Foto: Megan Kahts ©️ Damian Posse
Ich treffe Megan Kahts in der „Vollpension“. Einem Kaffeehaus, das ein komplett eigenes Konzept verfolgt. Flatrate für 12,90 pro Stunde. Dafür bekommt man so viel Kaffee, wie man möchte. Ein Stück hausgemachter Kuchen inklusive. Den haben Omas frisch gebacken, um sich ihre unzureichende Pension aufzustocken. Tolles Geschäftsmodell, aber etwas gewöhnungsbedürftig. Den Ort hat Megan Kahts eher zufällig gewählt. „Weil er in der Nähe war“, strahlen ihre Augen, während sie mir von den CD-Aufnahmen erzählt. Um die Ecke steht sie gerade im Tonstudio. Eine CD mit Arien aus Händels Oper „Rinaldo“ nimmt sie dort auf. „Um eine Momentaufnahme für die Ewigkeit zu haben“, immerhin verändere sich die Stimme im Laufe der Zeit. Finanzieller Natur kann die Motivation ja nicht sein. Lukratives Geschäft ist eine CD schon lange nicht mehr.
von Jürgen Pathy
Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen
Was das für ihren Terminkalender bedeutet, ist klar – der ist voll. Zumindest im Juli und im August. Heute, es ist Samstag, stand sie von 14:00 bis 17:00 im Tonstudio. Davor hat sie für die Bregenzer Festspiele geprobt. Dort steht sie im August auf der Bühne. „Die Judith von Shimoda“, heißt das Stück. „Es ist eine Uraufführung“, beruhigt sie mich, als ich in Verlegenheit gerate, noch nie etwas von dieser Oper gehört zu haben. Die Musik stammt von Fabián Panisello, einem argentinischen Komponisten; das Libretto von Juan Lucas. Vorlage dafür ist ein japanisches Stück, in einer Bearbeitung von Bertolt Brecht.
Das Sujet des Werks: Ein US-amerikanischer Konsul trifft in Japan auf eine Geisha, die ihm dient, um sein unzufriedenes Gemüt zu besänftigen. Kommt einem irgendwie bekannt vor? Kein Wunder, ist doch die Ähnlichkeit zu Puccinis „Madama Butterfly“ frappierend. Das ist kein Zufall: „Natürlich passt das in das Konzept der Bregenzer Festspiele, das man sich in diesem Sommer zurecht gelegt hat“. Auf der Seebühne steht dort ja gerade Puccinis weltberühmter Dreiakter auf dem Programm. Die Premiere der „Judith von Shimoda“ folgt aber erst: Startschuss für dieses moderne Werk ist am 17. August 2023, um 20:00 Uhr, auf der kleineren Werkstattbühne.
Die Musik klingt aber ganz anders. „Durchaus atonal, aber ästhetisch“, beschreibt Megan Kahts ihre Eindrücke von dieser zeitgenössischen Oper. „A little bit like Messiaen“, wechseln wir regelmäßig die Sprache. Weil es auf Englisch ab und zu einfach viel geschmeidiger klingt, cooler. Das ist auch ihre Muttersprache. In Pretoria ist Megan Kahts aufgewachsen. Dort hat sie bereits in jungen Jahren erfahren, was es heißt im Rampenlicht zu stehen.
„Ich war ein Kinderstar.“ Entdeckt habe man sie bereits im zarten Alter von nur neun Jahren. Mit Mozarts „Exsultate, jubilate“, einer Motette für Sopran. Als man dann irgendwann aber von ihr verlangt habe, ins Crossover-Genre zu wechseln, hat sie eine Entscheidung getroffen. Für die Oper, den Liedgesang und die sogenannte E-Musik. Mit 19 feiert Megan Kahts ihr Debüt als Norina in Pretoria. Es folgen Meisterklassen bei Edith Mathis in Salzburg. Danach zieht sie nach Wien.
In High-Heels zu Höhenflügen
Seit über 10 Jahren lebt Megan Kahts nun hier. Feilt regelmäßig an ihrer Stimme und auch an ihrem Repertoire. Bei Stefan Gottfried hat sie genau den richtigen gefunden, um ihr Wissen auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis zu vertiefen. Der Wiener ist künstlerischer Leiter des Concentus Musicus Wien, den einst kein Geringerer als Nikolaus Harnoncourt gegründet hat. Ihre eigenen Wurzeln, die sind weit über den Kontinent verstreut. „In Wales, Deutschland und teilweise gar bis nach Israel“, würden die reichen. „Russland, nein“, lacht sie laut los. Ich sei aber nicht der einzige, der das glauben würde.
Auf der Bühne steht sie auch am liebsten in High-Heels. Am Besten gleich Stilettos. So hoch, wie nur irgendwie möglich. „Um den Beckenboden anzuspannen“, und so das Optimum aus ihrer Stimme rauszuholen. Vor allem bei Liederabenden, die Megan Kahts nicht missen möchte. Für Hosenrollen dann das komplette Gegenteil. „Da stehe ich am liebsten ohne Schuhe auf der Bühne, um geerdet zu sein.“ Im Mezzo-Fach, das Megan Kahts schon seit Jahren pflegt – früher war sie einmal ein Sopran –, gibt es da auch genügend Gelegenheiten. „Jedes Angebot nehme ich aber nicht an“. Eine kluge Entscheidung. Immerhin sei ihre Stimme so etwas wie ihr Baby. Die gilt es zu hüten. Quantität – nein. Den Fokus legt Megan Kahts viel mehr auf Qualität. „Wir sind keine war horses“, die man in jeden Kampf schicken könnte. Deshalb lehnt sie auch Mal interessante Angebote ab.
Für eine Carmen habe man schon angefragt. Aber das sei etwas zu früh. „Vielleicht in fünf Jahren“, das werde sich noch weisen. „Ich bin ein hoher Mezzo, der seine besondere Farbe in der Tiefe entwickelt“. Deshalb möchte sie sich gerne auf Händel, Mozart und Rossini konzentrieren. „Die sind perfekt für meine Stimme“. Der Name Bartoli fällt in diesem Zusammenhang dann auch des Öfteren. Immerhin ist das genau das Repertoire, mit dem die quirlige Römerin seit Jahrzehnten große Erfolge feiert. Darin sieht auch Megan Kahts ihre Stärken. Denn eines sei da von unheimlicher Bedeutung: „Koloraturen schwingen und im messa di voce aufblühen“. Der Kunst, einen Ton aus dem Nichts anschwellen zu lassen und dann wieder im Piano enden zu lassen. Immer auf der gleichen Tonhöhe, das ist dabei die Kunst. Etwas, dass ihr auch im Liedgesang in die Karten spielt.
Liedgesang statt Crossover
Mit dem renommierten Liedbegleiter Daniel Heide hat sie erst Anfang des Jahres in ihrer südafrikanischen Heimat eine kleine Tournee gegeben. Am 12. Oktober 2023 steht sie in der Klimt Villa in Wien auf der Bühne. Auch mit Liedern natürlich, denn die liebt sie. „Du bist der Boss, gestaltest das, wie du willst“. Anders also als in ihrer Kindheit, schwingt da vielleicht auch ein wenig Vergangenheitsbewältigung mit. Zumindest habe ich so das Gefühl „Es ist deine Show, die totale Ego-Show“. Und für die Stimme, sei es auch wichtig. Im Gegensatz zur Oper, liege der Focus viel mehr in den leiseren Farben. Die Farbpalette sei eine komplett andere: „Viel mehr water colour than oil“, wechseln wir wieder in Megans Muttersprache.
Wo sie ihre Zukunft sieht, könnte sie sich selbst eine malen, möchte ich wissen. Vielleicht Wagner oder so, versuche ich sie in eine Richtung zu drängen? Das verneint sie eher. „Ich glaube, ich werde keine Wagner-Sängerin“. Bei Richard Strauss, da fühle sie sich eher heimisch. „Einen Octavian, den kann ich mir bereits jetzt vorstellen.“ Und ansonsten eben viel Barock. „Weil Musik des 17. und 18. Jahrhunderts so viele Koloraturen hat“.
Dass, das etwas im Widerspruch stehen könnte zur zeitgenössischen Musik, das dementiert Megan Kahts. Die „Judith von Shimoda“ in Bregenz und der Barock hätten eines gemeinsam: Bei beiden Stilen begebe sie sich auf die Suche nach den Ursprüngen. Beim Barock mittels der historischen Aufführungspraxis, bei der zeitgenössischen Musik sogar gleich direkt mit dem Komponisten. „Den kann man sogar noch direkt fragen, was er sich da vorstellt“. Perfekt also, um die Wurzeln der Musik zu erforschen.
Jürgen Pathy, 10. August 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Rising Stars 41: Jodie Devos, Sopran klassik-begeistert.de, 30. März 2023