Foto: Carl Nielsen © Wikipedia.org
von Peter Sommeregger
Der am 9. Juni 1865 auf der Insel Fünen geborene Carl Nielsen gilt heute als der bedeutendste Komponist seiner dänischen Heimat. Als Kind armer, aber musikalischer Eltern zeigte er früh musikalisches Talent. Bereits als Kind lernte er, Geige und Klavier zu spielen, noch vor seinem zehnten Geburtstag entstanden erste, kleine Kompositionen. Als Geiger wurde er Berufsmusiker, spielte zeitweilig im Orchester des Kopenhagener Tivoli, bevor er Mitglied, und später Leiter des Royal Danish Orchestra wurde. Am Kopenhagener Opernhaus wirkte er an den dortigen Erstaufführungen von Verdis „Otello“ und „Falstaff“ mit.
Ein großzügiges Stipendium ermöglichte Nielsen 1891 ausgedehnte Studienreisen durch Europa. 1891 traf er in Leipzig den Komponisten Ferruccio Busoni, mit dem er später über dreißig Jahre einen Briefwechsel führen sollte. In Paris lernte er die Bildhauerin Anne Marie Brodersen kennen, die ebenfalls als Stipendiatin unterwegs war. Schnell wurden die beiden ein Paar und heirateten noch vor ihrer Rückkehr nach Dänemark im Mai 1891 in Florenz.
Brodersen, die ihre Kunst sehr ernst nahm, und Nielsen führten eine stürmische Ehe. Zwei Töchter und ein Sohn gingen daraus hervor, Letzterer erkrankte tragischerweise an Meningitis und wurde zum Pflegefall. Die Ehe überstand alle Stürme, zwischenzeitlich trennte sich das Paar aber mehrmals auf Zeit.
Nielsens kompliziertes und krisenreiches Privatleben fand durchaus seinen Niederschlag in den Werken des Komponisten. Er komponierte Werke zahlreicher Gattungen, von der Kammermusik bis hin zu großen Symphonien, vom Lied bis zu Kantaten für gemischten Chor. Im Jahr 1902 hatte seine große, heroische Oper „Saul und David“ in Kopenhagen ihre erfolgreiche Premiere, bei der Nielsen unter den 2. Geigen im Orchester saß. 1906 wurde seine zweite und letzte Oper „Maskarade“ uraufgeführt, sein erfolgreichstes Werk und so etwas wie die Nationaloper Dänemarks.
Bedeutend sind Nielsens insgesamt sechs Symphonien, die über einen Zeitraum von gut dreißig Jahren entstanden, und dadurch in ganz verschiedenen Lebensphasen des Komponisten entstanden. Ist die erste Symphonie noch ganz im Geiste der Spätromantik komponiert, so zeigt die zweite mit dem Untertitel „Die vier Temperamente“ bereits avantgardistische Elemente. Die dritte Symphonie von 1911 enthält ein Solo für Sopran und Tenor, allerdings ohne Text als reine Vokalise. Die vierte, „Das Unauslöschliche“, entstand während des ersten Weltkrieges. Der Komponist blieb in allen sechs Symphonien seinem sehr persönlichen Stil treu, entwickelte sich aber kontinuierlich weiter.
Stilistisch ist er schwer einzuordnen, gelegentlich erinnert seine musikalische Sprache an Gustav Mahler, ohne aber dessen Monumentalität in seinen Symphonien zu erreichen. Nielsens Instrumentation ist farben- und abwechslungsreich, als erfahrener Orchestermusiker verfügte er über eine genaue Kenntnis klanglicher Eigenheiten der einzelnen Instrumente. In seinen späten Jahren komponierte er ein Flöten- und Klarinettenkonzert, nachdem er bereits 1911 ein solches für Violine geschrieben hatte.
In seinen letzten Lebensjahren wurde Nielsen in seiner Heimat wie ein Volksheld gefeiert, er wurde mit Auszeichnungen und Orden überhäuft. Am 3. Oktober 1931 starb Carl Nielsen in Kopenhagen, 66 Jahre alt. In seiner Heimat hat er bis heute nichts von seiner Popularität verloren. Im Rest der Welt sind seine Werke nicht so häufig in den Konzertsälen zu hören, wobei zumindest seine Symphonien zum Teil aber doch immer wieder aufgeführt werden. Gerne würde man auch wieder einmal die ganz bezaubernde Oper „Maskarade“ auf einer deutschen Bühne sehen. Der größte Teil von Nielsens Werken ist in mehreren Schallplatten-Aufnahmen erhältlich, man kann sie allen Musikliebhabern nur wärmstens empfehlen.
Peter Sommeregger, 6. Juni 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Sommereggers Klassikwelt 186: Margarete Teschemacher – wer kennt noch diese wunderbare Stimme?