Foto: Ingo Wesselly, Im Hintergrund Melanie Holliday
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Fernab der „heiligen Hallen“ einer neobarocken Fellner & Helmer-Architektur wurde mit „Così fan tutte“ wie in einem chemischen Versuch experimentiert. Die Regisseurin Clara Hinterberger stellte sich u.a. die große Aufgabe die Vita des Gesangsstudenten, der die Partie des Ferrando sang, nicht weg zu blenden, sondern einfließen zu lassen und mit zu thematisieren.
Da hatte es Mark Janicello bei dem Jukebox Musical über Mario Lanza leichter, da Regie und Buch seine Idee sind und er selber bei der Weltpremiere im Theater Akzent als der „Impersonator“ auftrat. Was Janicello so faszinierte, waren in dem Fall die Parallelen zwischen Mario Lanza und ihm. Beide Tenöre haben einmal in der gleichen Straße in New York gewohnt, beide haben für Passanten als Straßensänger gesungen. Janicello bekam dabei den Spitznamen „der Domingo des D-Zugs“. Sowohl Lanza als auch Janicello haben italienische Wurzeln und sind Crossover-Spezialisten. Sie teilen gemeinsam, ohne sich je kennengelernt zu haben, den gleichsam missionarischen Eifer klassische Musik allen Menschen zugänglich zu machen. Janicellos Eltern sind übrigens als Mitglieder einer Pfingstbewegung eingetragen.
Für Mark Janicello war es nicht zum ersten Mal das Lebendig-Machen einer früh verstorbenen Sängerpersönlichkeit. Eigentlich hatte er sich für den Herzog in Verdis „Rigoletto“ im Klagenfurter Stadttheater beworben. Bei seiner Bewerbung standen nicht nur Arien von Verdi und Puccini auf dem Programm, sondern auch der Elvis-Titel „Fame and Fortune“. Rund vierhundert Bewerber aus der Musicalwelt hatten vorgesungen und ein Operntenor mit genügend Baritonfundament gewann bei der Suche nach dem perfekten Interpreten für „The King of Rock and Roll“. Ben Weisman, der Komponist von 57 Elvis-Liedern, kommentierte: „Mark hat eine Stimme, die sich Elvis Presley gewünscht hätte.“
Das Theater Akzent im vierten Wiener Gemeindebezirk „Die Wieden“ ist als Ort der Begegnungen 1989 von der Arbeiterkammer mit dem Ziel gegründet worden, einen abwechslungsreichen Spielplan (von Kabarett und Lesungen bis zu Musiktheater) zu bieten, auch für Stars und Publikum von morgen.
So gesehen war das Theater Akzent der richtige Ort für die Uraufführung. An dem von meiner Frau und mir besuchten Abend begegneten wir aber großenteils nur unsrer Generation. Wir gaben dem Musical keine Zukunft, was sich durch unsere aktuellen Recherchen jetzt bewahrheitet.
Was scheint der Grund dafür zu sein? Unser erster Gedanke: Es fehlen mitreißende Revue- und Chorszenen. Doch das ist bei einigen sehr erfolgreichen Musicals und Operetten ebenfalls nicht gegeben. Es ist unseres Erachtens vor allem die Desillusion. Da sehen wir, wie ein Talent zu seinem Schaden abseits ruhmreicher Opernhäuser für Film und Schallplatte vermarktet wird und zugrunde geht.
Beim Erwerb meiner ersten Schallplatte mit Opernarien hatte ich noch die Vorstellung und den Glauben, hier sänge ein Künstler, für den „die Bretter die Welt bedeuten“.
Lothar und Sylvia Schweitzer, 5. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.
Lothar und Sylvia Schweitzer
Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“