Für Sie und Euch in den Zeitungen gefunden
DIE DIENSTAG-PRESSE – 20. Juni 2023
Wien/Staatsoper
„Götterdämmerung in neuer Besetzung“
Götterdämmerung bei frühsommerlichem Prachtwetter: An der Staatsoper ging der erste „Ring“-Durchgang zu Ende. Nahezu alle maßgeblichen Partien waren neu besetzt, was der Aufführung zusätzliche Würze verlieh.
http://www.operinwien.at/werkverz/wagner/agoetter13.htm
Ein Klangereignis
„Götterdämmerung“: Jubelstürme für Franz Welser-Möst und das Staatsopernorchester.
WienerZeitung.at
Berlin/Konzerthaus
Stehende Ovationen beim Abschiedskonzert von Christoph Eschenbach
Christoph Eschenbach verabschiedet sich mit Schuberts „Unvollendeter“ und Mozarts „Requiem“ als Chefdirigent des Konzerthausorchesters.
Berliner Morgenpost
Christoph Eschenbachs Abschied: Am Anfang war das Hören
Flackernde Inbrunst, stete Aufmerksamkeit: Christoph Eschenbach verabschiedet sich als Chef des Berliner Konzerthausorchesters mit furchtlosem Blick auf den Tod.
FrankfurterAllgemeine.net
Konzerthaus Berlin Saison-Finale und Abschied von Christoph Eschenbach
rbb-online.de.themen
Chemnitz
Erniedrigt, beleidigt, und immer im Dienst: Alban Bergs Oper „Wozzeck“ in Chemnitz
Nach über 90 Jahren ist endlich eine Neuinszenierung des „Wozzeck“ in Chemnitz zu sehen. Ohne den mittlerweile belanglosen „Eat the rich“-Pathos, den wir überall sehen, zeichnet sie gnadenlos das Bild einer verkommenen Oberschicht, in der sich menschliche Bindungen in Dekadenz und soziale Kälte auflösen. Dabei gelingt es der Regie seitens eines betörenden Dirigats und überzeugender sängerischer Leistungen, Alban Bergs verstörendem Meisterwerk neues Leben einzuhauchen.
Von Leander Bull
Klassik-begeistert.de
Daniels vergessene Klassiker Nr. 23: Augusta Holmès – Andromède (1901)
Die Geschichte von Frauen, die im klassischen Konzertbetrieb unterdrückt werden, scheint bis heute kein Ende zu nehmen. Schon im letzten Beitrag widmete sich diese Kolumne einer Frau, die aufgrund ihres Geschlechts nur unter Pseudonym veröffentlichen konnte. Genauso ging es auch der Person hinter dem Scheinnamen „Herman Zentra“. Denn auch hinter diesem Namen versteckt sich die Biografie einer französischen Komponistin, deren Leben von Diskriminierung und Sexismus geprägt wurde. Lesen Sie also heute, warum Augusta Holmès in unsere Konzertsäle zurück gehört.
Von Daniel Janz
Klassik-begeistert.de
Dresden
Dresdner Philharmonie: Chefdirigent Janowski verabschiedet sich
sachsen.fernsehen.de
Bregenz
Bregenzer Festspiele zeigen 2026 und 2027 erstmals „La Traviata“
DerStandard.at.story
Volksoper-Premiere
Neuer Mozart-Stil? Gesucht, aber nicht gefunden
https://www.krone.at/3036992
Konstanze liebt den Bassa
Volksoper: Premiere für „Die Entführung aus dem Serail“ in einer moralisch ambitionierten Regie.
WienerZeitung.at
Mozarts „Entführung“ an der Volksoper: Kampf gegen Türken-Klischees (Bezahlartikel)
So ist Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ in der Regie von Nurkan Erpulat.
Kurier.at
Volksoper: Das Matriarchat bricht in Mozarts Serail ein (Bezahlartikel)
DiePresse.com
Wien/Musikverein
Einspringer: Singuläre Meisterschaft
Die Philharmoniker unter Philippe Jordan.
WienerZeitung
Die Hochzeit des Wolfgang Amadeus: Mozart-Brief wird versteigert
Komponist wollte mit schneller Heirat seine künftige Frau Constanze Weber vor Skandal bewahren. Christie’s erwartet bei Auktion bis zu 570.000 Euro.
Kurier.at
Wien/Musikverein
Eine Nacht im Zoo
Christian Thielemann dirigiert Mahlers Dritte.
WienerZeitung.at
Christian Thielemann sensationell mit Mahler im Musikverein
Die Sächsische Staatskapelle Dresden interpretierte die „Dritte“ licht, nuanciert und als sinnliche Feier des Lebens DerStandard.co.at.story
Baden
Das Glück der Leichtigkeit mit dem „Graf von Luxemburg“ in Baden
Stimmenfest bei der Sommerarena-Wiedereröffnung mit Franz Lehárs Operettenklassiker
DerStandard.at.story
Berlin
Wie führt man eine moderne Oper, Herr Cahn? (Podcast)
Noch leitet Aviel Cahn die Oper in Genf. Der Schweizer hat in vielen Ländern gearbeitet – aber nicht als Regisseur, sondern als Manager. Ab April 2026 wird er der neue Intendant der Deutschen Oper Berlin.
inforadio.de.rubriken
Kosten-Explosion beim Neubau der Komischen Oper
bz.berlin.de
Verona
Eine „Aida“ in Verona mit Flugzeug- und Gewitterdonner
DerStandard.at.story
Zürich
Regisseur Baumgarten erledigt Turandot in Zürich im Bienenstaat
Das Opernhaus Zürich verstört mit seiner letzten Eigenproduktion zum Saisonende. Die Regie unter Sebastian Baumgarten liefert für Puccinis Meisterwerk «Turandot» ein unausgegorenes und reichlich wirres Konzept. Seine comichafte Lesart, die in einer Art Bienenkolonie spielt, brummt nicht ansatzweise. Startenor Piotr Beczała ist leicht indisponiert, und Marc Albrecht am Pult mag es gerne laut.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/211034/
Zürich
Grossumbau am Sechseläutenplatz: Das Opernhaus soll über die Strasse an den See wachsen.
Und manch einer wünscht sich dort schlicht eine «coole Bar» (Bezahlartikel)
Die Bevölkerung konnte sich am Samstag zu den Bauplänen der Zürcher Oper äussern.
NeueZürcherZeitung.ch.
Links zu englischsprachigen Artikeln
Budapest
Wälsungenblut: Simone Schneider and Stuart Skelton shine at Budapest Wagner Days
bachtrack.com.de
Wormsley
Ariadne auf Naxos review – austere staging makes room for the riches of Strauss
TheGuardian.com.music
Leeds
Winterreise review – Keenlyside and Middleton close the Leeds Lieder Festival in style
Musicomh.com
James Newby/Joseph Middleton review
Leeds Lieder fights for its existence with a beautiful recital
musicomh.com
Leeds Lieder launches crowdfunding project after ACE withdraws funding Arts Council
England has withdrawn 100 per cent of funding to the festival, which offers a programme of performances and outreach projects for audiences in the north of England, citing a lack of ‘data collection’
classical.music.uk.
Cardiff
BBC Cardiff Singer of the World: Winner is Italian Adolfo Corrado
https://www.bbc.com/news/uk-wales-65947665
New York
A Met fan details what’s gone wrong
I’m one of the Met audience who has stopped going to their enterprise after enjoying opera there going back to the 50s. I can tell you why.
https://slippedisc.com/2023/06/a-met-fan-details-whats-gone-wrong/
Seattle
Three takes on Romeo and Juliet: Marin Alsop conducts the Seattle Symphony
bachtrack.com.de
San Francisco
San Francisco Opera celebrates a century with a rousing gala
seenandheard.international.com
Los Angeles
Q & A: Rachel Willis-Sørensen on Her Career & Focus
Towards Being an Uplifting Role Model for Young Artists
operawire.com
Recordings
Mozart: Requiem in D Minor (La Capella Nacional de Catalunya, Le Concert des Nations, Jordi Savall)
Elder statesman brings vigour and insights to Mozart’s masterpiece.
limelight.magazin.com.au
Ballett / Tanz
Wien/Festwochen
„Exit Above“: Das Gehen, ein Tanz
Anne Teresa De Keersmaeker zeigt bei den Festwochen ihre inszenatorische Vielseitigkeit.
WienerZeitung.at
Pina Bausch’s Dance Company Announces Steps Toward a New Era
Tanztheater Wuppertal unveiled its first season under Boris Charmatz, as well as plans for a new, multipurpose center.
TheNewYorkTimes.com
Sprechtheater
Sommertheater in Laxenburg: Hilfe, wir werden therapiert!
Das Beziehungsstück „All We Need is Love“ in der Laxenburger Franzensburg ist nur vordergründig reiner Ulk.
WienerZeitung.at
Ausstellungen/Kunst
Wien
Wer zieht in die gut dotierten Chefetagen von KHM und Albertina?
Unsere Museen sind offenbar weniger attraktiv als gedacht: Nur je 20 Interessenten haben sich für die künstlerische Leitung von KHM und Albertina beworben.
Die Presse.com
Medien
ORF
Wie Autor Thomas Brezina seinen Mann Ivo kennengelernt hat
Thomas Brezina sprach im Ö3-Frühstück über seine Beziehung und den Sinn des Lebens.
Kurier.at
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Unter’m Strich
Österreich
Kika/Leiner: Kocher lädt zu rundem Tisch, Babler ruft nach Staatsanwalt
Der neue SPÖ-Chef ist offen für einen eigenen U-Ausschuss. Sein Vorgehen, um an die SPÖ-Spitze zu kommen, verteidigt er.
DiePresse.com
Wiener SPÖ verlässt Löwelstraße Richtung Favoriten
Die Wiener Roten ziehen aus der SPÖ-Parteizentrale aus und wollen bis 2026 im Arbeiterheim Favoriten ihr neues Zuhause finden.
Kurier.at
INFOS DES TAGES (DIENSTAG, 20. JUNI 2023)
INFOS DES TAGES (DIENSTAG, 20. JUNI 2023)
Quelle: onlinemerker.com
WIENER STAATSOPER: GÖTTERDÄMMERUNG. Rezensionen und Fotos
WIEN / Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG
Der Ring ist vollbracht
19. Juni 2023 (Manfred A. Schmid)
WIEN/ Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG in neuer Besetzung
am 18.6. (Dominik Troger/ www.operinwien.at)
Die Nornen: Regina Hangler, Juliette Mars, Noa Beinart. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Burkhard Fritz (Siegfried), Mika Kares (Hagen). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Burkhard Fritz (Siegfried)
Clemens Unterreiner (Gunther)
Mika Kares (Hagen)
Michael Nagy (Alberich)
Ricarda Merbeth (Brünnhilde)
Regine Hangler (Gutrune)
Monika Bohinec (Waltraute)
Noa Beinart (Erste Norn)
Juliette Mars (Zweite Norn)
Regine Hangler (Dritte Norn)
Monika Bohinec (Waltraute), Ricarda Merbeth (Brünnhilde). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Clemens Unterreiner (Gunther), Burkhard Fritz (Siegfried). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Michael Nagy (Alberich), Mika Kares (Hagen). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
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Frage eines Lesers: Wo bleibt Tetelman?
„…hätte nicht (laut Jahresbroschüre) Jonathan Tetelman, der neue Tenorstar, diese Partie jetzt in Wien in der laufenden Vorstellungserie singen sollen?
Anstelle dessen sang er vorgestern 18.06.23 an der Staatsoper Budapest als Stargast im Rahmen eines Galakonzertes anlässlich zum 80. Geburtstag von Éva Marton (ebenfalls eine Arie aus „Cavalleria“).
PS: Turiddu: im Flyer/Leporello der WSO für den Monat Juni 2023 scheint Riccardo Massi auf – auf der Bühne stand (und steht) und singt nun C.Y.Lee, der diese Partie zzgl zum „Canio“, sozusagen im Doppelpack, übernommen hat.
Wieso diese Umbesetzungen, stimmt da etwas nicht in der Castingabteilung ? Weiß da wer mehr?
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Vor 120 Jahren geboren: Aram Khachaturian – das armenische Wunderkind
Aram Khachaturian, auf dem Foto rechts, neben Sergei Prokofiev, Dmitri Shostakovich
Aram Khachaturian wurde am 6. Juni 1903 in Kodzhori (heute Tiflis/Georgien), einem Vorort von Tiflis, in der armenischen Familie eines Buchbinders geboren. Später schrieb er: „Alt-Tiflis ist eine Stadt der Klänge, eine Stadt der Musik. Es brauchte einen Spaziergang durch die Straßen und Gassen weg vom Zentrum, um in die musikalische Atmosphäre einzutauchen, die von all den verschiedenen Quellen geschaffen wurde…“
Es ist auch wichtig, dass es damals eine Abteilung der RMC (Russische Musikgesellschaft) in Tiflis gab, sowie eine Musikschule und ein italienisches Operntheater. Dieser Ort wurde von berühmten Kulturvertretern besucht, darunter: Fjodor Schaljapin, Sergei Rachmaninow, Konstantin Igumnov. Schließlich lebten dort berühmte Musiker, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung georgischer und armenischer Komponistenschulen spielten.
All dies bildete die Grundlage für die frühen musikalischen Eindrücke von Aram Khachaturian. Die ursprüngliche multinationale „Legierung“ der Intonation war ein wesentlicher Bestandteil seiner akustischen Erfahrung. Jahre später wurde genau diese „Legierung“ zum Versprechen von Khachaturians Musik, sodass sie nie durch nationale Grenzen begrenzt war und immer ein breites Publikum ansprach. Es ist erwähnenswert, dass Khachaturian immer ohne jede Demonstration nationaler Verschlossenheit war. Er hatte einen tiefen Respekt und ein lebendiges Interesse an der Musik verschiedener Nationen.
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Giacomo Puccini: Turandot • Opernhaus Zürich • Premiere: 18.06.2023
Wildes Assoziieren: Es gibt Pfandfinder, Bienen, U-Boote und Vieles mehr
Mit Puccinis Opus ultimum «Turandot» in der Fragment-Fassung schliesst das Opernhaus Zürich die Saison ab. Geprägt ist der Abend von einer grossen Anzahl Debütierender.
Foto © Monika Rittershaus
Zu den Debütanten des Abends gehört auch der Dirigent Marc Albrecht. Sein Dirigat überzeugt durch den Überblick über das Geschehen im Graben und auf der Bühne, frische, rasche Tempi und genau austarierte Lautstärke-Verhältnisse, die die Sänger nie zudecken. Allerdings ist das Dirigat als Ganzes noch immer zu laut. Die Sänger werden deshalb nicht zugedeckt, weil alle offenbar geübt darin sind, sich durchzusetzen. Und dieser Kampf ums akustische Überleben wird noch seinen Tribut fordern. Die Philharmonia Zürich folgt Albrecht hochkonzentriert und schwelgt in den Forte-Passagen und kann in den wenigen lyrischen Passagen genauso überzeugen. «Turandot» ist eine Chor-Oper und so sind an diesem Abend der Chor der Oper Zürich, der Zusatzchor des Opernhauses Zürich, Chorzuzüger und der Kinderchor des Opernhauses Zürich aufgeboten. Janko Kastelic (Choreinstudierung) hat ganze Arbeit geleistet und so überzeugen die Chöre mit sattem Klang und grosser Textverständlichkeit.
Debütantin Sondra Radvanovsky überzeugt als Turandot mit perfekt fokussierter Stimme und enormer Bühnenpräsenz. Die Kälte und die Hilflosigkeit der Turandot setzt sie mit grosser Glaubwürdigkeit um. Ihre Interpretation gelänge um einiges Eindrucksvoller, müsste sie nicht besorgt sein, nicht unterzugehen. Martin Zysset gibt mit seinem recht hell timbrierten Tenor und grossem schauspielerischen Talent den alten Kaiser Altoum. Nicola Ulivieri gibt den Timur mit sonorem, perfekt geführtem Bass. Piotr Beczała hat für sein Debüt als Der unbekannte Prinz (Calaf) leider nicht den besten Abend erwischt. Auch wenn die Stimme über weite Strecken hält, was sie verspricht, bricht sie ihm zweimal weg. Die Spitzentöne erreicht er nur mit viel Anlauf und Zittern. Rosa Feola singt die Liù mit perfekter geführter Stimme, aber nur verhaltener Emotion. Der Gegensatz zu Turandot könnte ruhig noch deutlicher gezeichnet werden. Xiaomeng Zhang als Ping, Iain Milne als Pang und Nathan Haller als Pong geben das Trio der Minister mit kräftigen Stimmen und viel Spielfreude. Jungrae Noah Kim verkündet als Mandarin die Gesetze seiner Herrin Turandot…
Zum Bericht von Jan Krobot
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Paris: „ROMÉO ET JULIETTE“ von Charles Gounod an der Opéra National de Paris 17. 6. 2023
Beschwingender, vielversprechender Erfolg für die neue junge Sängergeneration der „Senkrechtstarter“ in einer etwas „überdrehten“ Musical-artigen Inszenierung.
Lustiges Treiben auf der Freitreppe des Palais Garnier – man glaubt sich im „Phantom oft the Opera“. Foto: © Vincent Pontet / Opéra national de Paris
Der neue Schwerpunkt der aktuellen Spielzeiten „selten oder nie an der Pariser Oper gespielten französische Opern“ wird nun nach Massenets „Cendrillon“ (letztes Jahr zum allerersten Mal an der Opéra gespielt) fortgesetzt mit „Roméo et Juliette“ von Gounod (seit 1985 nicht mehr an der Pariser Oper gespielt). Inzwischen gab es auch noch „Hamlet“ von Ambroise Thomas (seit 1938 nicht mehr), den wir aus verschiedenen Gründen nicht rezensiert haben. Unter anderem auch, weil wir ihn letztes Jahr sehr ausgiebig an der Opéra Comique besprochen haben. „Roméo et Juliette“ – im April noch in Zürich mit Benjamin Bernheim, der aktuelle Roméo par excellence – braucht man wohl nicht mehr vorzustellen. Nur so viel dazu: Sie ist die meist gespielte Oper von Gounod nach „Faust“ in dessen Schatten sie immer geblieben ist. Denn „Faust“ (1859) war (ist?) das meist gespielte Werk an der Pariser Oper überhaupt (mit über 3000 Vorstellungen in kaum 100 Jahren), auch in London und New York, wo die Metropolitan Opera mit Caruso in „Faust“ eröffnet wurde. Gounod versuchte Jahre lang vergeblich mit diesem Erfolg an zu knüpfen, doch seine spektakuläre „La Reine de Saba“ (1862) und seine charmant in der Provence angesiedelte „Mireille“ (1864) kamen nicht an und können sich immer noch nicht auf den Spielplänen halten. („Mireille“, die Eröffnungs-Inszenierung der Ära Nicolas Joël an der Pariser Oper, wurde seit 2009 nicht wieder aufgenommen). Das galt auch für die vielen anderen kleineren Opern, die Gounod nach „Faust“ noch komponierte.
Der erste Erfolg gelang Gounod erst 1867 mit „Roméo et Juliette“ im Rahmen der Weltausstellung in Paris, obwohl er sich dort gegen große Konkurrenz behaupten musste: der „Don Carlos“ von Verdi und die Dame, nach der damals alle blickten: Hortense Schneider als „La Grande Duchesse de Gérolstein“ von Jacques Offenbach, der alle nach Paris angereisten Fürsten, Könige und Kaiser wörtlich zu Füssen lagen. So bestand die Gattin des damaligen Operndirektors Caroline Miolan-Carvalho in letzter Minute auf eine sinnlich-frohe Auftrittsarie, um mit der Schneider konkurrieren zu können, und bekam „Je veux vivre dans ce rêve qui m’enivre“ – seitdem eine der bekanntesten und meist gesungenen französischen Sopran Arien überhaupt. Sie konnte diese von März bis Dezember 1857 über hundert Mal (!) singen, bis „Roméo et Juliette“ 1868 an ein anderes Theater überwechselte und dann über die Opéra Comique (1873-1887) an die Pariser Oper landete, wo es 1888-93 auch noch über 100 Vorstellungen gab. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand dieses Repertoire und scheiterten die Versuche, es wieder zu beleben, schlicht und ergreifend daran, dass es im Rahmen der Internationalisierung der Sänger-Karrieren und Ausbildungen kaum noch französische Sänger gab, die dieses stilgerecht singen konnten. So wurde bezeichnenderweise die Referenzaufnahme von „Roméo et Juliette“ mit Alain Lombard & dem Chor und Orchester der Pariser Oper 1968 mit Franco Corelli und Mirella Freni besetzt. Zweifellos wunderbare Sänger, aber „mit Französischen Gesang hat dies nichts zu tun“, so wie u.a. Régine Crespin dies damals monierte.
Geheime Hochzeit im Boot auf dem unterirdischen See unter der Oper: Benjamin Bernheim (Roméo), Elsa Dreisig (Juliette), Antoine Foulon (Frère Laurent) und Sylvie Brunet-Grupposo (Gertrude). Foto: © Vincent Pontet / Opéra national de Paris
Dieses Warnungen – ähnlich wie damals im deutschsprachigen Gebiet über „das Verschwinden der großen Stimmen“ – hatte den Erfolg, dass ab dann eine neue Generation von Sängern ausgebildet wurde, die jetzt erfolgreich auf der Bühne steht. 90% des Casts wurde nach 2005, 2010 und sogar ab 2015 ausgebildet – zum Teil im Atelier Lyrique der Pariser Oper – und wirklich alle singen stilistisch perfekt. Das war für mich der größte Erfolg des Abends! Die fulminante Besetzung wurde angeführt durch Benjamin Bernheim, den meine Kollegen in Zürich hymnisch lobten als „Er ist wohl der Roméo unserer Zeit und überhaupt der führende Tenor im Repertoire der französischen Oper des 19. Jahrhunderts“. Zurecht. Bernheim fing erst 2015 mit kleineren Rollen in Paris an und als er 2020 hier seinen ersten Chevalier Des Grieux in der „Manon“ von Massenet sang, schrieb ich eine ausführliche Besprechung mit allen Stil-Eigenheiten des französischen Gesangs, die ich seit langem nicht mehr in dieser Rolle gehört hatte und die er wirklich perfekt beherrscht. Das gilt natürlich auch für Roméo, auch wenn er leider an dieser Premiere anscheinend etwas indisponiert war. Auch wenn er makellos und wunderbar textverständlich sang, fehlten ihm u.a. in der Balkonarie „Ah, lève-toi soleil“ in der Höhe der jugendliche Schmelz, den – wer erinnert sich heute noch daran? – Roberto Alagna 1994 so unvergesslich als Roméo an der Opéra Comique hatte, so dass er dort eine wirkliche Hysterie im Publikum auslöste. Aber das ist natürlich Klagen auf hohem Niveau.
Elsa Dreisig wurde als Juliette „der Star des Abends“ und kam auch beim Schluss-Applaus als letzte auf. Sie ist wie Benjamin Bernheim eine „Senkrechtstarterin“, aber in einem noch viel kürzeren Zeitraum. Denn es ist noch keine zehn Jahre her, da saß ich mit ihr in einem Pariser Café nach dem öffentlichen Endexamen des Pariser Konservatoriums, wo sie zwar (informell) als die begabteste Schülerin ihrer Klasse galt, aber wo sich niemand die Karriere vorstellen konnte, die gleich danach für sie begann. 2015 gewann sie den Wettbewerb „Neue Stimmen“ und wurde in das Opernstudio der Berliner Staatsoper aufgenommen, von wo sie 2017 in das Ensemble wechselte und gleich größere Rollen bekam. Im gleichen Jahr sang sie schon eine Pamina an der Pariser Oper, dann eine Lauretta (in Gianni Schicchi), danach Zerlina und 2021 debütierte sie in Salzburg als Fiordiligi, letztes Jahr in Aix-en-Provence als Salome und vor einem Monat an der Wiener Staatsoper als Manon (von Massenet, als Einspringerin für Pretty Yende, die nun ab 27. Juni abwechselnd mit ihr die Juliette singen wird und auch bei der Premiere anwesend war). Elsa Dreisig bekam nach ihrer fulminant gesungenen Koloratur-Auftrittsarie „Je veux vivre dans ce rêve qui m’enivre“ einen großen Zwischen-Applaus, zeigte bis zum Ende des Abends nicht die geringste Ermüdungserscheinung und kam spielend mit dem großen Saal der Opéra Bastille zurecht.
Zwei „Senkrecht-Starterinnen“, vor zehn Jahren noch auf dem Konservatorium und nun die beiden meist beklatschen Sängerinnen: Elsa Dreisig (Juliette) und Lea Desandre (Stéphano). Foto: © Vincent Pontet / Opéra national de Paris
Als Dritte stand Lea Desandre auf dem Besetzungszettel als Stéphano, Page und Vertrauter von Roméo, ein Rollentypus, der besonders wichtig war in den damaligen französischen Opern, so wie der Page Urbain in Meyerbeers „Les Huguenots“ oder Ascanio in „Benvenuto Cellini“ von Berlioz. Sie bekam ebenfalls einen riesigen Applaus für ihre wunderbare Arie „Que fais-tu blanche tourterelle dans ce nid de vautours“ und war wohl die turnerisch begabteste Sängerin auf der Bühne (wozu später mehr). Lea Desandre – wie viele ihrer Kollegen an diesem Abend kaum 30 Jahre alt – ist ebenfalls eine Senkrechtstarterin: vor 5 Jahren gewann sie 2017 die „Victoires de la Musique“ in Paris, die sie 2021 noch einmal gewann, hat seitdem quasi schon überall gesungen (auch in Salzburg und Aix) und seit 2017 schon 18 (!) Plattenaufnahmen gemacht. Letztes Jahr debütierte sie an der Pariser Oper als vielbeachteter Cherubino (auch wegen ihrem schauspielerischen Talent) und nun wird es sicherlich bald größere Rollen geben. Behalten Sie diesen Namen! Der gleichaltrige Huw Montague Rendall ist zwar kein Franzose – er debütierte 2016 in Glynderbourne als „young artist“ – aber er beherrscht das französische Fach tadellos. So wurde er bei seinem Debüt in der fordernden Rolle des Hamlet von Ambroise Thomas in der Komischen Oper in Berlin „mit Rosen überworfen“ (wie meine Kollegen berichten) und das war im April – also vor kaum zwei Monaten (!). Er sang als Mercutio im ersten Akt eine so berührende „Ballade de la reine Mab“, dass er ab dann für meine Sitznachbarn „der schönste Mann des Abends“ war und jeder seiner Auftritte hingebungsvoll beklatscht wurde. Eigentlich müsste man sie alle länger beschreiben, jung, begabt und tadellos singend: Maciej Kwaśnikowski (Tybalt), Thomas Ricart (Benvolio) und Yiorgo Ioannou (Grégorio) – alle drei aus dem Atelier Lyrique der Pariser Oper. So wie Sergio Villegas Galvain (Pâris), Jérôme Boutillier (Le Duc de Vérone) und Antoine Foulon (als samtig-sonorer Frère Laurent) – die alle drei an der Pariser Oper debütierten und ihren älteren und erfahreneren Kollegen mühelos das Wasser reichen konnten: Laurent Naouri als Capulet und Sylvie Brunet-Grupposo als Gertrude (der Vater und die Amme von Juliette) – beide durch mich schon oft und gerne rezensiert.
Der Dolch fällt ihm aus der Hand: Benjamin Bernheim (Roméo), in einer durch Ran Arthur Braun „lebensecht“ choreographierten Gefechtsszene. Foto: © Vincent Pontet / Opéra national de Paris
Die Inszenierung war im Prinzip gut und gekonnt in einer geschmackvollen Ausstattung und das ist heutzutage schon viel. So fing die Rezension meines Kollegen Kasper Sannemann über den „Roméo et Juliette“ im April in Zürich an mit dem Satz: „Nicht schon wieder, denkt man beim Betreten des Zuschauersaals mit dem Blick auf die offene Bühne. Nicht schon wieder leere, schmucklose Wände im Geviert, dazu die obligaten Stühle, hier in zwei symmetrischen Reihen aufgestellt, die ganze Bühnentiefe bis zur Rückwand ausnutzend. Es fehlt nur noch eine Uhr an der Wand und man hätte alle Grundingredienzen zeitgenössischer Musiktheaterbühnenästhetik auf der Bühne des Opernhauses vereint.“ Das blieb uns in Paris alles erspart. Dafür gab es überbordend viel anderes: die große Prunktreppe des Palais Garnier auf einer Drehbühne von Bruno de Lavenère und historische, manchmal mit viel Pailletten modernisierte Kostüme von Sylvette Dequest, so wir diese von ihnen aus den beiden ersten Operninszenierungen von Thomas Jolly schon kennen. Der junge und sympathische Jolly (gerade 40) kommt aus dem Theater – wo er hauptsächlich mit Shakespeare-Inszenierungen auf sich aufmerksam machte – und inszenierte mit dem gleichen Team 2017 Offenbachs „Fantasio“ an der Opéra Comique und 2019 die Uraufführung von Pascal Dusapins „Macbeth Underworld“ an der Monnaie in Brüssel – wobei gerade die Letztere mir ausnehmend gut gefiel, weil Jolly auch als Shakespeare-Kenner an der Dramaturgie mitgearbeitet hatte. Sehr intelligent und wunderschön umgesetzt! Doch bei „Roméo et Juliette“ hatte er vielleicht Angst, dass diese Feinheiten in dem großen Saal der Bastille Oper nicht über die Rampe kommen würden und „drehte auf“. So drehte sich bei „Macbeth“ die ganz ähnliche Bühne gefühlt zehnmal und bei „Roméo et Juliette“ mehr als hundertmal. Das war in dem Eröffnungschor – dazu wunderbar geheimnisvoll beleuchtet durch Antoine Travert – optisch und akustisch besonders, doch wurde mit der Zeit einfach „überdreht“. Man glaubt sich manchmal im „Phantom of the Opera“, auf den auch direkt verwiesen wurde: die Masken, der unterirdische See unter den Palais Garnier, die Lichteffekte etc. Zu einem Musical gehört vor allem „movement“ und in den Ensemble-Szenen huschten quasi pausenlos irgendwelche Tänzer in schrillen Kostümen über die Bühne, auch wenn sie im Libretto gar nicht vorgesehen waren. Da die vierte Fassung gespielt wurde (1888 für die Pariser Oper mit dem damals obligaten Ballett am Ende des zweiten Aktes) hatte man Tänzer und eine Choreografin engagiert, die das besagte (stark gekürzte) Ballett sehr unerwartet gestalteten – aber etwas Ironie kann dieses auch vertragen und die gut getanzte Umsetzung war musikalisch. Doch in anderen Szenen wurde ich einfach nicht schlau aus diesen Tänzen. Josépha Madoki, die z.B. für die Popsängerin Beyoncé den Clip „Apeshit“ choreographiert hat, ist eine Vorreiterin des „Waacking“, eine Tanzform aus den Afro-latino-Gay Bars in Los Angeles (so wie es gleich auf Seite 2 des Programmhefts steht). Ich habe dies nicht in Verbindung bringen können mit „Roméo et Juliette“ von Gounod. Ein anderes Herumgewirbel über die Bühne hat mir dagegen ausnehmend gut gefallen. Das waren die vielen Streit-, Kampf- und Fechtszenen, die in vielen französischen Opern vorkommen und die so oft, wie im oben erwähnten „Hamlet“ an der Opéra Comique, ungelenk peinlich banal umgesetzt werden (Sänger müssen ja meist danach auch noch Atem zum Singen haben). Diese wurden nun kraftvoll und überzeugend choreographiert durch Ran Arthur Braun: so „lebensecht“ habe ich diese noch nie auf einer Opernbühne gesehen – bravo! (auch für die Sänger!). Carlo Rizzi dirigierte dies alles gekonnt routiniert, aber – so wie schon letztes Jahr für „Cendrillon“ – ohne das geringste „raffinement“, mit der diese Musik „atmet“. Das Orchestre de l’Opéra de Paris spielte dementsprechend uninspiriert und an manchen Stellen peinlich unsauber (mehrere Bläsereinsätze wurden vollkommen verpatzt). Alle Achtung für die Sänger und auch den wieder exzellent durch Ching-Lien Wu einstudierten Chor der Oper, die daraufhin trotzdem sauber auf dem richtigen Ton einsetzten. Der Chor war musikalisch für mich das Beste am Abend – mit natürlich dieser wirklich vielversprechenden neuen „Senkrechtstarter-Sängergeneration“, die diesen bis vor kurzem so seltenen gespielten französischen Opern des 19. Jahrhunderts im wahrsten Sinne des Wortes „ein neues Leben gibt“.
Waldemar Kamer
Opéra National de Paris (Bastille) bis zum 15. Juli
Informationen dazu auf der Homepage: www.operadeparis.fr