Der eine imitiert, der andere ist uninteressiert, und der Rest ist verwirrt: Die Fledermaus an der Deutschen Oper scheitert auf fast allen Ebenen

Johann Strauß, Die Fledermaus, Deutsche Oper Berlin, 8. Mai 2018

Foto: Deutsche Oper Berlin / Thomas M. Jauk (c)
Johann Strauß: Die Fledermaus
Deutsche Oper Berlin, 8. Mai 2018

Donald Runnicles, Musikalische Leitung
Rolando Villazón, Inszenierung
Johannes Leiacker, Bühne
Thibault Vancraenenbroeck, Kostüme
Annette Dasch, Rosalinde
Thomas Blondelle, Gabriel von Einstein
Angela Brower, Prinz Orlofsky
Enea Scala, Alfred

von Yehya Alazem

Die Premieren in der Spielzeit 2017/18  an der Deutschen Oper Berlin sind bis jetzt sehr schwankend gewesen. Vom niedrigsten Niveau wie Ole Anders Tanbergs Inszenierung von „Carmen“ bis zum höchsten Weltklasseniveau wie Christof Loys Inszenierung von Korngolds Rarität „Das Wunder der Heliane“.

Rolando Villazón war in seinen jungen Jahren ein sehr vielversprechender Tenor. Er hatte eine wunderschöne, dunkle Tenorstimme, die an den jungen Placido Domingo erinnerte, bekam aber später viele stimmliche Probleme, und nun ist seine Karriere als Sänger Vergangenheit. Stattdessen versucht er sich nunmehr als Regisseur, und schon vor drei Jahren bot er an der Bismarckstraße in Berlin eine Inszenierung von Puccinis „La Rondine“, die kaum als Erfolg angesehen werden konnte.

Nun ist der Fall noch schlimmer. Zumindest war er ja mit Puccini vertraut, aber was hat er eigentlich mit der bekanntesten aller Wiener Operetten zu tun? Die Entscheidung, ihm die Aufgabe der Neuinszenierung von Johann Strauß’ „Die Fledermaus“ anzuvertrauen, ist einfach eine Katastrophe.

Man sieht in dieser Inszenierung extrem deutlich, dass Villazón gar keine Ahnung davon hat, wie man mit dieser Art vom Musiktheater umgeht. Wir sehen eine exklusive Wohnung im ersten, einen DDR-Keller im zweiten und ein Raumschiff im dritten Akt. Nichts hat mit dem jeweils anderen etwas zu tun, und alles scheint nur chaotisch und sinnlos zu sein.

Die Tatsache, dass Villazón den Hausherrn der Komischen Oper Barrie Kosky, versucht nachzuahmen, ist kaum zu verbergen. Vielleicht hat er zu vielen Vorstellungen an der Komischen Oper beigewohnt? Kosky hat jedoch ein ausgezeichnetes Fingerspitzengefühl für Bühnenkunst, insbesondere für die Operette; Villazón jedoch sollte sich damit nicht beschäftigen.

Eine genauso falsche Entscheidung hat man auch für die Musikalische Leitung getroffen: warum Donald Runnicles? Seit der Saison 2009/10 als Generalmusikdirektor am Haus hat er die meisten Wagner- und Strauss-Produktionen geleitet und ist wirklich kein Dirigent für die Musik von Johann Strauß. Das Orchester klingt den ganzen Abend hindurch uninteressiert, unengagiert, und sehr energie- und lustlos. Runnicles gelingt es nicht, das Orchester auch nur ein kleines bisschen zu dämpfen und so übertönt es die Sänger immer wieder.

Was jedoch das Gesangliche betrifft enttäuscht dieser Abend nicht. In der Rolle der Rosalinda ist Annette Dasch souverän! Schauspielerisch ist sie auch großartig. Mit ihrem wunderbaren, dunklen Timbre brilliert sie in allen Lagen. Ihre Stimme hat eine strahlende Dichte, die auch eine wunderschöne, glockenklare Höhe hat. Als ihr Gatte überzeugt der belgische Tenor Thomas Blondelle. Sein Tenor ist hell und charaktervoll und hat eine schöne Strahlkraft. Allerdings ist er Annette Dasch als Schauspieler nicht ebenbürtig.

Enea Scala singt einen überzeugenden Alfred. Anfangs klingt er ein wenig unsicher und nervös, steigert sich aber deutlich im Laufe der Zeit. Er besitzt einen schönen Tenorklang, der manchmal an José Carreras erinnert. Seine Stimme bewegt sich schön zwischen den Registern und hat einen besonderen Charme. Als Prinz Orlofsky ist Angela Brower hervorragend. Sie findet sich gut zurecht in dieser Hosenrolle und liefert mit ihrem soliden, lyrischen Mezzosopran, der sowohl im tiefen als auch im höherem Register superb klingt, eine tolle Leistung.

Am Ende scheint dieser Abend das Publikum zu teilen: einige haben ihn immerhin genossen, aber die meisten waren mit der massakrierten Operette gar nicht zufrieden.

Yehya Alazem, 10.Mai 2018
für klassik-begeistert.de

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