Rising Stars 41: Jodie Devos, Sopran – eine lyrische Stimme zaubert glitzernde Koloraturen

Rising Stars 41: Jodie Devos, Sopran  klassik-begeistert.de, 30. März 2023

Foto: © Dominique Gaul

Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.

von Dr. Lorenz Kerscher

Wenn man so wie ich die Vernachlässigung des französischen Repertoires an deutschen Opernhäusern nicht hinnehmen möchte, muss man in Videoportalen nach den Juwelen suchen, die bei unseren westeuropäischen Freunden auf den Spielplänen stehen. Doch dank dieser Angebote im Web kann man sich eine große Vielfalt wunderbarer Werke erschließen. Dabei entgeht einem auch nicht, wer dort als Rising Star besonders hoch im Kurs steht. Und da ist vor allem die 1988 geborene Belgierin Jodie Devos zu nennen, die beim Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel 2014 den zweiten Preis und den Publikumspreis gewann.

Jodie Devos im Finale des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs 2014

Sie stammt aus dem wallonischen Teil Belgiens und erhielt seit dem Alter von 16 Jahren Gesangsunterricht, gefolgt von einem Studium am Institut supérieur de Musique et de Pédagogie von Namur. Darauf folgte ein Aufbaustudium an der Royal Academy of Music in London, das ihr 2013 einen zweiten Mastertitel einbrachte. Mit dem o.g. Wettbewerbserfolg in der Tasche wurde sie in Paris in die Académie de l’Opéra comique aufgenommen, was den Opernstudios der deutschen Musiktheater entspricht und das Sammeln von Bühnenerfahrung in kleineren Rollen fördert. So begann sie ihre Laufbahn als Ida in der Fledermaus, doch schnell sprach sich herum, welch ein außergewöhnliches Talent sich da entwickelte. Bald schon boten ihr weitere Häuser in Frankreich und Belgien auch größere Partien an.

Das waren Soubrettenrollen in Operetten von Jaques Offenbach, bald auch die Susanna in Le nozze di Figaro und vor allem anspruchsvolle Koloraturpartien wie die Königin der Nacht und Lakmé. Städte wie Liège, Brüssel, Dijon, Monte Carlo, Montpellier, Toulouse und Tours standen auf ihrem Tourplan und an der Pariser Oper konnte sie 2017 als Yniold in Pelléas et Mélisande debütieren und 2020 die Puppe Olympia in Hoffmanns Erzählungen darstellen.

Les Contes d’Hoffmann von J. Offenbach – Olympia – „Les oiseaux dans la charmille“ (Jodie Devos, 2020)

Ihre Beziehung zum Werk von Jacques Offenbach war auch Inspiration für ihre CD Offenbach Colorature, die 2019 im Rahmen des OPER! Award als bestes Soloalbum ausgezeichnet wurde. Ansonsten präsentiert sie gerne interessante Raritäten wie in ihrem 2022 erschienenen Soloalbum Bijoux Perdus. Auch in einigen in YouTube verfügbaren Videobeispielen singt sie weniger Bekanntes, ihr aber hervorragend in der Stimme Liegendes, und kann dabei noch mit bezaubernder Ausstrahlung punkten.

Gounod: Philémon et Baucis „Ô riante nature“ (Jodie Devos, 2018)

Nachdem Jodie Devos pandemiebedingt anstelle des ausgefallenen Debüts als Lakmé an der Deutschen Oper Berlin einige Auftritte zwischen Plexiglasscheiben und vor leeren Sitzreihen absolviert hatte, war das Tal der Tränen durchschritten, als sich die Opéra Royal de Wallonie in Liège ab 2022 besonders des Schaffens von Ambroise Thomas annahm und seine Opern Mignon und Hamlet auf die Bühne brachte. Und dabei stand es offensichtlich außer Zweifel, dass man mit ihr die Rollen der Philine und der Ophélie ideal besetzen konnte. So konnte sie in ihrem angestammten Fach als lyrischer Koloratursopran wieder sehr gut Tritt fassen.

Jodie Devos – Oui, pour ce soir… Je suis Titania la blonde – Mignon (2022)

In YouTube findet sich auch die vollständige Aufzeichnung dieser Produktion, die sie als Koloratursoubrette sehr wirkungsvoll in Szene setzte. Dass Jodie Devos ein breiteres Repertoire abdecken kann, offenbart sich vor allem in der äußerst anspruchsvollen Titelrolle von Léo Delibes Lakmé. Im September 2022 stellte sie diese in Liège dar und Jean-Nico Schambourg berichtete darüber in seiner Rezension für Klassik begeistert:

„Lakmé wird gesungen von der jungen belgischen Sopranistin Jodie Devos, die seit einigen Jahren eine fulminante Karriere hinlegt, besonders, aber nicht ausschließlich, im französischen Repertoire. Ihre glockenreine, höhensichere Sopranstimme passt natürlich total zur Koloratur-Glockenarie der Lakmé. Aber auch in den lyrischen Momenten und in den Liebesduetten mit Gérard (Philippe Talbot) weiß sie mit gut geführter Stimme und klarer Diktion zu überzeugen. …“

In dieser Rolle kommt ihr besonders zugute, dass sie die Wärme und Legatokultur eines lyrischen Soprans mit größter Leichtigkeit und Sicherheit in virtuosen Koloraturen verbinden kann. Hinzu kommt noch ihre herzenswarme Ausstrahlung, mit der sie die Nöte der unglücklich Liebenden sehr bewegend zum Ausdruck bringt. Erfreulicherweise kann diese schön inszenierte, von Frédéric Chaslin hervorragend dirigierte und mit einem durchgängig guten Ensemble besetzte Produktion inzwischen auch mit französischen Untertiteln in YouTube angesehen werden. Ich möchte unbedingt empfehlen, dafür die Zeit aufzuwenden!

Komplette Videoaufzeichnung von Lakmè in Liège (2022) mit französischen Untertiteln

Hätte die Pandemie nicht zu so gravierenden Einschränkungen geführt, wäre Jodie Devos inzwischen auch schon in deutschen Opernhäusern und Konzertsälen in Erscheinung getreten. Doch das ist nun für die allernächste Zukunft zu erwarten! Ich freue mich schon darauf, sie Anfang Juli 2023 in München als Solistin bei den Carmina Burana zu erleben, und denke, dass das nicht das einzige Mal bleiben wird. Sicherlich wird das Liveerlebnis den guten Eindruck bestätigen, den ich aus vielen zauberhaften Videobeispielen gewonnen habe.

Dr. Lorenz Kerscher, 30. März 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Weiterführende Information:

Biografisch sortierte Playlist in Youtube

Offizielle Webseite (auf Französisch)

Jodie Devos in Wikipedia

Lorenz Kerscher, Jahrgang 1950, in Penzberg südlich von München lebend, ist von Jugend an Klassikliebhaber und gab das auch während seiner beruflichen Laufbahn als Biochemiker niemals auf. Gerne recherchiert er in den Internetmedien nach unentdeckten Juwelen und wirkt als Autor in Wikipedia an Künstlerporträts mit.

Dr. Lorenz Kerscher
„Musik ist Beziehungssache,“ so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“

Rising Stars 39: Katharina Ruckgaber classic-begeistert.de, 9. Februar 2023

Rising Stars 36: Carolina López Moreno, Sopran klassik-begeistert.de 15. Dezember 2022

Rising Stars 32: Mikyung Sung muss sich nicht hinter ihrem Kontrabass verstecken klassik-begeistert.de 1. September 2022

2 Gedanken zu „Rising Stars 41: Jodie Devos, Sopran
klassik-begeistert.de, 30. März 2023“

  1. Lieber Lorenz,

    Ein Juwel noch schöner als das andere. Was für eine großartige Sammlung. Du machst Dir einen Haufen Arbeit und wir haben das Glück, die Früchte genießen zu dürfen. Meinen ganz herzlichen Dank dafür.

    Jodie Devos ist überragend auch im Ausdruck. Erklimmt Höhen ohne Mühe und lässt sie noch zart verklingen. Fast alle Videos sind technisch perfekt.
    Genuss ohne ein Gramm co2 zu erzeugen wenn man mal von den Tonnen in den Servernetzen absieht.

    Bernhard Schoppmann

    1. Lieber Bernd,
      da meine Artikel recherchebasiert sind, ist es schon ein gewisser Aufwand, zumal hier alle Quellen auf Französisch waren. Aber ich musste ja auch meine Neugierde über diese ganz besonders interessante Künstlerin stillen! Mit den herausgefundenen Fakten habe ich dann erst einen Wikipediaartikel angelegt und mir damit die Grundlage für dieses Porträt geschaffen. Jetzt hoffe ich auf zahlreiche Teilhabe an meiner Begeisterung!
      Liebe Grüße,
      Lorenz

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert