Mit Pablo Heras-Casado und Ekaterina Gubanova erstrahlen die Bayreuther Zauberklänge in ihrer vollen Pracht

Richard Wagner, Parsifal  Bayreuther Festspiele, 15. August 2023

Parsifal 2023 © Enrico Nawrath

Wie verwandelt schreitet Pablo Heras-Casado nun mit tiefen Glocken durch die Gralsburg, als hätte er über Nacht sein Parsifal-Offenbarungserlebnis gehabt. Zusammen mit einer bärenstarken Gesangsbesetzung lässt er die eigenartigen Zauberklänge dieses Hauses in ihrer vollen Pracht erstrahlen!

Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 15. August 2023

Parsifal
Musik und Libretto von Richard Wagner

von Peter Walter

Im vergangen Parsifal hat Elīna Garanča als Königin der Kundrys bereits für Furore gesorgt. Nun ist Ekaterina Gubanova an der Reihe… kann sie da mithalten? Ja, und noch mehr, sie brennt für diese Rolle mindestens genauso stark wie für die Venus! „Ich helfe nie“ müsste man eigentlich mit mindestens drei subtilen Ausrufezeichen verschriftlichen, diese leicht hintergründige Bemerkung hat mehr Aussagekraft als ein ganzer Aufzug an Schager’schem Stahlkraftgesang!

Mit präsenter, leicht bissiger Stimme macht sie sich dann an den Parsifal, dass dieser kaum widerstehen kann. An einem Abend wie dieser bleibt völlig unklar, wieso sie an dem reinen Tor scheitert und er an ihr vorbei zu Klingsors Speer kommt… Das wird uns wohl nur Wagner selbst erklären können. Leider bekommt sie für ihren fabelhaften Auftritt nur gemäßigten Applaus. Das hätte mindestens so viel Beifall wie Georg Zeppenfeld und Andreas Schager verdient!

Aber Georg Zeppenfeld ist zurück in höchster Bestform! Wenn er beim gestrigen Holländer „mindestens zwei Gänge“ zurückgeschaltet hatte, so schaltet er nun mindestens drei Gänge wieder hoch. Das ist eine absolute Paradeleistung: Gurnemanz rezitiert seine endlosen Monologe mit scheinbar müheloser Kraft, als stünde der Papst auf dem Petersdom vor einem millionenstarken Publikum.

Mit starker Stimme stemmt sich Zeppenfeld selbst über ein – an einigen Stellen – grenzwertig lautes Orchester. Sein Ruf „O Wunder! Heilig hehrstes Wunder!“ klingt wie entfesselt, als würde der Retter der Welt vor ihm stehen. Selbst die Knappen hören ihm in aller Stille zu, sind ebenso ergriffen wie das Publikum.

Doch die aller größte Überraschung des Abends kommt aus dem Graben. Wie verwandelt schreitet Pablo Heras-Casado nun mit tiefen Glocken durch die Gralsburg, als hätte er über Nacht sein Parsifal-Offenbarungserlebnis gehabt. Die Abendmahlszene steht im Raum wie der Anblick eines majestätischen Stephansdoms, der Karfreitagszauber blüht wie ein strahlender Sommermorgen auf einem strahlenden Sonnenblumenfeld. So klingt die zauberhafte Klangkulisse des einzigartigen Bühnenweihfestspiels!

Andreas Schager lässt sich auch von der achten Hammerpartie in drei Wochen nicht beeindrucken. Seine Stimmkraft scheint keine Grenzen zu kennen, mit bärenstarken doch intelligent phrasierten Melodien entreißt er Klingsor den heiligen Speer. Der Zauberer kann eigentlich nur noch zugucken. Diese Stimme braucht viel Futter. Denn mit jeder weiteren an sich völlig überfordernden Tenorpartie entdeckt er immer mehr auch die melodiösen Seiten seiner Stimme!

Derek Welton glänzt als äußerst leidenvoller Amfortas wie ein Göttervater. Seine ewigen Monologe klingen stets wie heilige Klagegesänge, als würde er ein streng gläubiger Mensch seinen Gott um Erbarmen anflehen. Seine Stimme dringt mit ganzer Seele in dieses Haus ein, dass man seine brennende Schmerzen selbst spürt. Tobias Kehrers Bass (Titurel) röhrt aus den dunklen Tiefen des halb verstorbenen frommen Helden, während sein einstiger Rivale Klingsor (Jordan Shanahan) den allmächtigen Speer mit verführerischen Zaubermädchen hütet. Mit stets drohender Stimme lebt der hawaiianische Bayreuth-Debütant seine Rolle wie kein anderer, vor diesem Meister müssen seine Konkurrenten alle zittern.

In seiner bunten Zauberwelt verschmelzen die Stimmen der sechs Zaubermädchen wie süße Schokolade auf der Zunge. Sie streiten sich um Parsifal, wie ein in perfekter Harmonie singender sechsstimmiger Chor tupfen sie die wohlduftenden Noten in die Luft.  Ein Jammer, dass ihr Auftritt schon nach zehn Minuten wieder zu Ende ist…

Regisseur Jay Scheib hatte einen etwas speziellen Vorschlag an das Publikum gerichtet: Man solle sich diese Inszenierung zweimal anschauen, einmal mit und einmal ohne Brille. Ich habe sie nun zweimal gesehen, beides Mal ohne Brille. Und ich kann sagen: Sie hat mir beim zweiten Mal noch besser gefallen als beim ersten Mal. Passieren tut nicht viel, aber das, was passiert, ist hochspannend. Im Vorspiel sieht man Gurnemanz mit seiner Partnerin, die Regie stellt der Handlung schon in der ersten zehn Minuten viele spannende Fragen. Und Klingsors Zauberschloss könnt wohl kaum bunter darstellen, der zweite Aufzug vergeht wie in einem Augenzwinkern.

Parsifal in Bayreuth war schon immer etwas ganz Einzigartiges. Diese Gesangsbesetzung lässt die eigenartigen Zauberklänge dieses Hauses in ihrer vollen Pracht erstrahlen!

Peter Walter, 16. August 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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