. Sein akademisch gebildeter Vater unterrichtete ihn und seine vier Geschwister selbst, u.a. auch im Klavierspiel.

Zunächst studierte Eduard Rechtswissenschaften, und schloss das Studium auch mit einer Promotion ab. Parallel dazu nahm er aber auch Klavier- und Kompositionsunterricht. Einige Lieder von ihm wurden später veröffentlicht. Er arbeitete nur wenige Jahre als Jurist und wandte sich bald der Musikästhetik zu. Bereits ab 1846 verfasste er Musikkritiken für die Wiener Musikzeitung, später die Wiener Zeitung, die Presse und die Neue Freie Presse.

Hanslick beklagte den Zustand des Wiener Musiklebens, das ihm zu sehr in Richtung Frankreich und Italien ausgerichtet schien. Er betrachtete die so genannte Wiener Klassik, insbesondere Mozart und Beethoven, als die Höhepunkte der musikalischen Entwicklung. Unter seinen Zeitgenossen bevorzugte er die eher konservativ orientierten. Schumann und Brahms waren in seinen Augen würdige Vertreter und Bewahrer der Tradition. Mit letzterem verband Hanslick auch eine jahrelange Freundschaft.

Eduard Hanslick offering incense to Brahms; cartoon from the Viennese journal ‚Figaro‘, 1890

Als erfolgreicher Kritiker erhielt er 1861 einen Lehrstuhl für Geschichte der Musik an der Universität Wien. Sein erfolgreiches Buch „Vom Musikalisch Schönen“ wurde als Habilitationsschrift anerkannt. Hanslick kritisierte Modeerscheinungen scharf, nahm aber intensiv am Musikleben teil. Seine kritische Haltung Richard Wagner gegenüber war  äußerst differenziert. Er besuchte die ersten Bayreuther Festspiele 1876, für den „Ring des Nibelungen“ fand er durchaus lobende Worte, hielt es aber für unwahrscheinlich, dass auch in Zukunft Musikliebhaber in diese Nordbayerische Stadt reisen würden, um Wagners Werke zu hören. Wie wir heute wissen, lag Hanslick damit falsch.

Seine Kritiken wurden auch überregional verbreitet, und er avancierte zu einer der führenden Persönlichkeiten in diesem Fach. Richard Wagner plante, ihm in seinen „Meistersingern von Nürnberg“ ein Denkmal zu setzen, und die später Beckmesser genannte Figur Hans Lick zu nennen. Hanslick polarisierte mit seinen brillant verfassten Kritiken und Artikeln häufig. Über Gustav Mahlers 1. Symphonie urteilte er „Einer von uns beiden muss verrückt sein. Ich bin es nicht.“ Das später sehr populär geworden Violin-Konzert Tschaikowskys veranlasste ihn zum Kommentar „Es gibt eine Musik, die man stinken hört“. In dem „Konkurrenzkampf“ zwischen den Komponisten Johannes Brahms und Anton Bruckner in Wien, schlug Hanslick sich eindeutig auf die Seite von Brahms, erst Bruckners 8. Symphonie nötigte ihm Respekt ab.

Neben seiner Autobiographie „Aus meinem Leben“ sind auch Sammlungen von Hanslicks Kritiken in immer neuen Auflagen erschienen. Bis heute ist die Geschliffenheit seiner Formulierungen trotz mancher Fehlurteile lesenswert.

Eduard Hanslick starb am 6. September 1904 in Baden bei Wien, sein Ehrengrab befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Durch seine fachliche Kompetenz ist Hanslick bis heute als einer der bedeutendsten Musikkritiker anerkannt.

Peter Sommeregger, 26. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt 181: Das Multitalent Giuseppe Sinopoli war ein allzu früh verglühender Komet

Sommereggers Klassikwelt 180 : Lucia Valentini Terranis kurzes, aber triumphales Leben klassik-begeistert.de, 12. April 2023

Sommereggers Klassikwelt 179: Die Biographie des Dirigenten Jascha Horenstein klassik-begeistert.de, 5. April 2023

Ein Gedanke zu „Sommereggers Klassikwelt 182: Eduard Hanslick
klassik-begeistert.de, 26. April 2023“

  1. „Durch seine fachliche Kompetenz ist Hanslick bis heute als einer der bedeutendsten Musikkritiker anerkannt.“

    Ich als bekennender Hanslick-Kritiker möchte dieses Fazit doch einigermaßen bezweifeln. Hanslick mag durch seine an Polemik grenzenden Schriften heute noch bekannt sein. Aber fachliche Kompetenz sehe ich nicht darin, einem Komponisten jegliches Können abzusprechen, nur weil dieser einem persönlichen Künstlerideal nicht entspricht (so, wie Hanslick es mit Liszt, Bruckner, Mahler und Strauss getan hat… da gibt es einen herrlichen Brief von Richard Strauss, in dem er sich dazu äußert, wie einfältig die Sichtweise doch wäre, Musik einzig auf „tönend bewegte Form“ zu reduzieren, wie Hanslick es tat) oder das „falsche“ Geschlecht hat.
    Viel eher möchte ich eine solche Arbeitsweise mit Borniertheit und Klischéedenken gleichsetzen, streng genommen müsste man Hanslick sogar Misogynie vorwerfen. Der Musikwelt hat Hanslick durch seine kruden Denk- und Argumentationsweisen jedenfalls mehr Schaden zugefügt, als ihr zu helfen. In meinen Augen war Hanslick damit sogar einer der Wegbereiter für die heutigen Verirrungen moderner Klangakrobaten, die auch nur Form über Inhalt stellen und damit regelmäßig scheitern.

    Die Irrungen und Wirrungen dieses Kritikers werden jedenfalls besonders dort deutlich, wo er bzw. seine Anhänger sich einen abbrechen, um Beethovens sechste Sinfonie zu rechtfertigen, obwohl Programmmusik in dieser Tradition grundsätzlich als „unästhetisch“ und fast schon sittenwidrig abzutun ist. Was es da für herrlich absurde Argumentationen gibt, warum die Vogelrufe, das Bachplätschern oder das Gewitter bei Beethoven dann auf einmal doch keine Lautmalerei sein sollen, ist schon ‚kreativ‘.

    Daniel Janz

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert